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Ptolemaios XII. Auletes

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Ihr Vater war wohl nicht nur durch die bereits erwähnte Abkunft von einer Ägypterin belastet, nein, er stand seit seinem Herrschaftsantritt auch unter gewaltigem außenpolitischem Druck, hatte doch das Testament seines Onkels und Vorgängers Ptolemaios X. Alexandros I., den Begehrlichkeiten der römischen Politiker Tür und Tor geöffnet. Von den Alexandrinern vertrieben, hatte dieser 88 im Zuge der Vorbereitungen zu seiner Rückkehr als Gegengabe für römische Hilfe die stärkste Macht des Mittelmeerraumes als Erbin einsetzen müssen.16 Ihm selbst nutzte es wenig, da er noch im selben Jahr vor Cypern Schlacht und Leben verlor, seinen Nachfolgern aber bereitete die Nachlassregelung gewaltige Probleme. Schwierig wurde es vor allem für seinen Neffen, Kleopatras Vater, den die Alexandriner nach dem Ableben des neunten und der Ermordung des nur wenige Monate amtierenden elften Ptolemäers aus Syrien herbeigeholt und noch vor dem 12. September 80 auf den Thron gesetzt hatten.17 Ihm blieb über lange Jahre die Anerkennung durch Rom versagt, was einem völkerrechtlichen Schwebezustand gleichkam. Fast schien es, als sei das Ende des Reiches bereits gekommen.

Den ersten, seine Herrschaft unterminierenden Vorstoß im römischen Senat unternahm kurioserweise Ptolemaios’ Tante, die seleukidische Königin Kleopatra V. Selene, die den ägyptischen Thron für ihre Söhne zu gewinnen suchte. Angesichts der zahlreichen Kriege zwischen Seleukiden und Ptolemäern in den vergangenen Jahrhunderten mutet diese diplomatische Offensive in Rom zwar etwas grotesk an, spiegelt aber zugleich die realen Machtverhältnisse wider: Das Ptolemäerreich war regelrecht Freiwild geworden. Während ihre Attacke schon deshalb zum Scheitern verurteilt war, weil eine Kontrolle Ägyptens durch die benachbarten Seleukiden keineswegs im Interesse der Senatsaristokratie lag, erwiesen sich die nächsten Schläge als weitaus gefährlicher. So machte Rom im Jahr 74 die Ägypten benachbarte Kyrenaika zur römischen Provinz. Damit fiel ein Gebiet, das seit den Tagen des Dynastiegründers als Domäne der Ptolemäer galt, endgültig aus deren Einflussbereich heraus. Pikanterweise leitete der Senat seinen Rechtsanspruch wieder einmal vom Testament eines Herrschers – diesmal des dortigen Königs Ptolemaios Apion († 96 v. Chr.) – ab.18 Die psychischen Auswirkungen auf die Stimmung sowohl in den führenden Kreisen des Reiches am Nil als auch in der Bevölkerung von Alexandria dürfen nicht unterschätzt werden; die an sich schon schwache Stellung Ptolemaios’ XII. wurde durch diese Ereignisse sicherlich weiter destabilisiert.

Alsbald geriet Ägypten selbst ins Fadenkreuz römischer Politik: Kein Geringerer als Caesar – damals noch kurulischer Ädil – suchte 65 mittels eines Volksbeschlusses ein außerordentliches Imperium übertragen zu bekommen, um Ägypten zu besetzen und als römische Provinz einzurichten. Schon damals stachen ihm der Reichtum Ägyptens und die günstige Lage offenbar derart ins Auge, dass er, unterstützt von Crassus, das Reich am Nil zur Ausgangsbasis seines Machtkampfs mit den Optimaten machen wollte. Diese durchschauten jedoch seine Absichten und durchkreuzten den Plan.19 Spätestens jetzt muss Ptolemaios XII. klar gewesen sein, dass das Schicksal seines Reiches und das seiner Person auf des Messers Schneide stand. Mit hohen Summen an Bestechungsgeldern hoffte er, die Situation zu entschärfen, zunächst allerdings ohne Erfolg. Bereits gegen Ende des folgenden Jahres brachte der Volkstribun P. Servilius Rullus ein Ackergesetz ein, das Caesar als Mitglied einer Zehnerkommission doch noch die Durchsetzung seines von den Optimaten gestoppten Vorhabens ernöglicht hätte. Es erscheint fast müßig zu sagen, dass wiederum Caesar und Crassus hinter dieser Initiative standen.20 Durch das energische Eingreifen Ciceros, der im Jahr 63 das Konsulat bekleidete, konnte allerdings diese deutlich geschicktere Attacke abgewehrt werden. Caesar wandte sich – vorerst – anderen Zielen zu.

