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Kleopatra auf dem Thron

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Wie wir gesehen haben, stand es keineswegs von vornherein außer Frage, dass Kleopatra eines Tages den ptolemäischen Thron besteigen würde, schließlich besaß ihre Schwester Berenike die älteren Rechte. Der Weg zur Herrschaft wurde erst frei, als Berenike im Zuge der von Alexandria ausgehenden Revolte sich gemeinsam mit ihrer Mutter Kleopatra VI. Tryphaina gegen ihren Vater wandte und nach dessen Rückkehr im Jahr 55 hingerichtet wurde.

Diese innerfamiliäre Tragödie steht zwar ganz in ptolemäischer Tradition, sie wird aber der jungen Kleopatra in brutaler Deutlichkeit die Gefährlichkeit der engsten Verwandtschaft vor Augen geführt haben. Spätestens jetzt muss sie begriffen haben, dass selbst eine Tochter einem Vater die Herrschaft streitig machen konnte, umgekehrt ihr Vater keine Skrupel kannte und vielleicht gar nicht kennen durfte, zur Sicherung der Herrschaft eigene Nachkommen zu beseitigen. Diese Erkenntnis scheint durchaus prägend auf die damals Vierzehnjährige gewirkt zu haben, denn gegenüber ihren Geschwistern legte sie später keinerlei Rücksicht an den Tag, wenn es um den Erhalt und die Ausschließlichkeit ihrer Machtstellung ging. An ihren Kindern hat sie sich allerdings nie vergriffen, wobei man jedoch konstatieren muss, dass diese noch nicht im „gefährlichen Alter“ angelangt waren, als ihre Mutter sich gezwungen sah, Selbstmord zu begehen. Bis dahin sollten jedoch noch gut zwei Jahrzehnte vergehen.

Jetzt, beim Ableben ihres Vaters, zählte die junge Ptolemäerin gerade mal achtzehn Jahre. Damit konnte sie für antike Verhältnisse schon als erwachsen gelten, und dementsprechend entschlossen ging sie in den Kampf um die Macht mit den Großen des Reiches.

Keinesfalls wird man sie als frühreif bezeichnen dürfen, war eine jugendliche Mündigkeit verbunden mit der Fähigkeit klugen politischen Taktierens doch keine Seltenheit bei Frauen makedonischer Herkunft. Hatte nicht bereits unmittelbar nach Alexanders Tod Adea, die fünfzehnjährige Tochter Philipps II. und der Kynnane, die makedonische Heeresversammlung dazu bewegen können, ihre Vermählung mit dem als schwachsinnig geltenden König Philippos Arrhidaios, einem Halbbruder Alexanders, durchzusetzen? Prompt nahm sie den dynastisch bedeutsamen Namen Eurydike an. Weder ihre Jugend noch der Schwachsinn ihres Mannes konnten die Makedonen von dieser dynastisch motivierten Entscheidung abhalten, und schon gar nicht der erboste Reichsverweser Perdikkas, dessen Bruder zwar Adeas Mutter bereits auf der Anreise umgebracht hatte, dann aber dem Trugschluss erlegen war, von der jungen Heiratskandidatin ginge keinerlei Gefahr aus. Ob Adea/Eurydike jemals den ehelichen Pflichten nachgekommen ist, bleibt dahingestellt, jedoch überraschte sie mit ihrer Eigeninitiative als Königin die altgedienten Generale Alexanders und trug durchaus das Ihre zu den harten Kämpfen um Alexanders Erbe bei, in denen sie letztlich ihr Ende gefunden hat.60

Kleopatra, die als siebte Königin dieses Namens den ptolemäischen Königsthron bestieg, stand besagter Cousine des großen Alexander in keiner Weise nach. Energisch suchte sie gleich zu Anfang klarzustellen, wer aus der Familie nunmehr die führende Rolle im Staat spielen sollte. Ihr zehnjähriger Bruder, mit dem sie nach der Familientradition und dem Willen ihres Vaters verheiratet war, stellte von Hause aus weniger eine Stütze als eine Gefahr dar, zumal sich hochrangige Amtsträger hinter ihn stellten, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Von Hofschranzen dreierlei Geschlechts umgeben, denn die Eunuchen spielten eine nicht unerhebliche Rolle im Palast wie in der Staatsverwaltung, suchte sie ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen, was zwangsläufig in einen Konflikt mit den höchsten Würdenträgern münden musste.

