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|72| 3.2.5 Die Goldene Regel

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Auf einen vierten neutestamentlichen Schlüsseltext für ein angemessenes Diakonieverständnis weist Anika Christina Albert in ihren Perspektiven einer Theologie des Helfens hin: die Goldene Regel (regula aurea).119 Sie lautet: «Wie immer ihr wollt, dass die Leute mit euch umgehen, so geht auch mit ihnen um!» (Mt 7,12; Lk 6,31).

Albert findet diese Goldene Regel «für ein theologisch verantwortbares und interdisziplinär anknüpfungsfähiges Verständnis von Helfen […] von besonderem Interesse, da sie einerseits eine zentrale Maxime christlichen Handelns darstellt, andererseits aber auch in anderen kulturellen Kontexten nachgewiesen werden kann und gleichzeitig als allgemein ethisches Prinzip fungiert».120

Dass diese Regel für Matthäus ein besonderes Gewicht besitzt, zeigt sich schon daran, dass sie genau wie das Doppelgebot der Liebe mit dem Hinweis versehen ist, darin bestehe das Gesetz und die Propheten. «Da die Formel ‹Gesetz und Propheten› die Gesamtheit der Forderungen Gottes benennt, lässt sich schliessen, dass bei Matthäus die Goldene Regel mit dem Doppelgebot der Liebe als Summe der göttlichen Forderungen gleichzusetzen ist. Damit kann sie als zusammenfassende Darstellung der Ethik Jesu in Form eines übergreifenden Handlungsprinzips angesehen werden.»121 Liebesgebot und Goldene Regel sollen sich offenbar gegenseitig interpretieren, wobei Letztere als Orientierungsprinzip fungiert, wie das Liebesgebot in konkretem helfendem Handeln situationsgerecht umgesetzt werden kann.

Die Goldene Regel setzt voraus, dass Menschen in konkreten Situationen durch Einfühlen in die Situation einer anderen Person und durch vernünftiges Überlegen herausfinden können, wie sie anderen so gerecht werden können, dass es dem Gebot der Liebe entspricht. Dabei ist allerdings immer mitzubedenken, dass die Goldene Regel nur ein formales Prinzip ist: Ich möchte von anderen so behandelt werden, wie es mir entspricht. Entsprechend soll ich andere so behandeln, wie es ihnen entspricht. Inhaltlich kann das deshalb durchaus bedeuten, dass ich anderen anders begegne als |73| so, wie ich von ihnen behandelt werden möchte, weil wir beide unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, was für uns gut ist. Im Blick auf helfendes Handeln bedeutet dies, dass die Goldene Regel dafür steht, dass die Empfängerin von Hilfe darüber bestimmt, was sie wie und von wem als Hilfe erhalten möchte, nicht die noch so wohlmeinende helfende Person.

Auch die Goldene Regel ist – wie die vorgängig beschriebenen «Grosstexte der Diakonie» – Ausdruck eines universalen Ethos, denn sie traut «jedem Einzelnen in seiner Freiheit und Verantwortung zu, […] Ausprägungen der Goldenen Regel im alltäglichen Leben zu verwirklichen».122

Diakonie - eine Einführung

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