Dies ließ wiederum Raum für seine Gegenspieler, die ihrerseits von den ptolemäischen Ressourcen zehren konnten. An erster Stelle stand sicherlich Pompeius, der seit 66 im Osten operierte, 64 das Seleukidenreich auflöste und dessen Territorium als Provinz Syria dem Imperium einverleibte. Nicht zuletzt aufgrund der geographischen Nähe signalisierte dies dem Ptolemaios das ganze Ausmaß der akuten Bedrohung durch die Begehrlichkeit Roms, und dies umso mehr, als seine Stellung von den Senatoren alles andere als hochachtungsvoll angesehen wurde. Niemand anderer als Cicero hebt fast beiläufig das schlechte Ansehen des Monarchen in den führenden Kreisen Roms hervor, indem er in seiner 63 gehaltenen zweiten Rede über das Siedlungsgesetz als nahezu einhellige Meinung des Senats konstatiert, der jetzige König – gemeint ist eben Auletes – sei weder von Herkunft König, noch habe er die Eigenschaften eines Königs.21

Auletes aber sah diesen Makel doch wohl anders, jedenfalls zeigte er sich nicht gewillt, so einfach das Feld zu räumen. Stattdessen ging er sogar in die Offensive, und da es ihm an Truppen mangelte, griff er in noch stärkerem Maße auf finanzielle Transaktionen als Mittel des politischen Kampfes zurück. Indem er nun dem Pompeius äußerst großzügige Zuwendungen für den Unterhalt seines Heeres zukommen ließ, wurde er für diesen zu einem wichtigen Partner, der umso wertvoller war, als der Senat auf ihn keinen direkten Zugriff besaß.22 So muss Pompeius zu der Erkenntnis gelangt sein, dass ein autonomes Ägypten mit Auletes an der Spitze für ihn erheblich nützlicher sei als eine vom Senat kontrollierte Provinz. Ptolemaios verstärkte diesen Eindruck bewusst, indem er dem Feldherrn als persönliches Geschenk einen goldenen Kranz im Wert von 4000 Talenten nach Damaskus sandte. Um das ganze Ausmaß des Aufwands zu begreifen, muss man sich vor Augen halten, dass allein diese Gabe im Wert etwa zwei Dritteln des jährlichen Staatshaushalts entsprach.23 Hinzu kommt die Auszeichnung mit einem solch wertvollen, im wahrsten Sinn des Wortes königlichen Präsent, dessen kultische Dimension einen Römer der späten Republik sehr wohl zum Nachdenken über die Vorteile hellenistischer Bräuche und Vorstellungen bringen konnte. Mit diesen kostenintensiven, konzertierten Aktionen gelang es Ptolemaios immerhin, die unmittelbare Gefahr zu bannen.

Von Anfang an war jedoch die Position des Königs auch im Innern nicht unumstritten. Dies zeigt schon die Tatsache, dass er erst vier Jahre nach der Machtübernahme gemäß ägyptischem Ritus inthronisiert wurde, ein Ritual, das in der alten Königsstadt Memphis praktiziert werden musste.24 Jetzt aber verschlangen die aufwendigen Maßnahmen zur Rettung des Throns vor römischen Begehrlichkeiten Unsummen an Geld, die wiederum auf die Bevölkerung des Reiches umgelegt werden mussten. Da diese nicht zuletzt wegen der ausgefeilten Verwaltung sowieso schon unter der Abgabenlast litt, verlor Kleopatras Vater im Lauf der Jahre mehr und mehr die Unterstützung seiner Untertanen, ja selbst die der Alexandriner. Gezwungenermaßen reduzierte er die Steuern etwas und griff gleichzeitig zum Mittel der Geldentwertung, indem er den Edelmetallgehalt der Münzen reduzierte und schließlich die Silbermünzen nur noch mit einem Silbersud überziehen ließ.25 Damit brachte er die Lage im eigenen Land wieder einigermaßen unter Kontrolle. Wie zu erwarten war, reichten aber selbst diese Maßnahmen nicht aus, den immensen Geldbedarf zu decken, der die Akzeptanz seiner Herrschaft in Rom garantieren sollte. Da entschloss sich Ptolemaios XII. zu einem fast schon selbstmörderischen Akt der Verzweiflung: Er lieh sich die benötigten Summen ausgerechnet bei römischen Bankiers. Wie schwer der innen- wie außenpolitische Druck auf ihm gelastet haben muss, kann man ermessen, wenn man sich die „normale“ Höhe der Zinssätze bei ähnlichen Verleihgeschäften vor Augen führt. So verliehen etwa zeitgleich römische Ritter als Geschäftsführer (procuratores) Geld an die Stadt Salamis auf Cypern zu einem Zinssatz von 48 % (!). Hinter dem Geschäft steckte kein Geringerer als Brutus, dem es als Senator ja eigentlich verboten war, Bank- und Handelsgeschäfte zu betreiben. Bezeichnenderweise kam seine Beteiligung an dem Geschäft erst heraus, als Cicero, der zu jener Zeit als Statthalter von Kilikien auch für Cypern zuständig war, den Höchstsatz für die Verzinsung von Krediten auf 12% begrenzte, was dann zur Intervention des Brutus führte.26 Einen solchen Fürsprecher aber konnte Ptolemaios XII. in Rom nicht aufweisen!

