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1952 bis 1976:
Salzburg, Hamburg, München: Theater im Engagement

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Wäre nicht der Alkohol gewesen, wer weiß, ob ich diesen »flüssigen Übergang« ins Schauspiel gewagt hätte. Obwohl, ganz so »flüssig« wie in der Rückschau ist der Übergang gar nicht gewesen. In der Zeit von 1949 bis 1976 machte ich zwischen Wien und München sämtliche Irrungen und Wirrungen eines unsteten Lebens durch. Ich erlernte einen zweiten Beruf, das Schauspiel, heiratete, wurde Vater und hab immer wieder mit meiner Familie die Koffer gepackt, weil uns ein Engagement in eine neue Stadt geführt hat. Erst in der Mitte meines Lebens, mit 46, wurde ich richtig sesshaft.

Wie erwähnt, fiel meine Wiener Gesellenzeit mitten ins zerbombte Nachkriegs-Wien, in die Jahre 1949 bis 1951. Eines Tages fand ich in einem der vielen Bombentrichter am Gürtel durch Zufall unter Mauerschutt ein vergilbtes Soufflier-Büchlein …

Bei diesem Büchlein muss ich einen zeitlichen Sprung zurück machen, um Ihnen ein besseres Verständnis für meine lebenslange Liebe zum Theater zu geben, denn ich entdeckte diese Liebe früh. Bereits in der Kindheit hab ich im Pfarrtheater gespielt. Mein Zugang zum Schauspiel war und ist ein spielerischer. Diese Naivität hab ich mir bis heute erhalten.

Aus reiner Hetz haben meine beiden Freunde, die Brüder Kurtl und Fredl, und ich uns von Kindesbeinen an verkleidet. Der Kurtl hatte ein Faible für die Damen der 1930er-Jahre, besonders für Zarah Leander und die Marika Rökk, also für die Mondäne und die Feurige. Als Rökk hat er sich in kurze Röcke geschmissen und wie ein Derwisch Csárdás getanzt. Der Fredl hat es ihm gleichgetan, der war dann die Leander. Oder umgekehrt. Ich hingegen bin in meiner schauspielerischen Unschuld ganz ernst geblieben, lernte brav Texte und plapperte nach. Der Kurtl und der Fredl bewährten sich also im Stegreif, während ich bereits im Rezitativ dilettiert hab.

Ich war ein reiner Tor. Liebesszenen spielte ich mit einer solchen Inbrunst, dass ich jedes Mal eine Watschen riskiert hab. Damals war man in dieser Hinsicht noch nicht so aufgeschlossen wie heute. Aber wurscht, Hauptsache, es hat uns unterhalten.

Unsere Freude am Spiel wollten wir weitergeben. Da wir Ministranten waren, redeten wir mit dem Pfarrer, der uns im Pfarrkeller einen Platz für Auftritte gab. Da sind dann die alten Kirchenweiberl gesessen und haben ebenfalls eine Freude gehabt. Ich hab bald gemerkt, dass das Schauspiel etwas Verbindendes ist.

Der spielerische Zugang öffnete mir die Türe für diesen Beruf – in den Raum eingetreten bin ich schließlich in Wien. Ich wollte mich am Reinhardt Seminar bewerben, schaffte es allerdings nur bis zum Portier. Vor dem stand ich dann im Tischlerschurz und erkundigte mich im breitesten niederösterreichischen Dialekt nach dem Aufnahmeprozedere. Er hat mich umgehend wieder heimgeschickt.

Nach einem Umweg über die Schweiz bekam ich schließlich am Salzburger Mozarteum die Möglichkeit, von 1952 bis 1955 auch meinen zweiten Beruf grundsolide zu erlernen. Ich möchte diese Jahre kurz im Zeitraffer streifen.

Bis Mai 1951 bin ich in Wien geblieben. Dann kam die große Arbeitslosigkeit und es zog mich ins Paradies: »in’d Schwyz«! In Zürich wollte ich mir – mit meinen 21 Jahren endlich volljährig – den Traum von der großen Theaterwelt erfüllen. Und arbeitete als Schankbursche. Mit dieser Arbeit finanzierte ich mir die Ausbildung an der Zürcher Schauspielschule. Meine Lehrer: Walter Richter, der erste »Tatort«-Kommissar, und Gustav Knuth. Letzterem sollte ich bei der ersten »Bockerer«-Verfilmung wieder begegnen, bei der er auf meinen Wunsch hin eine kleine Rolle übernahm.

