Читать книгу "Ist doch ein geiler Verein" - Christoph Ruf - Страница 4
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»So ein geiler Verein – warum merkt das nur keiner?«
Wer einmal im Fanmuseum der Spielvereinigung Bayreuth war, vergisst schon bald, dass die Vereinsfarben Schwarz und Gelb gemeinhin mit einem Bundes-ligisten aus dem Ruhrgebiet verbunden werden. Und das nicht nur wegen einer Spielerattrappe, für die ein Fan eine Brusthaarspende leistete
»In Ruhe den Schiedsrichter beschimpfen«
Thomas Traumer (47) ist in seiner Freizeit Museumsdirektor bei Altona 93. Nebenbei hat er die Zuschauerzahl des Oberligisten verdoppelt. Das freut auch den Fan, der beim AFC seine eigene Anzeigetafel hat
»Der rettet mal wieder den Verein«
Ivo Burmeister hat kein Handy. Aber mit dem KFC Uerdingen einen Lieblingsverein, der gerade den dritten Insolvenzantrag in fünf Jahren gestellt hat. Also muss seine Lebensgefährtin jedem Anrufer ausrichten, dass Burmeister mal wieder in der Grotenburg weilt, um eine Rettungsaktion zu planen. Der KFC wiederum hat sich in den letzten Wochen häufig eine ziemlich fatale Frage gestellt. Die, ob das Schicksal des Vereins »überhaupt noch jemanden da draußen interessiert«. Seit dem 22. Januar 2008 kennt er die Antwort
»Hurra, das ganze Haus ist da!«
TeBe Berlin hat nur wenige Fans. Weil sich das herumgesprochen hat, bleiben auch die Neugierigen und die Jugendlichen weg. Was sie verpassen, ist eine Fankultur, die sich in prallvollen Stadien nicht umsetzen ließe
Attraktiv wie eine Villa an der Côte d’Azur
Aus zwei Regionalligen wird eine, aus neun Oberligen deren drei. Ob das die unteren Ligen wie geplant aufwertet, ist mehr als fraglich. Dass dadurch zig Traditionsvereine in der Versenkung verschwinden oder gar Insolvenz anmelden werden, steht hingegen fest. Die eingleisige Profiliga scheint so attraktiv zu sein, dass sie sich kaum einer leisten kann
Manfred Vobiller versteht die Welt nicht mehr
Der SC Pfullendorf gehörte jahrelang zum Inventar der Regionalliga Süd. Der Verein hat sich nie verschuldet, stattdessen wurden fehlende infrastrukturelle Möglichkeiten durch kaufmännische Solidität und viel ehrenamtliches Engagement ausgeglichen. Nach der Reform wird der SCP eine Klasse tiefer spielen. Er fühlt sich als Opfer des Verbandes und der Lobby der Vereine mit viel Geld und wenig Knowhow
»Keulenschlag über ganz Deutschland«
Dieter Bühler ist der Vorsitzende des Oberligisten Bahlinger SC, der ein Opfer der Ligareform werden wird. Im Interview berichtet er, wie es zu den Neuerungen kam, wem sie nützen und warum die Maßstäbe des DFB den Fußball pervertieren
Schweinsteiger, Lahm, Rensing …
Hermann Gerland ist sauer. Da verschwören sich ein paar Funktionäre gegen die Nachwuchsabteilungen der Profivereine. Dabei sind sie es doch, die die Stars von morgen ausbilden, sagt er
So lange Jean Löring noch lebte, gehörte Fortuna Köln zum Inventar der Zweiten Bundesliga. Doch mit dessen Abstieg ging auch der des Klubs einher. Es ist heute schwerer denn je, in Köln Fortunafans zu finden. Doch die wissen umso genauer, was sie an ihrem Klub haben
Tolles Stadion, krawallfreie Fans, heimeliges Umfeld – fast nirgendwo ist Fußballschauen so gemütlich wie bei den Stuttgarter Kickers. Doch die Erwartungshaltung beim »Blauen Adel« ist nach wie vor enorm – vielleicht ist das der Hauptgrund, warum in den letzten Jahren die Erfolge ausblieben
»Im Westen gibt es nur Helden und Loser«
Es wird noch eine Weile dauern, bis Ost und West zusammengewachsen sind – das gilt auch für den Fußball, wo viele ehemalige Ost-Renommierklubs heute in der Viertklassigkeit herumdümpeln. Hans Meyer, prominentester ostdeutscher Trainer, hält die Entwicklung im Fußball für symbolhaft. Zur Wiedervereinigung und dem Goldenen Westen äußert er sich kritisch. Ein Interview
Das Beispiel Jena zeigt: Man kann auch durch seriöse, kontinuierliche Arbeit in den Profifußball gelangen. Schwieriger scheint es zu sein, dort nicht vom Kurs abzukommen
»Jede Landesregierung hat die Fanszene, die sie verdient«
In vielen Stadien gehören rechtsradikale Parolen zur Choreographie eines Spiels. Dass das in Jena nicht so ist, liegt auch an der Arbeit des Fanprojekts, dessen Leiter der gelernte Jurist Matthias Stein ist
Chemie Halle zog früher die Massen in seinen Bann. Dann fiel die Mauer und der Traditionsverein stand plötzlich ohne Sponsoren da. Doch Margot Langner ließ sich nicht mit abwickeln und wurde selbst für ihren Verein aktiv. Dass der Geburtstag des Filius anno 2008 auf ein Heimspielwochenende der ersten Mannschaft fällt, raubt ihr bereits seit Wochen den Schlaf, denn dadurch verpasst sie ein Heimspiel. Margot Langner würde alles für den HFC tun. Sie ist 85 Jahre alt
