Читать книгу Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen - Christoph Keller - Страница 43
2. Besondere Verfahrensvorschriften
ОглавлениеZu beachten sind die hier einschlägigen besonderen Verfahrensvorschriften aus den §§ 36 - 38 PolG NRW. Da der Sachverhalt diesbezüglich keine genaueren Ausführungen beinhaltet, kann von einer Einhaltung dieser Vorschriften ausgegangen werden. Im Einzelnen handelt es sich dabei zunächst um die Begrenzung der Ingewahrsamnahme auf das Ende des Folgetages (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW) und die Beendigung der Ingewahrsamnahme bei Wegfall des Grundes der Maßnahme (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW).
Besonderen Stellenwert hat die Beachtung des Richtervorbehaltes über die Fortdauer der Freiheitsentziehung (§ 36 Abs. 1 PolG NRW). Die Ingewahrsamnahme muss aber nicht durch einen Richter angeordnet werden; es ist nachträglich (also bei bereits erfolgter Ingewahrsamnahme) eine richterliche Entscheidung beizubringen. Abzusehen von einer richterlichen Entscheidung ist, wenn selbige erst nach Wegfall des Grundes der Ingewahrsamnahme eingeholt werden könnte. Daraus würde eine Entlassung nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW folgen. Zum diesbezüglichen zeitlichen Ablauf enthält der Sachverhalt jedoch keine Angaben.
Weiterhin ist der Grund für die Freiheitsentziehung bekanntzugeben (§ 37 Abs. 1 PolG NRW) und die Benachrichtigungsmöglichkeit gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 PolG NRW zu berücksichtigen. Zudem soll die Unterbringung nicht mit Straf-/Untersuchungsgefangenen (§ 37 Abs. 3 Satz 1 PolG NRW) wie auch geschlechtergetrennt (§ 37 Abs. 3 Satz 2 PolG NRW) erfolgen.
Die PolGewO NRW (Polizeigewahrsamsordnung) ist zu beachten.
Durch das „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen“ v. 13.12.201838 wurde mit § 38 Abs. 2 PolG NRW erstmals eindeutige und differenzierte Vorgaben für die zulässige Dauer der Ingewahrsamnahme aufstellt. Die unterschiedlich konzipierten Zeiträume binden den Richter bei seiner unverzüglich durch die Polizei herbeizuführenden Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams (§ 36 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW), sind also keine Fristen für die Polizei. Die Vorschriften über den jeweils zulässigen Zeitrahmen folgen dabei den Tatbestandsvarianten des § 35 Abs. 1 PolG NRW. So ist etwa für die Ingewahrsamnahme zur Verhütung der Begehung eines Verbrechensgem.
§ 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW nach der Bestimmung des § 38 Abs. 2 Nr. 1 PolG NRW eine Gewahrsamsdauer von bis zu 14 Tagen mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung durch richterliche Entscheidung um weitere 14 Tage vorgesehen. Eine neuartige Bestimmung ist § 38 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 PolG NRW über die Dauer des Gewahrsams, wenn dieser im Rahmen einer Identitätsfeststellung (§ 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 PolG NRW) begründet wird. Die Vorschrift erlaubt (was durch den Verweis auf Nr. 2 deutlich wird) eine richterliche Entscheidung über eine Gewahrsamsdauer von bis zu sieben Tagen, wenn „Tatsachen die Annahme begründen, dass die Identitätsfeststellung innerhalb der Frist nach Satz 1 [innerhalb von 12 Stunden] vorsätzlich verhindert worden ist“. In diesem Fall genügt es auch, „wenn die richterliche Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen herbeigeführt wird“. Adressaten polizeilicher Maßnahmen sind häufig nicht zur Kooperation bereit und sperren sich nicht selten schon gegen eine Feststellung ihrer Identität – das Verätzen oder Verkleben von Fingerkuppen, passiver und aktiver Widerstand sind keine Seltenheit. Die Möglichkeit, eine Person in einem solchen Fall aufgrund der auch hier unentbehrlichen richterlichen Anordnung bis zu sieben Tagen in Gewahrsam zu halten, soll sie zu einem Einlenken bewegen. Denn gibt die Person ihre Identität preis, ist sie unverzüglich aus dem Gewahrsam zu entlassen.