Читать книгу Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen - Christoph Keller - Страница 22
Ermessen (Entschließungs- und Auswahlermessen)
Оглавление„Ermessen“ bedeutet, dass den handelnden Polizeibeamten durch die Ermächtigungsgrundlage Entscheidungsspielräume hinsichtlich der Rechtsfolge, also der zu treffenden Maßnahme eingeräumt sind.51 Zwei Stufen der Ermessenausübung sind zu unterscheiden:52
– Entschließungsermessen: Infrage steht das Handeln überhaupt.
– Auswahlermessen: Infragesteht die Art der Maßnahme selbst.
Bei präventivem Handeln, insbesondere zur Gefahrenabwehr, kommt der Polizei ein Entschließungsermessen zu. Sie kann also entscheiden, ob sie überhaupt tätig wird. Gem. § 3 Abs. 1 PolG NRW hat die Polizei ihre Maßnahmen nach „pflichtgemäßem Ermessen“ zu treffen (§ 3 Abs. 1 PolG NRW). Bei der Rechtmäßigkeitsprüfung einer bereits getroffenen Maßnahme ist allein zu prüfen, ob der Polizei Ermessensfehler unterlaufen sind. Die Frage der Ermessensreduzierung spielt dabei hauptsächlich in Verpflichtungskonstellationen eine Rolle, in denen ein Anspruch auf das Ergreifen einer bestimmten Maßnahme geltend gemacht wird. Mitunter besteht eine „Ermessensreduktion auf Null“, insbesondere wenn es um die Abwehr von Lebensgefahren geht.53 Ob eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt, ist im Rahmen einer Güterabwägung zu ermitteln. Ermessensreduzierende Gründe sind dabei:54
– Schwere und Ausmaß der Gefahr,
– die hohe Bedeutung des gefährdeten Rechtsguts und
– die Möglichkeit der Polizei zum Handeln und das Fehlen anderer vorrangiger Aufgaben.
Die Schutzpflicht des Staates ist umso stringenter, je höher der Rang des jeweiligen Grundrechts bzw. Rechtsguts innerhalb der Wertordnung anzusetzen ist.
Liegt der Anfangsverdacht einer Straftat vor, greift das sog. Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2, § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO).55 Ein „Entschließungsermessen“ der Polizei, ob sie überhaupt zur Erforschung der Straftat tätig wird, besteht in diesem Fall nicht. Unzutreffend ist es allerdings, bei repressiven Maßnahmen im Zusammenhang mit Straftaten ein Ermessen generell abzulehnen. Denn die handelnden Polizeibeamten können auch im repressiven Tätigkeitsfeld entscheiden, an wen sie ihre Maßnahmen richten, z. B. welchen Zeugen sie zuerst vernehmen bzw. welche repressiven Maßnahmen zunächst getroffen werden sollen.
Formulierungsvorschlag:56
„Bei repressiven Maßnahmen im Zusammenhang mit Straftaten ist das Entschließungsermessen wegen des Legalitätsgrundsatzes auf Null reduziert. Ermessensfehler sind im Übrigen nicht ersichtlich.“