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Fall 2 Wildschweinjagd im Binnenmarkt

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Inhaltsverzeichnis

Vorüberlegungen

Gliederung

Lösungsvorschlag

Wiederholung und Vertiefung

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Die Jägerschaft im EU-Mitgliedstaat Boaria (B) ist alarmiert. Der dramatisch angewachsene Schwarzwildbestand in vielen Jagdrevieren in B hat zu massiven Flur- und Waldschäden sowie zu hohen Ernteeinbußen bei den Landwirten geführt. Trotz großer Schwierigkeiten, die Abschusszahlen für das weitgehend nachtaktive Schwarzwild zu erfüllen, bleibt die Verwendung von Nachtzielgeräten (NZG) zur nächtlichen Jagd gemäß § 19 des boarischen Jagdgesetzes (BJagdG) verboten.

Da sich der boarische Jäger J angesichts der dramatischen Entwicklungen von der Politik im Stich gelassen fühlt, bestellt er sich dennoch über einen Online-Versand ein NZG aus dem benachbarten EU-Mitgliedstaat Armsland (A). Nachdem das NZG allerdings bei einer der regelmäßigen Nachtjagden von J nach Hinweis eines anderen Jägers von der Polizei sichergestellt und ein Strafverfahren gegen J eingeleitet wird, wendet sich dieser an den Rechtsanwalt R. R meint zwar, dass J einer Strafe aufgrund der eindeutigen nationalen Rechtslage nur schwer entgehen könne, es bleibe allerdings der Versuch, einen Verstoß des § 19 BJagdG gegen das Unionsrecht geltend zu machen. J müsse die Sache aber wohl selbst in die Hand nehmen, da ein Vorabentscheidungsersuchen seitens des Strafgerichts in einem solch „kleinen“ Verfahren eher unwahrscheinlich sei. J beschließt daher, Beschwerde gegen das boarische NZG-Verbot bei der Europäischen Kommission einzulegen.

Nach einer informellen Untersuchung der Beschwerde sendet die Kommission am 16.2.2017 ein Mahnschreiben an B, in dem sie die Ansicht vertritt, dass das NZG-Verwendungsverbot gemäß § 19 BJagdG gegen Art. 34 AEUV verstoße. Mit Hinweis auf die mögliche Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gibt die Kommission B eine Frist von zwei Monaten zur Äußerung zum Inhalt des Mahnschreibens. Ein Antwortschreiben von B unterbleibt jedoch. Daraufhin übersendet die Kommission der Regierung von B eine mit Gründen versehene Stellungnahme, mit der sie B nochmals auffordert, sich zu den in der Stellungnahme dargelegten Vorwürfen binnen zwei Monaten ab Zugang zu äußern.

Der Regierung von B geht die Stellungnahme der Kommission zwar am 27.4.2017 zu, doch vergisst sie im Trubel anderer wichtiger gesellschaftspolitischer Themen, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Erst kurz vor der parlamentarischen Sommerpause Anfang Juli 2017 wird dieses Versäumnis bemerkt und § 19 BJagdG von der Mehrheit des Parlaments aufgehoben. Mangels Kenntnis von der Aufhebung des Gesetzes erhebt die Kommission am 14.7.2017 formgerecht Klage beim Gerichtshof gegen B.

Als man in B von der Klage der Kommission hört, ist die Empörung groß. Insbesondere ist man der Auffassung, dass das für ein Vertragsverletzungsverfahren erforderliche Vorverfahren mangels Reaktion von B auf das Mahnschreiben nicht hätte fortgeführt werden dürfen. Darüber hinaus sei das erforderliche Rechtschutzbedürfnis schon nicht mehr gegeben, nachdem § 19 BJagdG bereits vor der Klageerhebung aufgehoben worden sei. Die Klage der Kommission sei schon allein aus diesem Grund unzulässig. Zudem habe auch ein Verstoß gegen Art. 34 AEUV zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, da Verwendungsverbote nicht unter Art. 34 AEUV fallen würden. Ein bloßes Verwendungsverbot verhindere gerade nicht den grenzüberschreitenden freien Warenverkehr, da nicht der Absatz ausländischer NZGs in B verboten sei, sondern eben nur deren Verwendung bei der Jagd; es stünde daher der Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes nicht entgegen. Aber selbst wenn § 19 BJagdG unter Art. 34 AEUV fallen sollte, sei die verbotene Verwendung von NZGs mit Blick auf die Ruhebedürftigkeit der Tiere, die durch nächtliches Jagen in ihrem Lebensrhythmus beeinträchtigt werden, gerechtfertigt. Nächtliches Jagen widerspreche nämlich dem Grundsatz der Waidgerechtigkeit und missachte den Tierschutz, weil ein tierschutzgerechter Schuss (mit sofortigem Todeseintritt) aufgrund der eingeschränkten Sichtverhältnisse bei Dunkelheit trotz NZG nicht gewährleistet werden könne. Auch bedürfe es eines besonderen Schutzes des Ökosystems „Wald“, da im Falle nächtlicher Jagden die nächtlichen Tierwanderungen zunehmen würden, was Flur- und Waldschäden nur noch verstärke.

Die Kommission hingegen sieht keinen Grund für die Unzulässigkeit der Klage. Aus Art. 260 AEUV ergebe sich, dass ein Rechtsschutzbedürfnis auch trotz Aufhebung der in Rede stehenden mitgliedstaatlichen Maßnahme vor Klageerhebung weiterhin bestehe. Auch widerspricht die Kommission dem Argument, dass der Absatz von NZGs in B nicht beeinträchtigt gewesen sei. Nach ihrer Auffassung hätten Verbote wie in § 19 BJagdG mitunter erhebliche Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel. Jedenfalls sei der freie Marktzugang zu B für EU-ausländische NZGs nicht mehr gegeben. Eine Möglichkeit zur Rechtfertigung des § 19 BJagdG sieht die Kommission nicht, vor allem weil das Ökosystem „Wald“ doch gerade vor einem ausartenden Schwarzwildbestand geschützt werden müsse. Schließlich könne sich B nicht auf allgemeine Sicherheitsbedenken berufen, da die Jagd in B zu unbedeutend sei, als dass sie Auswirkungen auf das einheitliche Sicherheitsniveau in B habe.

§ 19 des boarischen Jagdgesetzes (BJagdG):

„Verboten ist, Nachtzielgeräte, die einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen und für Schusswaffen bestimmt sind, zu verwenden oder zu nutzen.“

In Anlage 1 zum BJgadG sind Nachtzielgeräte definiert als:

„(…) für Schusswaffen bestimmte Vorrichtungen, die eine elektronische Verstärkung oder einen Bildwandler und eine Montageeinrichtung für Schusswaffen besitzen.“

Bearbeitervermerk:

Bereiten Sie in einem umfassenden Gutachten – gegebenenfalls hilfsgutachtlich – die Entscheidung des Gerichtshofs vor. Spezielles, abschließend regelndes Sekundärrecht existiert nicht. Art. 346 AEUV ist nicht zu prüfen.

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