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Attraktiv wie eine Villa an der Côte d’Azur

Aus zwei Regionalligen wird eine, aus neun Oberligen deren drei. Ob das die unteren Ligen wie geplant aufwertet, ist mehr als fraglich. Dass dadurch zig Traditionsvereine in der Versenkung verschwinden oder gar Insolvenz anmelden werden, steht hingegen fest. Die eingleisige Profiliga scheint so attraktiv zu sein, dass sie sich kaum einer leisten kann.


Auf den ersten Blick haben die Protagonisten der Liga-Umstrukturierung gute Argumente: In der Tat fand der Fußball in Deutschlands dritten und vierten Ligen bislang in der öffentlichen Wahrnehmung kaum statt. Während man selbst um viertel nach zwei Uhr morgens noch Wiederholungen längst vergangener Erst- und Zweitligabegegnungen sehen kann, wird die Regionalliga seit Jahren auf wenige Minuten technisch nicht sonderlich aufwändiger Zusammenschnitte in den dritten Programmen reduziert. Die überregionalen Printmedien halten sich sogar fast gänzlich zurück, wenn es darum geht, über die unteren Spielklassen zu berichten. Dabei dürften sich nicht unbedingt weniger Menschen für das Schicksal von Dynamo Dresden oder Braunschweig interessieren als für das von Paderborn oder Wolfsburg.

Auch ein weiteres Argument der Reformbefürworter ist nicht wegzudiskutieren: Für eine einheitliche dritte Liga spricht auch die Tatsache, dass die bisherige Nordstaffel einen fast doppelt so hohen Zuschauerschnitt vorzuweisen hat wie die Südstaffel, bei der Begegnungen wie Elversberg gegen Pfullendorf eher die Ausnahme als die Regel sind. Die jedoch interessieren überregional allenfalls Exil-Pfullendorfer. Und da Pfullendorf landschaftlich wunderschön gelegen ist, gibt’s davon nicht allzu viele.

Indes gab es andere Motive für die Reform als den edlen Kampf um attraktive Begegnungen, die die Herzen der Fans erwärmen sollten. Zum Beispiel das ureigenste Interesse des DFB, endlich wieder eine möglichst attraktive Liga unter seinen Fittichen zu haben, nachdem die 1. und die 2. Bundesliga für immer unter das Dach der DFL entfleucht waren.

Und dann wäre noch der stete und geduldige Druck der Lobbyisten mancher Traditionsvereine, die endlich auch ans große Geld kommen wollten, aber nicht so recht schlüssig beantworten konnten, warum sie es dann seit Jahrzehnten nicht schaffen, trotz teilweise gigantischer Investitionen zurück in den Profifußball zu kommen.

Die Reform

Statt der 37 Drittligisten in einer Nord- und einer Südstaffel wird es nur noch 20 in einer einzigen Liga geben. Der Rest wird viertklassig. Für die bisherigen Regionalligisten bedeutet das, dass sie tunlichst erster oder zweiter werden sollten (dann wären sie, wie bisher, in die zweite Liga aufgestiegen) oder aber Platz drei bis zehn belegen sollten, um zumindest die Drittklassigkeit zu halten. Schon der Elfte spielt in der Saison 2008/09 in der dreigleisigen vierten Liga.

Heftig umstritten war monatelang die Frage, wie viele Amateurvertretungen der Erst- und Zweitligisten künftig drittklassig sein dürfen. Die Profivereine plädierten aus verständlichen Motiven dafür, deren Anzahl überhaupt nicht zu begrenzen. Schließlich hätten sie sich ja dann sportlich qualifiziert. Und überhaupt: Ihre Nachwuchsteams sorgten ja dafür, dass immer wieder gut ausgebildete Talente in die oberen Ligen nachrücken könnten.

Aus ebenso verständlichen Motiven hielten die Traditionsvereine dagegen. Während Begegnungen zwischen Dresden und Düsseldorf oder Braunschweig und Magdeburg hohe Zuschauerzahlen einbrächten, kämen nachweislich 30 Prozent weniger Zuschauer als im Saisonmittel, wenn es gegen Dortmund II oder den Nachwuchs von Bayer Leverkusen gehe. Unvergessen das Bild aus der Saison 2006/07, als Fans des VfL Osnabrück vor die gähnend leere Gästekurve ein Transparent mit der Aufschrift »Weg mit den Profiteams« hängten. Gegner war Bayer Leverkusen II; die Rheinländer hatten nicht einen einzigen Auswärtsfan im Schlepptau.

Die Regelung sieht nun vor, dass ab der Saison 2008/09 nur maximal vier Nachwuchsteams der dritten Liga angehören dürfen. Die Crux: Darunter ist deren Anzahl unbegrenzt freigegeben, nicht wenige Vertreter der Dritt- und Viertligisten befürchten, dass spätestens im dritten Jahr so viele Zweitvereine in die dritte Profiliga aufgestiegen sein werden, dass sie für die Zuschauer gänzlich unattraktiv zu werden drohen.