Als Auletes’ Hauptgläubiger trat nun C. Rabirius Postumus auf, Adoptivsohn und Erbe des gleichnamigen römischen Ritters. Letzterer lässt sich 89 im Stab von Pompeius’ Vater belegen, die Verbindung zu Pompeius Magnus reichte also schon eine Generation zurück. Rabirius Postumus scheint ein typischer Vertreter der publicani gewesen zu sein, jener im Deutschen oft verkürzend als Steuerpächter bezeichneten Angehörigen des Ritterstandes, die ihre Energie im Wesentlichen auf die Ausbeutung der römischen Provinzen richteten. Vielfach schlossen sie sich zu Gesellschaften (societates publicanorum) zusammen, um Aufgaben der öffentlichen Hand zu übernehmen oder Großprojekte wie etwa die Pacht von Bergwerken sowie die Eintreibung von Abgaben aller Art abzuwickeln.27 Der Geldverleih an auswärtige Herrscher war durchaus nicht unüblich in der römischen Oberschicht wie etwa die durch Cicero überlieferte Klage des kappadokischen Königs Ariobarzanes III. zeigt, der aus Furcht vor den rüden Methoden der Schuldeneintreibung unter Einsatz von römischem Militär bei ihm Zuflucht vor Geschäftsführern des Brutus suchte.28 Der Umstand, dass C. Rabirius Postumus nicht im Verbund mit anderen Standesgenossen, sondern allein als Hauptschuldner eines hellenistischen Königs auftreten konnte, wirft ein deutliches Licht auf seine herausgehobene Position im römischen Geldadel. Dabei ist es gar nicht erforderlich, dass er die gesamte Summe selbst bereitstellen musste, vielmehr steht zu vermuten, dass insbesondere Pompeius über Postumus hohe Summen investierte. Dies legt jedenfalls die Tatsache nahe, dass Pompeius über Geschäftsführer aus dem Ritterstand praktisch zur gleichen Zeit derartige Geschäfte mit dem besagten König von Kappadokien abwickelte und sich später für die Rückführung des vertriebenen Auletes einsetzte.29

Letzterer handelte nach der Devise: Wenn schon Schulden, dann doch bei den Leuten, die einen am stärksten bedrohen, und am besten gleich in solcher Höhe, dass sich die Gläubiger um das Wohl des Schuldners sorgen und ihn beschützen, weil sie ansonsten einen Totalverlust ihrer Investitionen befürchten müssen. Für diese raffinierte Vorgehensweise benötigte er nicht einmal besondere Phantasie, denn als gebildeter Makedone muss er mit der einschlägigen Geschichtsschreibung zur Diadochenzeit vertraut gewesen sein. Dort wird von ganz ähnlichen Maßnahmen des Eumenes von Kardia berichtet, der als Reichsfeldherr in den Kämpfen um die Alexandernachfolge bei seinen aufrührerischsten Unterführern solche Summen als Anleihen aufgenommen hatte, dass er sich ihrer Loyalität – wenn auch nicht aus Überzeugung, so doch aufgrund finanzieller Erwägungen – sicher sein konnte. Wollten sie ihr Geld jemals wiedersehen, mussten sie seinen Sturz um jeden Preis verhindern.30

