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Die Wessely, Corti und der Prolet

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In guter Erinnerung hingegen hab ich rückblickend ein Abendessen in Hamburg. Am Hamburger Schauspielhaus spielte zu meiner Zeit die Elite des deutschsprachigen Theaters: Bernhard Minetti, Will Quadflieg, Bruni Löbel, Elfriede Ott, Louise Martini, Erni Mangold, Helmuth Lohner, Michael Heltau … und eines Tages auch: die Wessely.

Sie war als Gast am Schauspielhaus, im Theaterzentrum Hamburgs, und ich lud sie als Gast ein in mein bescheidenes Heim am Rande der Stadt. Martha bereitete ein festliches Abendessen. Die beiden Mädchen waren neugierig, war ihnen doch hoher Besuch angekündigt worden. Martha allerdings schickte sie zu Bett.

Natürlich hielten sie sich nicht daran, mitten während des Essens tauchten sie auf und machten artig ihren Knicks vor der Grande Dame. Dann warfen sie einen Blick auf ihren Teller. »So was Gutes kriegen wir nie!«

Paula Wessely, selbst Mutter dreier Töchter, lachte auf und steckte ihnen jeder einen Bissen zu.

Es wurde ein wunderbarer, heiterer Abend.

Jahrzehnte nach diesem Abend. Ich werde angefragt, ob ich als Taxler in einem ORF-Fernsehspiel Paula Wessely chauffieren würde, eine winzige Rolle. Obwohl ich als Mundl bereits eine sogenannte Fernsehgröße bin, sag ich spontan zu, gerade in Erinnerung an das Hamburger Abendessen.

Doch Frau Kammerschauspieler Wessely lehnt brüsk ab, mit mir zu drehen: »Mit dem Proleten nicht!«

Diese Anekdote ist bezeichnend für die Zäsur, die mir in der Mitte meines Lebens widerfahren ist. Über 20 Jahre lang war ich in Deutschland Ensemblemitglied an renommierten Häusern. Ein anerkannter und bei Kollegen geschätzter Theaterschauspieler. Der breiten Öffentlichkeit allerdings, und gerade in Österreich, völlig unbekannt. 1975, also mit 45 Jahren, wurde ich zu einem sogenannten Massenphänomen, über das der eine oder andere Kollege plötzlich die Nase gerümpft hat.

Ich hab mich trotzdem bemüht, dem Leitgedanken meines Zürcher Schauspiellehrers zu folgen und ein Mensch zu bleiben: Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu. Gehadert hab ich, offen gestanden, aber doch die eine oder andere Stunde ob der Häme, die mir in Kollegenkreisen begegnet ist.

Wirklich betroffen gemacht hat mich jener Mann, auf dessen Filmset diese ganze »Mundl-G’schicht«, von der ich noch erzählen werde, begonnen hat: Axel Corti.

Drei große Fernsehfilme hab ich mit ihm zwischen 1974 und 1976 gedreht, unmittelbar vor und nach der ersten Aufnahme zur TV-Serie »Ein echter Wiener geht nicht unter«. Doch nach der unerwarteten Aufmerksamkeit, die dieses anfängliche Experimental-Projekt des Österreichischen Rundfunks bekommen hatte, sagte er plötzlich zu mir: »Du, Karl, jetzt, wo du den Mundl spielst, kann ich dich nicht mehr besetzen.«

Und da bin ich selbst zum Mundl geworden – und hab ihm auf gut Wienerisch das Arschlecken gelehrt. Ich dachte beim Corti eigentlich bis zu dieser Aussage, er wäre ein Freund, mit mir eins im künstlerischen Denken. Danach wusste ich: Er ist auch nur ein Regisseur, der sich an einem Klischeebild abarbeitet.

Zum Glück gibt es Freunde, die einen durchs ganze Leben begleiten, wie die bereits erwähnten Brüder Fredl und Kurtl Polaschek, die beide in die Marika Rökk verliebt gewesen sind. Mit Kurtl, der zwar nicht die Rökk, dafür aber meine Cousine Hilda geheiratet hat, telefoniere ich noch heute einmal in der Woche.

Aber auch in meinem Beruf lernte ich Menschen kennen, mit denen ich mich eins fühlte: allen voran Thomas Bernhard, Franz Antel, Dietmar Pflegerl und Kurtl Weinzierl. Das sind meine Lebensfreunde, auch wenn sie nicht mehr unter uns weilen.

Ein Schamerl braucht vier Haxen

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