Die vierten Ligen

Die Reformen in der dritten Liga bleiben natürlich nicht ohne Folgen für das Geschehen in den Ligen darunter. Statt der bislang neun Oberligen (Nord, Nordost-Nord, Nordost-Süd, Westfalen, Nordrhein, Südwest, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern) wird es künftig nur noch drei geben. Um die Verwirrung komplett zu machen, heißen diese drei Ligen »Regionalligen«, die bisherigen fünften Ligen werden dafür künftig »Oberligen« heißen. In den zukünftigen drei Regionalligen Nord, Nord/ Nordost und Süd spielen jeweils 18 Mannschaften. Aus den bisherigen Oberligen bleiben am Ende der Saison 2007/08 jeweils die besten vier Mannschaften viertklassig, die restlichen 18 Mannschaften sind die Absteiger aus den bisherigen Regionalligen Nord und Süd. Schon der Fünfte der Oberliga spielt hingegen in der folgenden Saison nicht mehr viert-, sondern fünftklassig.

Die Grenzziehung zwischen den drei Regionalligen verläuft dabei recht willkürlich. Gut möglich, dass Teams aus ein und demselben Bundesland auseinandergerissen werden. Beispielsweise könnte das ostwestfälische Verl in der Liga Nordost-Nord antreten, während das wenige Kilometer entfernte Dortmund (BVB II) in der Nordstaffel mit allen anderen Teams aus NRW spielen dürfte. Nicht nur, was die Reisekosten und die Attraktivität der Spiele angeht, lässt sich also kaum noch von gleichen Rahmenbedingungen sprechen.

Doch das sind Marginalien angesichts eines viel größeren Problems. Bereits vor der entscheidenden Saison hatten drei Viertel aller Viert-und über 90 Prozent aller Drittligisten das Ziel ausgegeben, mindestens die Klasse zu halten. Da das aber nur der Hälfte aller Dritt- und nicht einmal einem Viertel aller Oberligisten glücken kann, spielten viele Vereine »Alles oder nichts«. Es liegt in der Natur der Sache, dass viele am Ende eines anstrengenden Rennens deshalb vor dem Nichts standen. Gute Zeiten für Insolvenzverwalter…

Die »Schweineliga«

Bislang galt unter vielen deutschen Fußballmanagern die Drittklassigkeit als schlimmste aller denkbaren Daseinsformen. Die »Schweineliga« (Jürgen Gelsdorf zu seiner Zeit als Essener Trainer) dürfte schon im Sommer 2008 einige Traditionsvereine in den Ruin treiben. Die bisherige Regionalliga, in der die Kosten fast so hoch wie in der 2. Bundesliga sind, die Fernseheinnahmen aber nur 375.000 statt zwischen 3,7 und 7,5 Millionen Euro ausmachen, ist so deutlich unterfinanziert, dass ambitionierte Vereine spätestens im zweiten Jahr der Drittklassigkeit ihre Existenz gefährden.

Da sie nichts zu verlieren haben, setzten viele schon in der Vergangenheit alles auf eine Karte. Seit klar ist, dass die Zahl der Drittligisten mit einem Streich halbiert wird, riskieren viele Vereine sehenden Auges ihre Existenz. Dabei werden die Qualifikanten der dritten Profiliga auch nächste Saison nur 625.000 Euro per anno bekommen. »Viel zu wenig«, wie Union-Berlin-Manager Christian Beeck findet. »Das ursprüngliche Vorhaben der Reform, die 3. Bundesliga näher an die 2. heranzuführen, ist ad absurdum geführt worden.«

Während Dynamo Dresden das Wasser bis zum Hals steht, ist das Vabanquespiel dem VfB Lübeck bereits zum Verhängnis geworden. Im Laufe der Saison 2007/08 trennte man sich gleich von elf Spielern, um die Insolvenz noch abzuwenden. Vier Millionen Euro Verbindlichkeiten wird der VfB bis zum Saisonende wohl dennoch angehäuft haben. Im Sommer hatte man noch die dritte Liga als absolutes Minimalziel ausgegeben. Heute wäre der einstige Zweitligist froh, wenn er immerhin noch in der Oberliga weitermachen könnte. Dort sieht es allerdings bereits dramatisch aus. Die künftige Nordstaffel wird vom südlichen Sachsen über Berlin und Hamburg bis an die westfälische Grenze reichen.

Was unterhalb der Regionalligen passiert, wird kaum noch einen Sponsor interessieren. Nicht verwunderlich also, dass auch die derzeitigen Viertligisten alles daran setzen, wenigstens die Klasse zu halten. Traditionsvereine wie der Hallesche FC oder Waldhof Mannheim haben vor der entscheidenden Saison alles auf eine Karte gesetzt. Setzen müssen, wie sie sagen würden. Hinter gar nicht einmal so dicht vorgehaltener Hand geben sie zu, dass ihnen im Falle des Scheiterns »die Strukturen zusammenbrechen«. Darmstadt 98, einst einer der größten Befürworter der Ligareform, hat im Frühjahr 2008 einen Insolvenzantrag gestellt.

Andere Vereine wiederum legen keinen erhöhten Wert darauf, sich für die neue dreigleisige Regionalliga zu qualifizieren. Zu hoch der Aufwand, zu hoch die Kosten. In der bisherigen Oberliga Nord haben bereits Altona 93 und Bergedorf signalisiert, dass sie lieber in die Fünftklassigkeit gehen, als sich in der neuen Spielklasse, für die sich der AFC nach gegenwärtigem Stand qualifiziert hätte, zu übernehmen. Angesichts der Bestimmungen, die die DFB-Untergliederungen beschlossen haben, kann man den Vereinen nur zu ihrem Entschluss gratulieren.



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