Bald darauf erreichte Ptolemaios durch den Abschluss eines Bündnisses mit der Großmacht Rom ein lang ersehntes Ziel, zu dessen Verwirklichung kein Geringerer als Caesar entscheidend beigetragen hatte. Inzwischen hatten sich nämlich die politischen Gewichte in der römischen Metropole verschoben. Schon im Jahr vor der Anerkennung des Auletes war es zum sogenannten ersten Triumvirat gekommen, einer informellen Vereinbarung zwischen Pompeius, Crassus und Caesar. Caesars Interesse an Ägypten hatte inzwischen nachgelassen und richtete sich bereits auf Gallien; außerdem wollte er wohl seinem Verbündeten Pompeius nicht in die Quere kommen, und dieser pflegte ja besonders enge Beziehungen zu dem Ptolemäer. Entscheidend aber dürfte gewesen sein, dass – wie angedeutet – eine horrende Summe von fast 6000 Talenten (35 Mio. Denare) in Aussicht gestellt wurde, die sich Caesar mit Pompeius teilen wollte. So verschaffte er in seinem Konsulatsjahr 59 nicht nur Pompeius die Anerkennung von dessen Neuordnung im Osten, er sorgte auch für die Aufnahme des Auletes unter die Freunde und Bundesgenossen des römischen Volkes (amici et socii populi Romani) und den Abschluss eines Bündnisvertrages mit dem römischen Staat. Allerdings überstieg die Investition schon wieder bei weitem die aktuelle Leistungsgrenze des Königs – noch elf Jahre später schuldete er allein Caesar etwa die Hälfte der Gesamtsumme; ob er an Pompeius etwas gezahlt hat, ist zweifelhaft. Sieht man einmal von seiner mangelhaften Zahlungsmoral ab, dann hatte er mit Caesar und Pompeius als Garanten für die römische Seite seine Herrschaft zumindest nach außen hin so gut abgesichert, wie man es sich unter den gegebenen Umständen nur wünschen konnte. Dies galt allerdings nur für ihn persönlich. Seinen Nachfolgern blieb der Schuldenberg als Hypothek, der Preis für das Auskommen mit Rom war für das Ptolemäerreich an sich fast zu hoch.31

Wie in der Moderne der „kranke Mann am Bosporus“ so steht in der späten Republik Ägypten als Synonym für die „Orientalische Frage“. Aus Ptolemaios’ Bemühen, den Forderungen und Begehrlichkeiten der römischen Notabeln nachzukommen, resultierten eine weiter erhöhte Steuerlast und infolgedessen innere Unruhen.

Verstärkt wurden seine Probleme noch durch einen Verlust an der Peripherie des Reiches, bei dem wiederum führende Mitglieder des römischen Senats ihre Hand im Spiel hatten. Kein Geringerer als der jüngere Cato war Ziel einer Aktion des berüchtigten Volkstribuns Clodius, die darauf abzielte, Ersteren aus Rom zu entfernen. Um dies zu erreichen, warf Clodius Ptolemaios, dem König von Cypern und Bruder des Auletes, vor, er habe die Seeräuber unterstützt, die im östlichen Mittelmeer bis zum Seeräuberkrieg des Pompeius eine echte Plage dargestellt hatten. Unter diesem Vorwand brachte er in der Volksversammlung (concilium plebis) einen Gesetzesantrag ein mit dem Ziel, die Insel Cypern für Rom einzuziehen und diese Aufgabe Cato zu übertragen. Cato konnte sich dem außerordentlichen imperium zwar nicht entziehen, teilte aber noch vor seiner Abreise dem König mit, er solle keinen Widerstand leisten und werde mit einem hohen Priesteramt wenigstens halbwegs entschädigt. Dies hat auf den Betroffenen jedoch keinen nachhaltigen Eindruck gemacht: Ptolemaios nahm Gift, allerdings nicht ohne zuvor noch einen Teil seines Staatsschatzes ins Meer werfen zu lassen.32

Die leicht zu entfachende Gier der Römer in dieser Krisenzeit der Republik – Schätze im Wert von immerhin 7000 Talenten konnten gerettet werden! – hatte ein weiteres Opfer gefordert. Da halfen auch die bedauernden Worte eines Cicero nicht, der ebenso wie Cato das ganze Vorgehen zutiefst verurteilte und über den Verblichenen ein ausgesprochen positives Urteil fällte: „König Ptolemaios (von Cypern) hatte zwar noch nicht selbst vom Senat den Titel eines Bundesgenossen erhalten, er war jedoch ein Bruder des Königs, dem der Senat unter denselben Voraussetzungen diese Ehre bereits zuerkannt hatte. Er entstammte demselben Haus und hatte dieselben Vorfahren, er unterhielt seit ebenso langer Zeit freundschaftliche Beziehungen zu uns. Schließlich war er König, und wenn noch nicht Bundesgenosse, so jedenfalls kein Feind. Ruhig und unangefochten erfreute er sich im Vertrauen auf die Vorherrschaft des römischen Volkes seines väterlichen Reiches und der friedlichen Königsherrschaft, die ihm die Vorfahren hinterlassen hatten. Über diesen Mann, der nichts ahnte und an nichts Arges dachte, wurde mit den Stimmen der üblichen Handlanger durch Gesetz verhängt, dass er – so, wie er auf seinem Thron saß, im Purpur und mit Szepter und mit den übrigen Abzeichen seines Königtums – von Amts wegen unter den Hammer kommen und dass auf Befehl eben des römischen Volkes, das sogar den im Kriege besiegten Königen ihr Reich zurückzugeben pflegte, das Reich eines befreundeten Königs mitsamt allem Vermögen eingezogen werden solle – eines Königs, dem man nichts vorzuwerfen hatte und gegen den keine Forderung bestand.“33

