Читать книгу Das - unerwünschte - Jagdverhalten des Hundes - Clarissa v. Reinhardt - Страница 8

Оглавление


Wie schon erwähnt, wird das Jagdverhalten von vielen Verhaltensweisen beeinflusst, viele davon sind genetisch fixiert und werden im Laufe der Ontogenese abgerufen. In der Regel geschieht dies dadurch, dass der Hund Reize wahrnimmt, die das entsprechende Verhalten auslösen. Bei diesen Auslösereizen handelt es sich immer um Dinge, die irgendwie in Bewegung sind, wie zum Beispiel ein vorbeifliegender Schmetterling, ein aufspringender Hase, ein vorbeilaufender Jogger oder auch nur ein Blatt, das vom Wind herumgewirbelt wird. All diese Dinge sind für den Hund weitgehend uninteressant, solange sie sich ruhig verhalten, also nicht loslaufen, rennen usw. Tun sie dies aber, reagiert er instinktiv, indem er ihnen hinterherläuft und versucht, sie zu fangen.

Deshalb benutzen Jäger, die ihre Hunde als Jagdhelfer ausbilden wollen, schon im Welpenalter die so genannte Reizangel. Das ist ein langer Stock, an dem an einem Bindfaden ein Stück Feder oder Fell eines Beutetieres hängt. Das wird an der Reizangel so vor dem Hund hin- und herbewegt, dass dieser sich dafür interessiert. Es entsteht ein „Spiel“, während dessen der Gegenstand hochgezogen wird, wieder niederfällt, seitlich ausbricht, davonspringt usw. Der Hund versucht, ihn zu fangen, und gelingt ihm das, wird er gelobt und belohnt.

Haben Sie aber einen Hund, der nicht jagdlich geführt werden soll, sollten Sie genau das tunlichst unterlassen. Das gilt aber nicht nur für eine Reizangel mit einem Stück Fell oder Leder daran, denn einen ganz ähnlichen Effekt erreichen Sie, wenn Sie dem Hund permanent einen Ball oder ein Stöckchen werfen, dem er nachjagt. Er lernt, der „fliehenden“ Beute hinterherzulaufen. Ich achte deshalb immer peinlich genau darauf, dass die bei mir im Training befindlichen Welpen und Junghunde nicht diese Art von Spiel spielen. Dies gilt insbesondere, wenn sie von der Rasse oder Mischung her schon beste Voraussetzungen für ein ausgeprägtes Jagdverhalten mitbringen. Es ist kein Problem, wenn der Hund mit Gegenständen spielt, sie herumträgt, sich selbst in die Luft wirft und wieder fängt und schließlich auf ihnen einschläft. Aber Beutespiele, bei denen der Hund übermäßig auf den Gegenstand fixiert wird, ihm nachjagt und sich dabei stimmungsmäßig aufheizt, sollten Sie stark begrenzen oder am besten ganz weglassen.



DAS ARBEITEN MIT DER REIZANGEL IST NUR DANN SINNVOLL, WENN DER HUND (WIE DIESER DEUTSCH-DRAHTHAAR-RÜDE) SPÄTER JAGDLICH GEFÜHRT WERDEN SOLL.

Auch andere Verhaltensweisen, die erst viel später mit Ernstbezug gezeigt werden, werden bereits in der Welpenzeit – und zwar schon ab der 6. Lebenswoche – spielerisch ausprobiert und perfektioniert.

Hierzu gehören

 das Belauern/ Anschleichen,

 das Fixieren,

 der „Überfall“,

 das Beißschütteln,

 das Wegtragen und Bewachen der Beute.

Der junge Hund lernt aber nicht nur durch eigenständiges Ausprobieren, sondern auch durch Nachahmung von Verhaltensweisen, die er bei seiner Mutter oder anderen erwachsenen Tieren sieht. Deshalb sollten Sie besonders in der Welpen- und Junghundezeit sehr genau darauf achten, dass Ihr junger Hund nicht von einem älteren gezeigt bekommt „wo der Hase lang läuft“ – im wahrsten Sinne des Wortes. Selbst wenn Ihr Hund bisher noch nie irgendein Interesse am Wildern gezeigt hat, ja vielleicht sogar gar nicht oder kaum auf Beutetiere reagierte, selbst wenn diese direkt vor seiner Nase hochgingen, dürfen Sie die Gefahr der Stimmungsübertragung nicht unterschätzen. Haben Sie einen Hund in Begleitung, der Spurlaut gebend losprescht, wird der Ihre mit großer Wahrscheinlichkeit mitrennen. Falls dies nicht so ist, haben Sie einfach großes Glück, das Sie hoffentlich zu schätzen wissen.