Privatunterricht allerdings wollten mir beide nicht geben. Das übernahm Walter Fried, ebenfalls einer der Seminar-Lehrer. Mit seiner Eingangsfrage prägte er mich für mein ganzes Leben: »Wollen Sie Schauspieler werden? Oder Mensch!«

Gemeint hat er damit, grundrichtig: Wenn ich Mensch werden wollte, brauchte ich keinen Schauspielunterricht mehr zu nehmen. Denn wer Mensch sei, könne auch eine Rolle gestalten.

Wir haben uns über mehrere Monate hinweg ein Mal in der Woche getroffen und über das Sein gesprochen. Grundlage war uns dabei kein Rollenbuch, sondern die Bibel. Alles, was ich als Schauspieler bin, verdanke ich diesem lebensklugen Lehrer und großen Menschen.

Sein Credo: Erst das In-sich-Sein führt zur Erkenntnis des Menschseins. Letzten Endes ist jede Figur, die man verkörpert, ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Und noch etwas hat er mir auf den Weg mitgegeben: »Sie müssen in sich hören!«

Dieses In-mich-Hören hat mich aus der Schweiz zurückgeführt in die Heimat, besser gesagt nach Salzburg. Eine Rückkehr, die nicht ganz freiwillig gewesen ist, hat mir doch die Schweizer Fremdenpolizei im Dezember 1951, also ein halbes Jahr nach meiner Einreise, freundlichst mitgeteilt, ich müsse, um weiterhin in der Schweiz studieren zu dürfen, den Unterhalt für ein ganzes Jahr in bar vorweisen können. Wie hätte ich das machen sollen? Also hab ich in mich gehört und bin zurück nach Österreich.

Ich kann mich noch genau an meine Ankunft in der Mozartstadt im Jahr 1952 erinnern. Lange Haare, verschlissene Hose, Bastschuhe. So bin ich eines Nachmittags am Bahnhof ausgestiegen – ein Existenzialist inmitten bürgerlicher Spießigkeit.

Anderntags schlenderte ich über die Staatsbrücke: »Gibt’s hier eine Schauspielschule?«

Ein Lodenmantel-Träger nickte und deutete mit dem Kopf zum anderen Ende der Brücke: »Neben unserem Landestheater.«

Ich bewarb mich und wurde genommen. Für die nächsten drei Jahre wurde das Mozarteum zu meiner Ausbildungsstätte. Mit der Aufnahme an dieser renommierten Schauspielschule – ich war damals 22 Jahre alt – änderte sich mein Leben grundlegend. Aus dem gelernten Tischler Karli wurde der auszubildende Schauspieler Merkatz. Meine drei Salzburger Jahre standen unter dem Motto: vom Suchen und Finden.

Wobei ich beim Finden letztlich erfolgreich war, hab ich doch unmittelbar im Anschluss an die Abschlussprüfung 1955 ein Engagement in Heilbronn gefunden. Und dort, für mich persönlich noch tiefgreifender, Martha Metz kennengelernt. Doch dazu später mehr.

In Heilbronn war ich zwei Saisonen lang engagiert. Dann mussten Fräulein Metz, zwischenzeitlich verheiratete Merkatz, und ich, ihr Göttergatte, bereits wieder die Koffer packen. Es ging für zwei Saisonen zurück nach Salzburg: ans Landestheater.

Danach – eine sehr schöne Zeit – wiederum für zwei Saisonen nach Nürnberg, nochmals eine Saison nach Salzburg sowie eine Saison nach Köln, ans dortige Schauspielhaus. Und, Höhepunkt meiner Lehr- und Wanderjahre, für neun Jahre nach Hamburg: von 1964 bis 1973 ans Deutsche Schauspielhaus Hamburg, anschließend ans Thalia Theater. 1964, mit Mitte 30, war der kleine Karli aus Wiener Neustadt am Ziel all seiner Wünsche: Er war Ensemblemitglied am renommiertesten Theater Deutschlands.

Meine beiden Töchter, Gitta und Josefine, sind an der Elbe aufgewachsen. Martha und ich haben uns ausgesprochen wohlgefühlt an der Waterkant. Hätten nicht die politischen Wirren Anfang der 1970er-Jahre zu einer unangenehmen Ausländerfeindlichkeit geführt, wer weiß, ob wir nicht Bundesdeutsche geworden wären. So aber trieb uns auch der politische Wind wieder zurück in die Heimat.

Doch zuvor folgten auf die neun Jahre noch drei Saisonen an den Münchner Kammerspielen. Diese Jahre, 1973 bis 1976, habe ich in nicht allzu guter Erinnerung.

Ein Schamerl braucht vier Haxen

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