Ptolemaios XII. Auletes hatte sich beim Zugriff der Römer auf Cypern ruhig gehalten und darauf verzichtet, in Rom zugunsten seines Bruders zu intervenieren. Vermutlich war er sich seiner Ohnmacht bewusst und handelte nach dem Sankt-Florians-Prinzip in der Hoffnung, dass die Römer mit dem Reich seines Bruders fürs Erste einmal saturiert wären und die Bedrohung für Ägypten selbst etwas nachließe. Dabei unterschätzte er das psychologische Moment im Innern, war doch Cypern seit Jahrhunderten fester Bestandteil des ptolemäischen Einflussgebietes. Bei den Ägyptern und speziell in Alexandria übertraf die Empörung offenbar alles, womit der König gerechnet hatte. Die pikanten Umstände des Machtwechsels mögen ein Übriges zur Eskalation beigetragen haben. In Verbindung mit hohem Steuerdruck und ökonomischer Krise entstand eine höchst explosive Situation, wie uns der aus Kleinasien stammende Senator und Historiker Cassius Dio berichtet: „König Ptolemaios sorgte erneut für Unruhe: Er hatte große Summen, teils aus eigener Tasche, teils aus Anleihen, an einige Römer gezahlt …; und nun trieb er diese Beträge gewaltsam von den Ägyptern ein. Sie waren daher über ihn erzürnt und grollten ihm auch, weil er ihrem Wunsch, Cypern von den Römern zurückzufordern oder die Freundschaft mit ihnen aufzukündigen, nicht entsprechen wollte. Und da er sie weder überreden noch – in Ermanglung ausländischer Truppen – zwingen konnte, Ruhe zu halten, floh er aus Ägypten und beschuldigte nach der Ankunft in Rom seine Landsleute, ihn aus seinem Königreich vertrieben zu haben.“34

Wie immer man die Standhaftigkeit des Königs beurteilt, die Situation in Ägypten muss für ihn persönlich so bedrohlich gewesen sein, dass er die Flucht nach Rom und die Abhängigkeit von der Gunst des Pompeius einem Verbleiben in Alexandria vorzog.

Unterwegs machte er noch Station auf dem frisch von Rom annektierten Cypern, wo er sich mit Cato traf, der ja gegen seinen Willen die Eingliederung der Insel durchführen musste. Einer Anekdote bei Plutarch über das hochmütige Verhalten Catos wird man wenig Glauben schenken dürfen; wahrscheinlich ging es um Sondierungsgespräche hinsichtlich der innenpolitischen Lage in Rom und der günstigsten Vorgehensweise, um eine Mehrheit des Senats für die Rückführung des Flüchtigen zu gewinnen. Wohl mit einem kurzen Aufenthalt in Athen ging die Reise weiter in Richtung Italien.35

Mit Ptolemaios’ Eintreffen in Rom stellte sich im Jahr 57 die ägyptische Frage schneller als erwartet neu. Pompeius’ Stellung war jedoch geschwächt, weil nicht nur die Optimaten, sondern auch Crassus gegen ihn arbeiteten. Er nahm Ptolemaios XII. allerdings auf und brachte ihn auf seinem Landgut in den Albaner Bergen unter, von wo aus sein Gast eine rege, aber recht unliebsame Aktivität entfaltete.36

Bald darauf erschien nämlich eine ägyptische Gesandtschaft in Rom, um die Anerkennung ihres Vorgehens zu betreiben und die Vorwürfe ihres vertriebenen Monarchen zu widerlegen. In Ägypten hatten die Alexandriner inzwischen seine Ex-Frau Kleopatra Tryphaina auf den Thron gesetzt. Sie starb zwar noch im Jahr 57, hatte jedoch schon Berenike IV., die gemeinsame Tochter mit Ptolemaios, zur Mitregentin erhoben. Nicht weniger als hundert Gesandte hatten die Alexandriner zur Wahrnehmung ihrer Interessen aufgeboten. Daraufhin reagierte Auletes, der zuvor schon eine Reihe führender Römer bestochen hatte, mit aller Härte und allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln: Mit Hilfe seiner römischen Verbündeten, darunter etliche Senatoren, ließ er einen Großteil der Gesandten schon auf dem Weg von Puteoli nach Rom beseitigen. Diejenigen, die ihr Ziel erreichten, wurden entweder bestochen oder später noch umgebracht, wie der Leiter der Gesandtschaft, der Philosoph Dion. Obwohl die Ermordung so vieler auswärtiger Gesandter in Rom nicht verborgen bleiben konnte und schließlich im Senat sogar Proteste auslöste, wurde das Verbrechen nicht geahndet – ein Zeichen für das Ausmaß, in dem sich der Nutznießer der Untat die Mitglieder der Oberschicht verpflichtet hatte.37