Für ihren Gatten, den kleinen Ptolemaios XIII., übernahm ein Gremium von drei Personen aus unterschiedlichen Bereichen die Vormundschaft. Ihm gehörten neben dem Eunuchen Potheinos der Feldherr Achillas und Theodotos an, der von der Insel Chios stammende Lehrer des Königs. Potheinos war sicher der führende Kopf, denn schließlich hielt er nicht nur die Zügel der Staatsverwaltung in seinen Händen, sondern stand auch zu seinem Schützling in einem besonders engen Verhältnis, so dass Caesar ihn als dessen Erzieher (nutricius) charakterisiert. Anfangs mag ihm Achillas als Befehlshaber des Heeres noch fast ebenbürtig gewesen sein, bald aber hatte Potheinos seine Position derart gefestigt, dass er als zweiter Mann im Reich (procurator regni) galt. Er spielte die Schlüsselrolle bei der Erhebung der Alexandriner gegen Caesar, als dieser bei der Verfolgung des Pompeius nach Ägypten kam. Achillas hingegen wird das Heerwesen als wichtigster Aufgabenbereich zugeschrieben. Im Gegensatz zu Potheinos scheint er kein Eunuch gewesen zu sein, sonst hätten die ihm nicht gerade wohlwollenden Quellen sicher genüsslich darauf hingewiesen. Als Mitglied des Kronrates gehörte der Kommandeur ebenso wie seine beiden Kollegen zu den engsten Freunden und Beratern (philoi) des dreizehnten Ptolemäers, nahm aber durchaus Befehle von Potheinos entgegen und führte diese aus. Weniger mächtig als die beiden Erstgenannten, fassen wir mit Theodotos dennoch eine der bedeutendsten Persönlichkeiten unter den Philoi, da er immerhin zu wichtigen Sitzungen des Regierungsrates gebeten wurde und als Lehrer eine wichtige Mittlerfunktion zwischen der eigentlichen Führungsspitze und dem nominellen Herrscher einnahm. Gemeinsam verfügten sie damit neben einem starken persönlichen Einfluss auf den König auch über ein außergewöhnliches Gewicht in Staatsverwaltung und Heer, dem nur schwer etwas entgegenzusetzen war.61


Abb. 1: Buchisstele, 29 v. Chr., gefunden im Bucheum von Hermonthis (Armant).

Ob Kleopatra eigenständig Rechtsakte vollziehen konnte, ist unsicher, vom Prinzip her entsprach dies weder griechischen noch ägyptischen Vorstellungen. Infolgedessen konnte sie keine Vormundschaft übernehmen, so dass ihre Position von Beginn an unter einer gewissen strukturellen Schwäche litt. Daher war die Heirat mit ihrem Bruder ein Muss, um handlungsfähig zu bleiben.62 Wie etliche ihrer berühmten Vorgängerinnen auf dem Thron war sie jedoch keineswegs willens, wegen solcher Nachteile ihre Ansprüche zurückzuschrauben, und schaffte es noch viel schneller als ihr Vater, die Hofcamarilla so gegen sich aufzubringen, dass sie aus Alexandria fliehen musste.63

