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Kapitel 6

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Es war inzwischen 10 Uhr 30, als Travniczek und Martina Lange wieder das Büro der Mordkommission betraten. Strahlend hell war es geworden, seit die Morgensonne durch die lange Fensterfront in den Raum schien. „Verehrte Kollegen“, rief der Hauptkommissar, „setzen wir uns bitte zusammen für eine erste Lagebesprechung.“

Melissa Siebert hatte schon Tassen und einen großen Teller mit Keksen auf den Tisch gestellt. Die zweite Kanne starken Kaffees an diesem Tag war fast fertig.

„Herr Brombach“, begann Travniczek, „hat es bisher irgendeine Vermisstenmeldung gegeben, die auf unseren Fall passt?“

„Im Prinzip nein“, antwortete Brombach, „es hat sich lediglich Thomas Berg von der Notrufzentrale gemeldet. Bei ihm habe eine Frau angerufen, die ihren Mann als vermisst melden wollte. Sie sei sehr verwirrt gewesen. Er habe sie an das Polizeirevier Nord verwiesen. Dort ist aber bis jetzt niemand gewesen. Falls sie noch kommt, wollen die uns von dort sofort anrufen.“

„Name der Frau?“ hakte Travniczek nach.

„Sie hat ihren Namen wohl nicht genannt und der Kollege hat vergessen nachzufragen.“

„Verdammt“, knurrte Travniczek, „dass diese Leute auch ihren Job nicht richtig machen können. O. k., damit müssen wir jetzt leben. Frau Lange, fassen Sie bitte den Sachstand aus Ihrer Sicht zusammen.“

„Männliche Leiche im Vater-Rhein-Brunnen im Schlosspark gefunden. Tatort wenige Meter vom Brunnen entfernt. Untauglicher Versuch, die Spuren am Tatort zu verwischen. Tatwaffe: ein stumpfer Gegenstand, bisher nicht gefunden. Tatzeit: zwischen 22 und 2 Uhr. Genaueres morgen nach der Obduktion. Spurenlage: Der Tote konnte noch nicht identifiziert werden, hatte keinerlei Ausweise bei sich. Gefunden wurden bei ihm: ein Schlüsselbund und eine Sportpistole, außerdem in unmittelbarer Nähe des Tatorts ein wohl selbstgebasteltes elektronisches Gerät, dessen Funktion noch ermittelt werden muss. Mehr haben wir, glaube ich, nicht.“

„Sehe ich auch so“, bestätigte Travniczek. Melissa Siebert hatte inzwischen Kaffee eingegossen und wollte sich zu den anderen an den Tisch setzen, wurde aber durch einen Telefonanruf wieder an ihren Schreibtisch gerufen. „Herr Brombach, was für Fragen und Handlungsanweisungen ergeben sich daraus?“

„Was die Identität des Toten betrifft, ist zu hoffen, dass wir hier eine Vermisstenanzeige bekommen, die auf ihn passt. Dann Abgleich mit unseren Dateien um zu klären, ob er schon irgendwie mit uns zu tun hatte. Wenn das nichts bringt, landesweit nach Vermisstenmeldungen suchen. Dann müssen wir warten, ob uns die Analyse von diesem Elektronikteil irgendetwas bringt. Weitere Ansatzpunkte sehe ich bis jetzt noch nicht.“

„Was die direkten Spuren angeht, haben Sie sicher recht“, entgegnete Travniczek mit unzufriedenem Unterton. „Frau Lange, sehen Sie in der Gesamtlage irgendwelche Besonderheiten, die uns Hinweise auf Täter, Opfer und Motiv der Tat geben könnten?“

Martina Lange wollte gerade beginnen, wurde aber von Melissa Siebert unterbrochen: „Ich muss kurz stören. Soeben hat jemand von der Polizeiwache Handschuhsheim angerufen. Es hat dort einen schweren Verkehrsunfall gegeben. Verschuldet wurde er von einer Frau, die selber schwer verletzt und daher nicht vernehmungsfähig ist und bis jetzt nicht identifiziert werden konnte. Die Kollegen halten einen Zusammenhang mit der missglückten Vermisstenanzeige vom Morgen zumindest für denkbar. Denn die Frau ist wohl in hohem Tempo ungebremst bei Rot in eine verkehrsreiche Kreuzung hineingefahren. Die Kollegen meinen, sie muss in dem Moment völlig geistesabwesend gewesen sein. Anders wäre so ein Verhalten nicht zu erklären. Und das passt zu der verwirrten Frau, die beim Notruf ihren Mann vermisst melden wollte. Sie würden sich melden, sobald sie Genaueres wissen.“