Angesichts der Aufregung wegen dieser Vorfälle und wohl auch, weil er der Wirksamkeit der Titel und Abkommen misstraute, die er noch im Vollbesitz der Macht in seiner Heimat von Rom erhalten beziehungsweise mit Rom abgeschlossen hatte, trieb er sein Anliegen unter konsequentem Einsatz von Bestechung weiter voran. Kaum jemand wunderte sich schließlich, dass der Senat dem P. Cornelius Lentulus Spinther, der im Jahr 56 Statthalter von Kilikien werden sollte und dem Pompeius nahe stand, die Wiedereinsetzung des Ptolemaios übertrug. Letzterer reiste daraufhin ab und begab sich schon einmal nach Ephesos, um die kommenden Schritte gleichermaßen abzuwarten wie vorzubereiten.38

Es zeigte sich jedoch bereits sehr bald, dass dieser Entschluss wohl doch etwas voreilig gewesen war, denn jetzt verlegten seine römischen Gegner den Schlagabtausch auf eine Ebene, auf der man ihnen nur schwer beikommen konnte, nämlich auf das Gebiet der Religion. Unglücklicherweise aus Sicht des Königs schlug im Dezember 57 ein Blitz in die Statue des Iuppiter auf dem Mons Albanus ein, ein Faktum, das eine rituelle Reaktion regelrecht herausforderte. Der Senat ließ folgerichtig die Sibyllinischen Bücher befragen, und dort entdeckten die zuständigen Priester eine Sequenz, die nun ausgerechnet auf die aktuellen Streitigkeiten um den ägyptischen Thron passte.

Nach Cassius Dio lautete dieser Spruch der Sibylle: „Wenn der Ägypterkönig mit der Bitte um Hilfe kommt, soll man ihm die Freundschaft nicht verweigern, unterstützt ihn aber auch nicht mit irgendeiner größeren Streitmacht! Sonst drohen euch Mühen und Gefahren.“39

Der Volkstribun C. Cato, ein vehementer Gegner des Auletes, sorgte nun dafür, dass diese Weissagung dem Volk ohne vorherige Konsultation des Senats bekannt gemacht wurde. Dadurch entglitt die Angelegenheit den Senatoren mehr und mehr und wurde nun in der römischen Öffentlichkeit ausgetragen, wo das irrationale Element die Oberhand bekam. Der Druck auf den Senat wuchs so weit, dass nach etlichen heftigen Auseinandersetzungen kein endgültiger Beschluss über die Rückführung des Königs zustande kam und schließlich das Thema ganz von der Tagesordnung gestrichen wurde.40

Ptolemaios blieb nichts anderes übrig, als in Ephesos die Entwicklung in Rom weiter abzuwarten, und es sollte lange dauern, ehe wieder Bewegung in die Angelegenheit kam. Erst im Frühjahr 55 riss Pompeius der Geduldsfaden und so bat er seinen Freund A. Gabinius, der zu jener Zeit Statthalter von Syrien war, Ptolemaios nun endlich wieder in seine Herrschaft einzusetzen. Dabei konnte er aus einer gestärkten Position heraus agieren, hatte sich doch durch die Erneuerung des Triumvirats während der Konferenz von Lucca die politische Lage im Sinne der drei Beteiligten stabilisiert und Pompeius selbst in diesem Jahr 55 das Amt des Konsuls übernommen.41

Als sich der König mit einem entsprechenden Empfehlungsschreiben bei Gabinius einfand, konnte er diesen überzeugen, Pompeius’ Bitte Folge zu leisten. Tatsächlich gab der syrische Statthalter seine bisherigen Pläne hinsichtlich einer Intervention im von Thronstreitigkeiten erschütterten Partherreich auf und wandte sich der ägyptischen Frage zu – sicher nicht zuletzt beflügelt von der Aussicht auf 10.000 Talente, die ihm Auletes zur Hälfte gleich und zur Hälfte nach dem Erfolg versprochen hatte.42

Auf dem ptolemäischen Thron saß zunächst noch Auletes’ Tochter Berenike, doch die dynastischen Verhältnisse waren alles andere als gut geordnet. Vermutlich auf Druck der Alexandriner, die gegen die Alleinherrschaft einer Frau Stellung bezogen, musste sie eine Heirat akzeptieren, die für Makedonen wie Ägypter ungleich akzeptabler war als für sie selbst, sagte man doch ihrem künftigen Gatten ungepflegte Umgangsformen nach und hatte ihm den Spitznamen Kybiosaktes, Pökelfleischhändler, gegeben. Von Strabon wird er schlichtweg als Banause charakterisiert. Nichtsdestoweniger stammte er aus der Königsfamilie der Seleukiden, die wie die Ptolemäer in der Nachfolge Alexanders des Großen zu Macht und Königswürde emporgestiegen waren. Inzwischen waren Reich und Einfluss der Seleukiden zwar nur noch ein Schatten früherer Tage, doch konnte man in Ägypten gerade deshalb auf eine Anerkennung der Verbindung durch die Römer hoffen, wodurch das Problem mit Ptolemaios und dessen Anspruch auf Wiedereinsetzung in die Herrschaft behoben gewesen wäre. Berenike aber mochte offenbar keine Männer mit primitivem Gehabe und ließ ihn, wenn wir Strabon folgen, alsbald in bewährter Familientradition erdrosseln. Damit war klar, dass nur Männer mit Manieren auf eine gewisse Lebenserwartung an Berenikes Seite hoffen konnten.43