Zunächst allerdings setzte sie sich ganz offensichtlich durch. Am 22. März 51 tritt sie bei kultischen Feierlichkeiten in Hermonthis bei Theben persönlich auf, wobei auffällt, dass eine Stele (Abb. 1), die viele Jahre später von der Inthronisierung des Buchisstieres berichtet, als Datum das Jahr 1 eines nicht näher genannten Königs und der Herrscherin mit dem Kulttitel „Göttin Philopator“ nennt.64 Um Spielraum zum Handeln zu bekommen, hielt sie anscheinend den Tod ihres Vaters anfangs noch geheim, denn erst Ende Juni traf die Nachricht in Rom ein.65 Passend dazu favorisierte sie bis Mitte des Jahres eine Doppeldatierung ins 30. Regierungsjahr ihres Vaters und ins erste der eigenen Herrschaft.66 Am 2. Juli setzte ihr indes Onnophris, der Vorsitzende des Kultvereins der Isis Snonais, wohl in Soknopaiu Nesos eine Stele (Abb. 2), in der nur noch das Jahr 1 angeführt wird. Während die Königin im Text ausdrücklich genannt wird, ist darüber ein männlicher Pharao abgebildet, der vor Isis opfert, die dabei ist, den Horusknaben zu stillen. Dies und weitere Merkmale lassen darauf schließen, dass in aller Eile ein für sie ursprünglich gar nicht bestimmter Stein umgearbeitet wurde. Von ihrem Bruder und Mitregenten fehlt hier allerdings jede Spur. Ist das ein Hinweis auf die Schwäche seiner engsten Umgebung?67

Erscheint die Widmung der Stele schon verdächtig, so macht die alleinige Nennung in der Datumszeile eines Pachtvertrags aus Tebtynis am 29. August 51 eines noch deutlicher: Binnen kürzester Zeit hat Kleopatra ihre Stellung als Mitregentin genutzt, um die Macht ganz an sich zu reißen.68

Die innenpolitische Situation, die sie vorfand, scheint von Beginn an höchst brisant gewesen zu sein. Durch die hohen Ausgaben ihres Vaters war die Belastung der Untertanen in weiten Teilen des Landes unerträglich geworden, die Landflucht nahm beängstigende Züge an. Heiligtümer verwaisten und die Verbrechensrate stieg gewaltig an.69 Da half ihr auch der programmatische Kultname Thea Philopator, die vaterliebende Göttin, nur wenig, drückte sie doch damit aus, die politische Linie ihres Vaters weiterführen zu wollen, die letztendlich für die Misere mitverantwortlich war.70 Sicherlich hatte sie nach der Rückkehr des Auletes, insbesondere aber seit Beginn ihrer Mitherrschaft genug Gelegenheit gehabt, die Probleme des Reiches kennenzulernen und sich Gedanken über deren Lösung zu machen. Es scheint jedoch kaum vorstellbar, dass sie diesen Schwierigkeiten angesichts der desolaten Finanzlage und der politischen Abhängigkeit von Rom in absehbarer Zeit hätte Herr werden können. So viel Reaktionszeit sollte ihr allerdings gar nicht zur Verfügung stehen, denn schon wussten ihre Gegner im Innern die Schwäche zu nutzen.

Leider wissen wir nur wenig über die Einzelheiten, die letztlich zu der Auseinandersetzung auf Leben und Tod zwischen ihr und den drei an der Vormundschaft für ihren Bruder beteiligten Persönlichkeiten nebst deren Anhängerschaft führten. Mag sein, dass sie aus der Erfahrung ihrer jüngsten Familiengeschichte heraus Bedenken hatte, eine in der Doppelherrschaft angelegte strukturelle Konkurrenz um die Macht zu akzeptieren.


Abb. 2: Stele vom 2. Juli 51, Kleopatra opfert vor der stillenden Isis.

Immerhin pflegte sie speziell mit Potheinos eine tiefgreifende persönliche Feindschaft. Der Dichter Lukan, Neffe Senecas und weder Ägypten noch Kleopatra gewogen, traf sicher den Nerv seiner Leser, wenn er die Lage in Alexandria als einen Sumpf an Unmoral und Intrigen charakterisiert. Dem Potheinos legt er die Worte in den Mund: „Am Kreuz oder auf dem Scheiterhaufen müssen wir für die (körperlichen) Reize der Schwester (des Königs) büßen. Keine Hilfe gibt es: Hier ihr königlicher Gatte, dort der Ehebrecher Caesar. Um die Wahrheit zu sagen: In den Augen dieser grausamen Richterin sind wir bereits schuldig, denn Kleopatra wird jeden, der sie noch nicht besessen hat, für einen gefährlichen Gegner halten.“71 Subtil spielt Lukan auf Potheinos’ Schwachstelle an, denn als Eunuch war er in diesem Punkt tatsächlich außen vor. Entscheidend aber ist die Unversöhnlichkeit, die hier deutlich wird. Potheinos’ Position scheint schon zum Zeitpunkt von Auletes’ Tod stark, aber keineswegs überragend gewesen zu sein. Auffällig ist, dass er das Amt des Dioiketes wohl erst Anfang des Jahres 48 übernommen hat.72

