Читать книгу Der deutsche Wortschatz - Christine Römer - Страница 30
3.4 Beschränkungen für die Bildung komplexer Wörter WortbildungBeschränkungen
ОглавлениеDie Bildung neuer Wörter erfolgt nicht willkürlich, sondern ist regelbasiert. Die Regeln leiten sich weitgehend vom vorhandenen Wortschatz ab. Die Produktivität der Wortbildung ist Veränderungen unterworfen. Zu bestimmten Zeiten erfreuen sich spezielle Regeln besonderer Beliebtheit und andere werden unproduktiv. Die Sprachwandelforschung versucht für Zeiträume nicht nur die aktuellen Regelmäßigkeiten zu ermitteln, sie ist auch an den regelhaften Beschränkungen interessiert.
Man kann folgendes Schema der Wortbildungskomponenten annehmen (Abbildung 3.4):
Abbildung 3.4:
Komponenten der Wortbildung
Die Wortbildungsregeln für die übliche Interpretation und Bildung komplexer Wörter beinhalten Beschränkungen, die man in Input- und Outputbeschränkungen unterteilt. Die Inputbeschränkungen beziehen sich auf die in Frage kommenden Basen, die Outputbeschränkungen auf die möglichen bzw. unmöglichen Lesarten des gebildeten Wortes. Die Beschränkungen sind spezifisch für die Wortebenen. So existieren neben den grammatischen Beschränkungen (phonologische, morphologische, syntaktische, semantische) auch pragmatische. Letztere liegen beispielsweise vor, wenn Wortbildungsmuster auf bestimmte Textsorten festgelegt sind, „an Erfahrungen mit vergleichbaren Textsorten gebunden“ sind. (Fleischer und Barz, 1995, S. 80)
Neue Bildungen werden auch von vorhandenen Wörtern blockiert (=lexikalische Beschränkungen). So ist es ein übliches Verfahren mit dem Suffix -er von Verben die Bezeichnung von Handlungsträgern abzuleiten (Nomina agentis), wie rauchen > Raucher oder kaufen > Käufer. Die Bildung Kocher, jemand, der kocht, ist durch das vorhandene Wort Kocher, ‘Gerät zum Kochen’ blockiert. Mit dem Suffix -er können nämlich u.a. auch Geräte benannt werden (Nomina instrumenti). Neben der Outputbeschränkung, die die neue lexikalische Lesart von Kocher verhindert, existiert für das Suffix -er die Inputbeschränkung, dass folglich simplizische Verbbasen vor komplexen Verben bevorzugt werden. (Lohde, 2006, S. 94) Lohde, M.
Eine pragmatische Beschränkung beinhaltet das Suffix -i, das in der gegenwärtigen Jugendsprache für die emphatische Bezeichnung von Personen Verwendung findet: Basti ‘beste Freundin’1, Assi, Blödi, Geppi, Horni, Mopsi, Puschi, Schlongi, Spasti, Ziggi2. In der aktuellen Jugendsprache wird das überlieferte, veraltete Suffix i, das zur Bildung von Verkleinerungsformen und für Kosewortbildungen Verwendung fand, mit neuer Bedeutung wieder aktiviert. Während es in der Vergangenheit eine wohlwollende Zuneigung zur bezeichneten Person ausdrückte (Duden-Grammatik, 2009, S. 737), dient es jetzt auch dazu, negative Einstellungen auszudrücken, wie bei Assi oder Spasti. Es hat also eine Bedeutungserweiterung erfahren.