Insofern muss Archelaos, der nächste Heiratskandidat, sehr von seiner gepflegten Erscheinung überzeugt gewesen sein, sonst hätte er wohl kaum die Probe aufs Exempel gemacht. Immerhin konnte er auf römische Akzeptanz hoffen, schließlich hatte kein Geringerer als Pompeius ihn als Priesterfürsten im pontischen Komana eingesetzt. Um die ägyptische Reichsbevölkerung zu gewinnen, gab er sich als Sohn Mithridates’ VI. Eupator aus, des letzten hellenistischen Königs, der die Römer das Fürchten gelehrt hatte. Sein Profil mag ebenso überzeugend gewirkt haben wie die Notwendigkeit, schnell eine Lösung zu erreichen, die wenigstens eine geringe Aussicht auf Anerkennung durch Rom bot. Im Frühjahr 56 übernahm er an der Seite von Berenike die Regierungsgeschäfte im Reich am Nil.44

All dies half jedoch wenig, weil sich Gabinius als der entscheidende Repräsentant Roms vor Ort hiervon nicht beeindrucken ließ. Ein Eingreifen in Ägypten bedeutete allerdings ein klares Übertreten seiner Befugnisse und so nimmt es nicht wunder, dass Gabinius anfänglich noch gezögert hatte. Vielleicht wäre er sogar vor dem Rechtsbruch zurückgeschreckt, wenn ihn nicht ein draufgängerischer junger Reiteroffizier namens Marcus Antonius gedrängt hätte, seine Bedenken beiseite zu schieben. Dieser ahnte sicherlich nicht, dass er einst zusammen mit Auletes’ legendärer Tochter Kleopatra Ägypten beherrschen würde. Jetzt sicherte Antonius als Kommandeur der Reiterei in schnellem, entschlossenem Vorstoß für Gabinius die Anmarschroute. Er brachte die Auffangstellungen am Sirbonissee an sich und konnte sogar Pelusion einnehmen. Damit hielt er bereits die Schlüssel zum Ptolemäerreich in der Hand. Dennoch stellte sich Berenikes Gatte Archelaos noch zweimal zum Kampf, vergeblich: Beide Male wurde er geschlagen, in der zweiten Schlacht fand er den Tod. So war denn die Wiedereinsetzung Ptolemaios’ XII. gesichert.45

Alsbald wurde eine entsprechende Vermutung Ciceros bestätigt, der schon im Frühjahr 55 seinem Freund Atticus schrieb, in Puteoli gehe das Gerücht um, Ptolemaios sei wieder in seinem Reich, und ihn um Mitteilung bat, sobald er Genaueres darüber wisse.46 Gabinius konnte sich nicht allzu lange im Lande aufhalten, er musste wegen diverser Unruhen zurück nach Syrien. In Alexandria ließ er zur Absicherung des alten und neuen Königs ein römisches Truppenkontingent zurück, dem unter anderem germanische und keltische Einheiten angehörten.47

Wieder fest im Sattel, ging Ptolemaios mit seinen Landsleuten hart ins Gericht. Dass er nicht gerade zartfühlend war, hatte er schon in Rom bei der Ausschaltung der Gesandtschaft gezeigt. Jetzt musste ihn Antonius bereits beim Einzug in Pelusion vor entsprechenden Racheakten zurückhalten. Kaum aber hatte er mit römischer Unterstützung wieder die Kontrolle über seine Hauptstadt gewonnen, hielt er ein Strafgericht über seine Feinde. Selbst die eigene Tochter verschonte er nicht, sie wurde umgehend hingerichtet. Angesichts seiner insgesamt prekären Finanzlage und der Verpflichtungen, die er gerade wieder gegenüber Gabinius eingegangen war, wird man Cassius Dios Behauptung Glauben schenken dürfen, Ptolemaios habe nicht zuletzt die Gelegenheit genutzt, die reichsten Männer exekutieren zu lassen, um an deren Vermögen zu kommen.48

