Читать книгу Der deutsche Wortschatz - Christine Römer - Страница 25
3.3.2 Typen, Muster und Regeln
ОглавлениеBezüglich der Regelhaftigkeit der Wortbildung kann man zwischen Typen, Mustern und Regeln unterscheiden (ausführlicher in Römer, 2015):
Die Wortbildungstypen sind die grundlegenden Verfahren, die nach der Art der verwendeten Bestandteile differenziert werden. In der Regel unterscheidet man für die deutsche Sprache die Komposition (Wortzusammensetzungen) und Derivation (Wortableitungen). Manche, wie Donalies (2007), nehmen noch die Kurzwortbildung als dritten Typ an. Andere sehen sie als Sondertyp an. WortbildungTypen
Wortbildungsmuster knüpfen an die Typen an und subklassifizieren und charakterisieren diese weiter entsprechend dem morpho-syntaktischen, morpho-phonologischen und/oder morpho-semantischen Status der Bestandteile. Aufgrund dieser Status-Beschreibungen werden mögliche Wortbildungen vorhergesagt. WortbildungMuster
Als eine Form der produktiven Muster werden auch kognitiv verankerte morpho-syntaktische Schablonen (Konstruktionen) im Rahmen der Konstruktionsgrammatik angesehen. „Konstruktionen Im Rahmen dieser Grammatikkonzeption bestehen Konstruktionen für komplexe Wörter entweder aus freien oder aber zum Teil bereits gefüllten Slots.“ (Michel, 2014, S. 2) Nach dieser Theorie treten Affixe im Gegensatz zu Wörtern nur innerhalb von Konstruktionen auf und sind an komplexere Einheiten gebunden (siehe weiter Michel, 2014, Kap. 4.2). Michel, S.Konstruktionsgrammatik
Beispielsweise kann man für das sehr produktive Suffix -er, das mehrdeutig ist, für die explizite Substantivableitung (Nomen Agentis) von verbalen Wortgruppen (Fliesen legen → Fliesenleger, Ofensetzer, Dachdecker …) ein spezielles Konstruktionsmuster annehmen und wie nachfolgend veranschaulichen (Abbildung 3.1). Für Nomina agentis gibt es viele konkurrierende Ableitungssuffixe, beispielsweise -ler (Tischler) -ner (Schaffner) oder -e (Putze). Diese müssten dann nach der Annahme eigene Schemata erhalten.
In dem ersten, allgemeinen Schema haben wir einen leeren Slot für Verbphrasen (VP); in dem zweiten, speziellen ist dieser ausgefüllt.
Abbildung 3.1: -er-Derivationsschema
WortbildungRegeln Wortbildungsregeln sind dynamisch, rekursiv (mehrfach an einem Objekt anwendbar) und werden als kreative, implizite Elemente des menschlichen Sprachvermögens angesehen. Sie sind aus den Mustern ableitbar, jedoch auf den Erzeugungsprozess orientiert. Die Derivationsregeln sind danach „Regeln, die ein neues Wort aus alten Wörtern bilden.“ (Pinker, 2000, S. 38) Die Kompositionsregeln bilden die „Zusammenfügung von Wörtern bzw. Wortstämmen zu einem neuen Wort“ ab. (Sternefeld, 2006, S. 4) Sternefeld, W.Die Anwendung der Wortbildungsregeln unterliegt Restriktionen, die ihre Anwendungen verhindern können.
Neben Regeln werden auch abstrakte, allgemeine Prinzipien angenommen, die erklärende Funktionen haben. PrinzipFregeSo nimmt man für Bedeutungsbeschreibungen ein semantisches Kompositionalitätsprinzip (auch „Frege-Prinzip“) an. Dies besagt, dass sich die Bedeutungen komplexer Ausdrücke aus den Bedeutungen der Bestandteile und der Art, wie sie zusammengefügt sind, ergeben. Beispielsweise ergeben sich die Gesamtbedeutungen der Adjektivkomposita (wie dunkelblond und schwarz-rot gestreift) aus den Bedeutungen der Teile und aus den Strukturtypen der Zusammenfügung: dunkelblond ist eine determinative Komposition, der zweite Teil bestimmt den ersten; schwarz-rot ist dagegen eine kopulative Fügung, was durch den Bindestrich signalisiert wird.
Ein anderes relevantes Prinzip ist das strukturelle Kopfprinzip. PrinzipKopf-Es erklärt u.a. die Tatsache, dass nicht alle an den Bildungen komplexer Wörter beteiligten Teile „gleichberechtigt“ sind. Ein Bestandteil, der Kopf (engl. head), legt die grammatischen und semantischen Grundeigenschaften des Gesamtwortes fest. Wenn man giftgrün mit Rattengift vergleicht, so sieht man, dass giftgrün ein Adjektiv ist, da das Gesamtwort vom zweiten Teil, der Kopfkonstituente, diese Eigenschaft übernommen hat. Rattengift ist dagegen ein Substantiv, weil Gift hier die Kopfkonstituente ist. In der deutschen Sprache sind die komplexen Wörter in der Regel rechtsköpfig. (Zwicky, 1985)
Zentrale Aufgabe der Wortbildungs(lehre) ist es, zu beschreiben, was ein mögliches Wort einer Sprache (z.B. der deutschen) ist, d.h. welche Wörter bzw. Wortbestandteile (z.B. Affixe) wie miteinander kombiniert werden können, und welche regelmäßigen Beziehungen es zwischen der Bedeutung des komplexen Wortes gibt. Man kann sich für den jetzigen Bestand von Wortbildungsprozessen interessieren (synchrone Wortbildung), man kann auch untersuchen, wann bestimmte komplexe Wörter wie entstanden sind, welcher Herkunft die Wortbildungs-Affixe sind, wie produktiv bestimmte Wortbildungsprozesse waren usw. (diachrone Wortbildung). (Clément, 1996, S. 38) Clément, D.
Einen kompakten Überblick findet man im Teil Wortbildung der Dudengrammatik. (Wöllstein und Dudenredaktion, 2016)