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(1) Das Spannungsverhältnis zwischen Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG

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Die Abwägungsfehlerlehre resultiert aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (und der Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG) des Planbetroffenen und der Planungshoheit der Gemeinde gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG:[64]

Eine vollumfängliche gerichtliche Kontrolle der gemeindlichen Planung birgt die Gefahr in sich, dass die Gerichte ihre Vorstellungen von einer sachgerechten Planung an die Stelle der Erwägungen der gemeindlichen Planungsinstanzen und ihres Gestaltungsermessens setzen. Hierzu sind jedoch die Gemeinden als Planungsträger berufen und gerade nicht die Gerichte. Kollidieren objektiv gleichrangige öffentliche und bzw. oder private Belange miteinander, kommt dem Plangeber daher eine den Gerichten entzogene Letztgestaltungskompetenz zu. Planung setzt auf Grund der Multipolarität der Entscheidungsfindung einen autonomen Gestaltungs- und Bewertungsfreiraum voraus, der durch ein geringeres Maß gesetzlicher Programmierung und richterlicher Kontrollbefugnis geprägt ist. Planungsentscheidungen sind komplexe Verwaltungsentscheidungen. Sie sind auf die Lösung einer Vielzahl von sowohl Ziel-, wie auch Interessenkonflikten ausgerichtet und es wird ein Ausgleich vieler komplexer, teilweise entgegenstehender Interessen, bezweckt. Andererseits darf der Planungsvorgang nicht einer planungsrechtlichen Willkür unterliegen. Daher darf die gerichtliche Überprüfung zwar nicht schrankenlos sein, kommt aber zugleich nicht ohne ein Mindestmaß an inhaltlicher Prüftiefe aus.

Hinweis

Verwaltungsrechtliche Vorschriften enthalten i.d.R. ein Konditionalprogramm, in Form eines „wenn-dann-Schemas“ (Voraussetzung gegeben Rechtsfolge). Der Abwägungsvorgang hingegen stellt ein Finalprogramm[65] dar, das durch ein Mittel-Zweck-Schema gekennzeichnet ist: Der Zweck der Planung muss die eingesetzten Mittel rechtfertigen (Zweck der Planung eingesetzte Mittel).[66]

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Durch Rechtsprechung und Literatur ist daher eine Systematisierung der Gründe, die zu einer Verletzung des Abwägungsgebotes führen, erfolgt. Insgesamt gibt es vier Abwägungsmängel (Abwägungsfehlerlehre).[67] Abwägungsfehler kennzeichnen Verstöße gegen unverzichtbare Grundelemente des gemeindlichen Planungsermessens.[68]

Diese können sowohl den Abwägungsvorgang wie auch das Abwägungsergebnis betreffen: Sie können sich zum einen auf den Vorgang der Ermittlung der abwägungsrelevanten Belange und zum anderen auf den Bebauungsplan, der das Ergebnis der Gewichtung der Belange untereinander ist, beziehen.

JURIQ-Klausurtipp

Durch die Einführung des § 2 Abs. 3 BauGB enthält das BauGB zwei Vorschriften, die die Abwägung betreffen. § 2 Abs. 3 BauGB regelt als formelle Vorschrift den Vorgang der Ermittlung und Bewertung der abwägungsrelevanten Tatsachen. § 1 Abs. 7 BauGB regelt als materielle Vorschrift den gerechten Ausgleich der Belange untereinander. Dies hat zur Folge, dass das Abwägungsgebot in Klausuren an zwei Stellen, der Prüfung der formellen und der materiellen Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplanes, zu behandeln ist.

Baurecht Baden-Württemberg

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