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Auf dem Weg zur Macht

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Postumus’ Abgang entschärfte offenbar die explosive Lage im Ptolemäerreich wenigstens so weit, dass Auletes sich in den folgenden Jahren halten konnte. Für diese Stabilisierung mitverantwortlich waren neben römischer Präsenz vor allem die verstärkte Kontrolle der Bezirke durch Vertraute des Königs. Lediglich die Nachfolgefrage drängte auf eine Entscheidung hin und scheint ihm Kopfzerbrechen bereitet zu haben.

Vielleicht bedrückte ihn schon eine Vorahnung künftiger Familienstreitigkeiten, jedenfalls hat er nicht ohne Hintergedanken seinen Kindern den Titel Theoi Neoi Philadelphoi, die neuen geschwisterliebenden Götter, verliehen. Mit dem Terminus Philadelphos wollte er zum einen den Wunsch nach familiärer Eintracht deutlich machen, zum anderen aber auch an die große Vergangenheit der Ptolemäer erinnern, hatte sich doch schon mit dem Sohn des Reichsgründers einer der erfolgreichsten hellenistischen Herrscher für diesen Beinamen entschieden. Einige seiner Nachfahren waren diesem Beispiel bereits gefolgt.55

Eine dynastische Regelung etwa zugunsten des Erstgeborenen warf vor allem angesichts des jugendlichen Alters seiner beiden Söhne (Jahrgang 61 und wohl 59) durchaus Probleme auf, Konflikte unter den hohen Würdenträgern wären vorprogrammiert gewesen. Ptolemaios XII. benötigte wenig Phantasie, um sich vorzustellen, was dann passieren würde, und so griff er auf ein Modell zurück, das schon zu Zeiten des zweiten Ptolemäers etabliert wurde und sich seitdem im Königshaus einer gewissen Beliebtheit erfreute: Er bestimmte, dass seine Tochter Kleopatra seinen älteren Sohn ehelichen und gemeinsam mit ihm die Herrschaft übernehmen solle.56

Während er in Ägypten hinsichtlich dieser Maßnahme mit Akzeptanz rechnen konnte, blieb eine gewisse Unsicherheit, wie sich die führenden Politiker der römischen Großmacht verhalten würden. Die nach wie vor begehrlichen Blicke in Richtung Ägypten waren ihm nun wahrlich nicht verborgen geblieben. Geschickt suchte er daher Rom in den Regierungswechsel einzubeziehen, indem er nicht nur in Alexandria ein Exemplar seines Testamentes aufbewahren, sondern auch eines in die Metropole am Tiber bringen ließ. Darin beschwor er das römische Volk bei allen Göttern und den Verträgen, die er mit Rom geschlossen hatte, dass es bei der von ihm getroffenen Regelung bleiben solle. Als Gastfreund des Pompeius und Träger des Titels amicus et socius populi Romani konnte er auf eine gewisse Unterstützung hoffen, musste aber doch nach den zwiespältigen Erfahrungen seines Flüchtlingsaufenthalts mit erheblichem Widerstand rechnen. Bezeichnenderweise konnte sein letzter Wille nicht wie geplant im Aerarium hinterlegt werden, wo sich das Staatsarchiv befand. Stattdessen musste wieder einmal sein Förderer Pompeius herhalten, bei dem Ptolemaios’ Gesandte die Urkunde schließlich loswurden. Immerhin aber hatte er auf diese Art Rom in die Nachfolgeregelung involviert und so den Alexandrinern in gewisser Weise die Hände gebunden.57

Und nicht genug, durch eine weitere Maßnahme bereitete er einen fließenden Übergang der Macht vor. Noch kurz vor seinem Ableben wurde Kleopatra zur Mitregentin erhoben und entsprechend in der königlichen Herrschaftspropaganda berücksichtigt. So tritt sie uns in den Krypten des Hathortempels von Dendera gemeinsam mit ihrem Vater entgegen. Mit ihren etwa siebzehn Jahren und angesichts der berühmt-berüchtigten Willensstärke ptolemäischer Frauen konnte man ihr durchaus schon eine eigenständige Politik zutrauen. Dies wird Auletes durch den Kopf gegangen sein, als er sie einige Monate vor seinem Tod über die Mitregentschaft definitiv auf die politische Bühne brachte, wo ihr nunmehr eine gewichtige Rolle zufiel.58

Anscheinend ging es ihm wirklich darum, seinen Nachkommen und nicht den hohen Hofbeamten die Leitung des Staates zu überlassen, obwohl Letztere aufgrund ihrer Erfahrung sicher besser geeignet gewesen wären. Etwaigen Ansprüchen aus diesen Kreisen hatte er damit – so gut es ging – einen Riegel vorgeschoben. Eine Gruppe von Unzufriedenen scharte sich jedoch alsbald um Kleopatras noch unmündigen Bruder, der zweifelsohne leichter zu lenken war. Sie selbst kauerte allerdings nun schon in den Startlöchern für das Rennen um die Herrschaft, und tatsächlich hatte sie anfangs die Nase vorn.

So war denn sein Haus so gut wie möglich bestellt, als Ptolemaios XII. Auletes vermutlich schon im Februar des Jahres 51 auf natürliche Weise aus dem Leben schied.59

Seine Tochter Kleopatra hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht erst in der Position der Mitregentin Erfahrungen gesammelt; gerade im Rahmen der Rückkehr ihres Vaters auf den Thron muss sie einen Einblick in die Härte von Machtkämpfen und die sich hieraus ergebenden einschneidenden Konsequenzen für die beteiligten Personen gewonnen haben. Erlebnisse wie die Hinrichtungen von Familienmitgliedern oder ehemaligen Vertrauten haben sie offenbar durchaus berührt und geprägt. Hinzu kommt ihre ausgezeichnete Bildung, die ihr selbst die wenig wohlgesinnten römischen Quellen nicht absprechen können. Deshalb müssen wir ihr nicht nur eine fundierte Kenntnis der Klassiker antiker Bildung sowie diverser Sprachen zubilligen, sondern auch der Reichs- und Familiengeschichte, die sie in die Lage versetzte, die Prinzipien hellenistischer Machtpolitik und -konsolidierung zu durchschauen. Außenpolitisch war sicherlich der Eingriff in die innere Autonomie durch Postumus’ Finanzverwaltung ein Schlüsselerlebnis, das wir bei der Frage nach ihren politischen Zielen im Auge behalten müssen. Anders als ihr etwa acht Jahre jüngerer Bruder war Kleopatra also schon mit den Grundprinzipien und Maximen ptolemäischer Politik ausgiebig konfrontiert worden, und dies mag für ihren Vater den Ausschlag gegeben haben, nur sie und nicht ebenso ihren Bruder an der Herrschaft zu beteiligen.


Karte 1: Der Ostmittelmeerraum zur Zeit Kleopatras.

Kleopatra

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