Fest steht immerhin, dass Kleopatra im Herbst 50, nach etwa eineinhalb Jahren Alleinherrschaft, die von ihr reklamierte Vorrangstellung verlor und ins Hintertreffen geriet. In einem königlichen Erlass vom 27. Oktober dieses Jahres tritt der junge Ptolemaios an erster Stelle als Handelnder auf, die Königin und Schwestergemahlin finden wir nur noch auf dem zweiten Rang. Auch der Inhalt der Anordnung spricht Bände, es wird nämlich den Aufkäufern von Grundnahrungsmitteln verboten, Getreide und Hülsenfrüchte aus Mittelägypten nach Unter- oder Oberägypten zu liefern. Stattdessen erhalten sie Anweisung, ihre Bestände in die Hauptstadt zu bringen. Dass sie im Fall einer Verweigerung mit der Todesstrafe rechnen müssen, macht klar, wie massiv der Versorgungsengpass war. Alexandria hungerte, und dies war vielleicht ein notwendiger, wenngleich nicht hinreichender Grund für eine gewisse Entmachtung Kleopatras, denn selbst wenn ihre Regierung keinen Einfluss hatte auf eine zu niedrig ausgefallene Nilschwemme, so barg die hieraus resultierende Verknappung doch die Gefahr von Unruhen in sich und konnte nur zu leicht zum Aufstand führen. Gerade die Hauptstadtbevölkerung war fähig, in einer solchen Notlage einen politischen Umsturz zu erzwingen. Wie ernst man die Lage nahm, lässt sich daraus erkennen, dass die Verantwortlichen lieber die Bewohner von Unter- und Oberägypten hungern ließen, damit in Alexandria halbwegs Ruhe herrschte. Die harten Strafandrohungen erklären sich zu einem guten Teil aus einer gewissen Panik in der Führungsspitze des Reiches, sie spiegeln allerdings auch die Situation in den besagten Reichsteilen wider, wo die Not offenbar so groß war, dass die Zwischenhändler eine enorme Gewinnspanne witterten und nur unter Androhung drakonischer Strafen vom Missachten der Anordnung abgehalten werden konnten.73

Die prekäre Situation wird dazu beigetragen haben, dass sich die Parteien an der Reichsspitze zunächst auf einen Kompromiss verständigten, um die Lage nicht noch weiter eskalieren und die Metropole im Chaos versinken zu lassen. Der Umstand, dass die Königin nach wie vor genannt wird, wenngleich nicht zu Anfang der Datierungszeile, spricht jedenfalls für eine solche Lösung.Außerdem gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine Vertreibung Kleopatras zu diesem Zeitpunkt.74

Dabei dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein, dass dies keine Entspannung auf Dauer bedeuten konnte. So wenig statisch wie das Verhältnis beider Parteien zeigt sich die Form der Datierungen, aus der man ersehen kann, wie Ptolemaios oder besser seine Hintermänner mehr und mehr Oberwasser bekamen. Seit Juni 49 zählt nämlich Ptolemaios eigene Herrschaftsjahre, die er von denen Kleopatras absetzt und diesen voranstellt, was wiederum höchst aufschlussreich hinsichtlich Selbstverständnis und Machtanspruch ist. So lesen wir verschiedentlich „Jahr 1 des Königs Ptolemaios, welches auch Jahr 3 der Kleopatra ist“.75

Kleopatra

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