Читать книгу Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen - Christoph Keller - Страница 57
II. Formelle Rechtmäßigkeit
ОглавлениеDie sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1, 3 PolG NRW i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 POG NRW. Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). Gefahr ist eine Sachlage, die einen Schaden für die öffentliche Sicherheit erwarten lässt. Das ist insbesondere gegeben, wenn ein tatsächliches Geschehen den Schluss rechtfertigt, dass möglicherweise individuelle Rechte wie Leib, Leben, Gesundheit usw. einer Person oder das Sicherheitsgut „Rechtsordnung“ zu Schaden kommen könnten.4 Durch den Lärm werden die Nachbarn in ihrer Nachtruhe gestört und damit in ihrer körperlichen Integrität (§ 223 StGB) beeinträchtigt. Die Ruhestörung beeinträchtigte nicht nur die objektive Rechtsordnung, sondern auch die subjektiven Rechte und Rechtsgüter der Nachbarn. Durch die fortgesetzte massive Ruhestörung zur Nachtzeit ist vorliegend das individuelle Sicherheitsgut Gesundheit anderer Personen in Gefahr. Derartige Ruhestörungen sind Ordnungswidrigkeiten (§§ 9, 10, 17 LImSchG NRW), sodass hier auch eine Gefahr für das Sicherheitsgut der Allgemeinheit „Rechtsordnung“ besteht.
Gem. § 9 Abs. 1 LImSchG NRW sind von 22 bis 6 Uhr Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. Für das Verbot kommt es nicht darauf an, dass tatsächlich eine Störung der Nachtruhe eintritt, sondern es genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die entsprechende Handlung zu einer Störung führen kann („geeignet sind“). Ziel der Nachtruhe ist es, einen gesunden Schlaf zu gewährleisten. Gem. § 10 Abs. 1 LImSch NRW dürfen Geräte, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen (Musikinstrumente, Tonwiedergabegeräte und ähnliche Geräte), nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden. Tongeräte in diesem Sinne sind neben Musikinstrumenten auch Radios, Fernsehgeräte, Kassettenrekorder, Plattenspieler, CD-Player, Tonbandgeräte, Megafone usw. Nach Nr. 10.1 VV LImschG NRW gilt diese Vorschrift zudem für Verstärker und Lautsprecher. Es sei erwähnt, dass das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit5 dem Wohnungsinhaber nicht das Recht gibt, „einmal im Monat durch lautstarkes Feiern die Nachtruhe zu stören“. Der Wohnungsinhaber ist vielmehr dafür verantwortlich, dass von einer von ihm darin veranstalteten Geburtstagsfeier kein Lärm ausgeht, der die Nachtruhe zu stören geeignet ist.6
Es besteht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Auch liegt öffentliches Interesse vor. Ein solches ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn es um die Abwehr von Gefahren für die Rechtsordnung geht. Dabei spielt der Umstand, dass die Gefahr im privaten Bereich verursacht wurde, keine Rolle. Die Beamten sind subsidiär zuständig; ein Handeln der an sich zuständigen (Ordnungs-)Behörde ist nicht oder nicht rechtzeitig möglich (§ 1 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW). Soweit Polizeibeamte gestützt auf § 8 Abs. 1 PolG NRW Verwaltungsakte erlassen, sind die allgemeinen Regeln des VwVfG NRW zu berücksichtigen, insbesondere die §§ 28, 37 Abs. 2 VwVfG NRW. Der Verwaltungsakt ist entsprechend § 41 Abs. 1 VwVfG NRW bekannt zu geben, er wird dann wirksam (§ 43 Abs. 1 VwVfG NRW).