In seinen letzten Jahren stellte die völlige Überschuldung Auletes’ Hauptproblem dar. So musste er zulassen, dass seine römischen Gläubiger nicht nur auf die Rückzahlung horrender Summen drängten, sondern sogar deren wichtigsten Vertreter Rabirius Postumus als Dioiketes akzeptierten.49 Damit übernahm ein Römer mit ganz eigenen Interessen die Spitzenposition in der ägyptischen Wirtschafts- und Finanzverwaltung, weshalb es kaum verwundert, dass dieser nun konsequent an die Ausplünderung des Reiches ging. Hinter ihm aber standen andere, bedeutendere Persönlichkeiten: Wie anders wäre die Berufung des Postumus, der mit Gabinius als Privatmann (!) nach Ägypten gezogen war, in dieses Schlüsselamt zu erklären, als dass Gabinius’ Freund Pompeius, dessen Interesse am Osten allgemein und speziell an Ägypten bekannt war, aus dem Hintergrund heraus Druck auf Auletes ausgeübt hätte. Syriens Statthalter Gabinius hat bei diesem Eingreifen in die inneren Verhältnisse Ägyptens sicher umso weniger Skrupel gehabt, als er selbst schließlich ebenfalls elementar daran interessiert war, die 10.000 Talente einzutreiben, die ihm für die Wiedereinsetzung des Königs versprochen worden waren. Die Situation war aus Sicht des Ptolemäers angesichts einer solchen Konstellation kaum noch zu beherrschen.

Die Nachricht in Ciceros Verteidigungsrede Pro Rabirio Postumo, der König habe Postumus bei dessen Ankunft in Alexandria als einzigen Weg, sein Geld zu retten, die Übernahme der Verwaltung und des königlichen Rechnungswesens förmlich aufgedrängt, dürfen wir getrost ins Reich der Fabel verbannen.50 Einmal im Amt, ging der neue Finanzminister ausgesprochen tatkräftig zu Werke: Bald flossen die Einnahmen an die römischen Gläubiger, wobei Gabinius und Postumus selbst nicht zu kurz kamen. Letzterer exportierte fleißig Papyrus, Leinen und Glaswaren auf eigene Rechnung und wirtschaftete so noch zusätzlich in die eigene Tasche. Dabei störte er sich nicht weiter daran, dass er griechische Tracht und die Insignien seines Amtes zu tragen hatte.51

Irgendwie scheint ihm bei diesem gewaltigen Aufstieg zum Verwaltungschef eines hellenistischen Territorialreiches der Realitätssinn ebenso abhanden gekommen zu sein wie das Gespür für das, was man anderen noch zumuten darf, bevor sie aus lauter Verzweiflung aufbegehren. So trieb er den Staat fast in den Ruin, an allen Ecken und Enden reagierte die Bevölkerung gegen die drückenden Lasten mit Unruhen und Landflucht (anachoresis). Ägypten stand vor dem ökonomischen und innenpolitischen Kollaps.52

Ein kürzlich entdeckter Papyrus gibt uns einen Einblick in seine Methoden: Massiv griff er in die Verwaltungsstrukturen ein und ersetzte ortsansässige Beamte, die ihren Vätern und Großvätern in deren Positionen nachgefolgt waren, durch neue, unbedarfte und ignorante Leute. Außerdem habe er alles verkauft, was man über die Jahre hinweg sorgsam gehütet hatte. Kein Wunder, dass der Widerstand gegen ihn wuchs, nur mit Mühe und Not konnte er aus so mancher gefährlicher Situation entkommen, um ein Haar hätten ihn die hitzköpfigen Alexandriner gelyncht.53

Wie explosiv sich die Lage inzwischen gestaltete, wird in Ptolemaios’ XII. Reaktion deutlich, der seinen Finanzminister mitsamt seinen Mitarbeitern in Schutzhaft nehmen ließ, um ihn vor der wütenden Menge zu retten. Wahrscheinlich waren ihm die Attacken auf den Römer gar nicht so unrecht, hatte er doch ein elementares Interesse daran, seine Herrschaft zu stabilisieren; und gerade diesbezüglich scheint sich das Wirken des Postumus in hohem Maße negativ ausgewirkt zu haben. Der Leidensdruck muss sowohl beim König wie bei der Bevölkerung enorm gewesen sein, sonst wäre Auletes kaum das Risiko eines Konfliktes mit Postumus’ Hintermännern eingegangen, das sich aus seiner plötzlichen und unrühmlichen Entfernung, aus dem Amt ergab. Wohl um die Auswirkungen des Eklats einzugrenzen, ließ man den Inhaftierten bewusst entkommen, worauf dieser – der fraglos auch an seine Gesundheit und körperliche Unversehrtheit dachte – Ägypten umgehend den Rücken kehrte.54

Kleopatra

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