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LEBENSSTATIONEN Wegkreuzungen: 1955, 1987, 2005

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Der Schriftsteller Erwin Strittmatter hat einen wunderbaren Gedanken in Worte gefasst: »Das Leben ist verknotet, man erkennt nicht, von wo der Faden kommt.«

Wenn ich diesen Gedankenfaden aufgreifen darf: Mitten im Leben stehend, kann man noch nicht wissen, wo der Faden beginnt. Am Ende des Lebensweges tut man sich da bereits leichter. Nun lässt sich das Knäuel, das wir Leben nennen, entwirren – und der Faden wird greifbar.

Dieser Faden ist wie eine Linie oder, noch besser, ein Weg. Als Butzerl krabbelst du anfangs über den Boden, dann tappst du als Kleinkind unsicher herum. Mit dem Heranwachsen stellst du dich auf beide Beine und gehst immer sicherer. In der Jugend marschierst du forsch drauflos und stolperst ständig über deine eigenen Beine. Dann kommt die Sturm-und-Drang-Zeit, in der du verschiedene Wege zu gehen versuchst. Mit dem Erwachsenwerden wird dir bewusst, dass du einen Fußabdruck hinterlässt. Und im Alter wird dir das Gehen wieder mühsam, du setzt vorsichtig und zögerlich einen Fuß vor den anderen.

Der Weg, den wir zu gehen haben, ist uns vorgegeben. Manchmal ist es ein Winterweg, mal vom Schnee verweht, mal geräumt, dann wieder ist es ein Sommerweg, aber es ist ein Weg, der zu einem Zielpunkt führt. Ein roter Faden, der uns durch das Leben führt.

Apropos Rot: Wie jeder Weg wird auch unser Lebensweg von Kreuzungen gesäumt. Da steht eine Ampel, die einem Zeichen gibt: »Grün« bedeutet, du darfst weitergehen, »Gelb« zeigt dir an, dass du warten musst. Und »Rot« heißt: Stopp. Die Kreuzung ist für mich jene Station, an der mein Leben verhandelt wird.

Drei Mal ist mein Leben verhandelt worden. Drei Mal hat die Ampel »rot« aufgeleuchtet.

Das erste Mal, 1955, als ich als junger Mann in Heilbronn in einen schweren Unfall verwickelt wurde, der mich fast ein Bein gekostet hätte.

Das zweite Mal, 1987 war’s, als ich in Australien einen Blick in den Himmel fast mit meiner persönlichen Himmelfahrt bezahlt hätte.

Und das dritte Mal, 2005, als ich einen Autounfall mit Todesfolge zu verantworten hatte.

Der dritte Schicksalsschlag hätte mich beinahe aus der Bahn geworfen. Hier hat mir mein Glaube wieder zurück ins Leben geholfen. Ich kann diesen Unfall und die Folgen nicht mehr rückgängig machen. Ich habe mich vor dem irdischen Gericht dafür verantwortet. Und ich habe selbst Verantwortung übernommen. Aber ich weiß auch: Es ist Schicksal gewesen. Diesem Schicksal muss ich mich im Hier und Jetzt stellen. Tagtäglich. Und mit allen Konsequenzen.

Doch eine Ampel zeigt nach dem »Rot« wieder auf »Grün«. Daher hat mich der erste, der Heilbronner Schicksalsschlag auch zu meiner Martha geführt. Dazu später. Ich möchte die Ordnung nicht durcheinanderbringen und an den Beginn des Weges zurückkehren. Dorthin, wo noch keine Weggabelungen sind, wo es noch nicht heißt: rechts oder links. Wo ich einfach in die Welt gestolpert bin, ohne mir den Kopf über die Richtung zerbrechen zu müssen. Ich kehre zurück an den Ort meiner Kindheit.

Ein Schamerl braucht vier Haxen

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