„Vielen Dank“, entgegnete Travniczek, „führt uns aber jetzt nicht direkt weiter. Wir warten ab. Dann, Frau Lange, bitte Ihre Einschätzung.“

„Merkwürdig sind auf jeden Fall Tatzeit und Tatort. Um Mitternacht im hinteren Teil des Schlossparks. Ein zufälliges Zusammentreffen, d. h. einfacher Raubmord, ist daher sehr unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Täter und Opfer dort verabredet waren.“

„Das sehe ich genauso“, bestätigte Travniczek anerkennend, „wenn wir jetzt noch wüssten, warum sie sich getroffen haben, wären wir einen großen Schritt weiter. Also lassen wir unsere Intuition spielen. Zwei Menschen treffen sich um Mitternacht im Park des Heidelberger Schlosses. Am Ende ist einer von beiden tot, erschlagen. Erfinden Sie eine Geschichte oder auch mehrere, die zu dieser Konstellation passen.“

Eine Weile herrschte Schweigen und konzentriertes Nachdenken. Dann wollte Brombach etwas sagen, kam aber nicht dazu, da sich die Tür mit heftigem Schwung öffnete und Herbert Breithaupt von der Spurensicherung den Raum betrat.

„Aha, die Herrschaften sind beim Kaffee! So gut möcht ich’s auch mal haben. Aber wir von der Spurensicherung müssen ja nur arbeiten, und hinterher dankt’s einem keiner.“

Melissa Siebert holte indessen eine weitere Tasse und goss für Breithaupt ein.

„Also“, fuhr Breithaupt fort, während er drei Löffel Zucker in den Kaffee tat, „schwarz wie die Nacht und süß wie die Liebe muss Kaffee sein.“ Er angelte sich zwei Kekse vom Tisch, steckte sie gleichzeitig in den Mund und sprach daher nicht ganz leichtverständlich weiter. „Also, Herrschaften, ich habe gute Nachrichten für Sie. Wie eigentlich immer, wenn ich zu Ihnen komme. Da der wichtigste Teil der Spurensicherung abgeschlossen war, ließ ich meine Leute für die restlichen Routinearbeiten alleine weiter machen und bin gleich ins Labor gefahren, um dieses merkwürdige Elektronikteil genauer zu untersuchen. Es hat auf jeden Fall dem Opfer gehört, denn seine Fingerabdrücke waren drauf. Er muss ein begabter Elektronikbastler gewesen sein, vielleicht sogar ein Elektroingenieur. Es handelt sich bei dem Teil um die Basisstation für einen Peilsender. Und meinem untrüglichen, allgemein bekannten Scharfsinn ist es auch gelungen, seine Funktionsweise zu enträtseln. Sehen Sie, hier im Display ist ein Ausschnitt vom Stadtplan von Heidelberg zu sehen, mit diesen Tasten kann man ihn verschieben. Und da, sehen Sie, blinkt ein rotes Kreuz. Das muss der Standort des Objekts sein, an dem der Sender angebracht ist. Und das ist, sehen Sie, zurzeit in der Nähe der Bismarcksäule. Da würde ich an Ihrer Stelle gleich mal hingehen und gucken, worum es sich handelt.“

„Kompliment für die schnelle Arbeit, das ist doch was“, meinte Travniczek erfreut. „Herr Brombach, lassen Sie sich von Herrn Breithaupt die Funktionsweise dieses klugen Geräts erklären. Wir machen uns sofort auf den Weg. Frau Lange, Sie strengen währenddessen Ihr Hirn an und entwickeln mögliche Szenarien für Tathergang und Tatmotiv. Ich verlasse mich auf Ihre Fantasie.“

Schlag auf Schlag

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