Ein Brausekonzern wollte den Oberligisten Sachsen Leipzig mit 50 Millionen Euro in die deutschen Top Five hieven – ein Unterfangen, das nicht zuletzt am Widerstand der Fans scheiterte. Die sind mittlerweile so von ihrer Vereinsführung genervt, dass sie die drohende Insolvenz fast schon gleichmütig hinnehmen. Für Aufregung sorgt nur noch die hasserfüllteste Rivalität im deutschen Fußball
Und immer wieder: Jetzt erst recht
Lok Leipzig hat fraglos eine der problematischsten Fanszenen der Republik. Doch zu dem Verein, dem die Fans auch in der untersten Spielklasse die Treue hielten, bekennen sich ebenfalls sympathische Zeitgenossen wie Lok-Aktivist Matthias Löffler
»Wir holen die Leute ab und nehmen sie auf unserem Weg mit«
Die NPD hat die unteren Ligen als Ziel ihrer Agitation entdeckt. Holger Apfel, der Vorsitzende der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, betont da schon mal gerne, was für ein authentischer Fußballfan er doch sei. Klar ist: Der Weg zur Mitte der Gesellschaft führt über die Fußballplätze der Republik
»Woanders ist es doch viel schlimmer«
Ein Mitarbeiter der Schröder-Regierung sagte einmal, es gäbe in Ostdeutschland »Gegenden, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen«. Dafür bekam er mächtig Ärger. Jakob kann das nicht verstehen, der habe schließlich Recht. Jakob ist ein 20-jähriger Jugendlicher mit etwas dunklerem Teint, er wohnt in einer Kleinstadt in Ostsachsen. Was er erzählt, ist beunruhigend. Dabei lebt Jakob gerne in seiner Heimatstadt
»Tendieren in die rechte Richtung«
Im Chemnitzer Stadion ging es nach dem Mauerfall fußballerisch bergab – von der zweiten Liga stürzte man in die Viertklassigkeit ab. Parallel gründete sich neben dem Platz mit HOONARA (Hooligans-Nazis-Rassisten) eine der gefährlichsten Hooligan-Bewegungen Deutschlands. Zudem gründeten sich vor wenigen Jahren die NS-BOYS. Ein Treffen mit beiden Gruppierungen und seine Folgen
Immer wieder kommt Dynamo Dresden wegen Fanausschreitungen in die Schlag-zeilen. Sein schlechtes Image hat der Verein nicht von ungefähr. Und dennoch: Dynamo Dresden ist einer der faszinierendsten Klubs der Republik
»Viele hier können nur drei Sätze«
Der SV Waldhof 07 ist tief im proletarischen Milieu verwurzelt. Von den Schnöseln im Mannheimer Süden werden die »Barackler« deshalb seit jeher als Schläger und Proleten verspottet. Und darauf sind sie beim Waldhof erst recht stolz
Sportlich läuft es bestens in Aalen, auch das Stadion ist fast schon zweitligatauglich. Nur die Fans fühlen sich nicht ernst genommen, dem überschaubaren Grüppchen fehlt die Lobby
Ralf Rangnick zitiert gerne ein chinesisches Sprichwort: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht. Dann ergänzt er: Aber man kann es gießen und düngen. Mit dieser Devise passt Rangnick optimal zur TSG Hoffenheim. Denn deren Boss Dietmar Hopp gießt und düngt in einer Größenordnung, die alles in Deutschland je Dagewesene in den Schatten stellt. Die TSG Hoffenheim ist auf dem besten Weg, vom beschaulichen Dorfklub zum meistgehassten Verein der Republik zu werden. Zu Unrecht
Die Fans von Göttingen 05 zählen traditionell zu den kreativsten der Republik. Das gilt auch weiterhin. Dass es Göttingen 05 eigentlich gar nicht mehr gibt, hat die Fanszene nicht aus dem Konzept gebracht
Der FFC war bis in 1990er Jahre Freiburgs populärster Klub. Doch spätestens nach dem Abstieg aus der zweiten Liga fiel der Verein nur noch durch Dilettantismus und zügellose Arroganz auf. Nach Jahren der Agonie will man nun einen Neustart wagen. Ein Anfang scheint gemacht: Selbst hauptberufliche SC-Fans schauen neuerdings wieder beim Deutschen Meister von 1907 vorbei
Mit viel Engagement und einem Kompagnon hat Peter Wingen eine Internetseite geschaffen, die bevorzugtes Informationsmedium für all diejenigen ist, die finden, dass Fußball mehr ist als das, was Premiere zeigt. In der Oberliga Nordrhein freuen sich 17 von 18 Vereinen, wenn Peter Wingen über ihr Spiel berichtet. Nur bei seinem früheren Lieblingsverein, dem großbürgerlichen ETB Schwarz-Weiß Essen, hat er Stadionverbot
»Deutscher Meister wird nur der HFC«
Der Hanauer FC, Hessens ältester Fußballverein, lag am Boden, als Thomas Tamberg und sein Team den Klub übernahmen. Mit seinem Enthusiasmus und Engagement brachte er den Verein wieder nach vorne. Neue Spieler, neue Sponsoren, das nachgeholte Endspiel um die Deutsche Meisterschaft – es tat sich wieder was beim HFC. Doch ein Fußballverein wäre kein Verein, wenn es in ihm nicht primär um persönliche Eitelkeiten und kleinkarierte Intrigen ginge. Thomas Tamberg ist mittlerweile zurückgetreten