In freier Natur bringt die Hunde- oder Wolfsmutter den Welpen getötete Beutetiere oder größere Stücke von ihnen, an denen sie üben können, wie sie ihre Pfoten und Zähne am geschicktesten einsetzen, um sie zu halten und zu fressen. Später bringt sie auch lebendige Beute, die durchaus noch in der Lage ist, Fluchtversuche zu unternehmen, um den Welpen „Trainingsmaterial“ zu verschaffen. Das mag aus unserer Sicht grausam erscheinen, ist aber für das Überleben in freier Wildbahn enorm wichtig. Ein Hund (oder Wolf), der nicht gelernt hat, Beute zu fangen, zu halten und auch zu töten, wäre nicht überlebensfähig.






Vor ein paar Jahren kamen Kunden zu mir, die einen Hund mit besonderer Vorgeschichte übernommen hatten. Er hatte bis zum Alter von sechs Monaten in einem echten Rudel mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt und auch mit ihnen gejagt, und zwar erfolgreich! Die ganze Hundefamilie verschwand stunden- oder auch tagelang in den Tiefen des Bayerischen Waldes und kam anschließend blutverschmiert, zufrieden und satt nach Hause zurück. Die Besitzer fanden es einfach aufregend, echtes Rudelverhalten zu beobachten und ließen ihnen deshalb alle Freiheiten. Natürlich blieben die Tiere auf ihren Streifzügen nicht unbemerkt, und es gab ganz erhebliche Probleme mit der Jägerschaft, die mit dem Abschuss der Hunde drohte. Nachdem sich die Besitzer wenig einsichtig zeigten, veranlasste der Amtsveterinär eine Beschlagnahme aller Tiere, die zunächst in einem Tierheim untergebracht und dann vermittelt wurden. So kamen meine Kunden zu einem dieser Hunde. Leider wurde ihnen bei der Vermittlung aber nicht gesagt, mit welch ausgeprägtem Jagdverhalten sie bei ihm zu rechnen hatten. Es war – vorsichtig ausgedrückt – eine Katastrophe. Der Hund war insgesamt sehr nett und freundlich und Menschen auch durchaus zugetan, denn er war ja nicht nur in der Wildnis aufgewachsen, sondern hatte von klein auf Kontakt mit ihnen gehabt. Auch im Ortsbereich war er noch recht gut zu führen und befolgte einfache Kommandos selbst bei hoher Ablenkung problemlos. Allerdings nur, solange es sich bei der Ablenkung nicht um Beute handelte. Kam er schließlich raus in die Natur, war womöglich noch ein Wald in der Nähe, war es vorbei mit Leinenführigkeit und Grundgehorsam. Er war die ganze Zeit auf Spurensuche, das kleinste Knacken im Unterholz versetzte ihn in Alarmbereitschaft, sichtete er ein noch so kleines Tier wie zum Beispiel ein Eichhörnchen, war er nicht mehr ansprechbar. Er jaulte auf, schrie regelrecht, sprang mit seinen 40 kg Körpergewicht in die Leine, stieg auf die Hinterbeine wie ein Pferd und war außer Rand und Band. Inzwischen ist er zehn Jahre alt und wird allmählich ruhiger. Ihn zu führen, ist aber nach wie vor keine leichte Aufgabe.

Kommen wir zurück zum Lernen durch Nachahmung. Wenn die Welpen etwa vier Wochen alt sind, beginnt das Muttertier, ihnen Verhaltensweisen vorzumachen. Zum Beispiel, indem sie sich mit einem Knochen vor ihnen hinlegt und diesen ausgiebig benagt. Schließlich steht sie auf und entfernt sich, lässt den Knochen aber liegen. Die Welpen, die sie zuvor beobachtet haben, versuchen nun, es ihr gleich zu tun. Durch Versuch und Irrtum (ein weiteres Lernprinzip) finden sie heraus, wie man den Knochen am besten benagt, und perfektionieren die Technik hierzu von Mal zu Mal.

Ähnlich verhält es sich beim Anpirschen und Belauern der Beute. Wenn aus den Welpen Jungtiere geworden sind, begleiten sie die Alten bei der Jagd. Wieder lernen sie durch vorheriges Zusehen und anschließende Nachahmung, durch Ausprobieren und Perfektionieren – und von Mal zu Mal werden sie besser.

Auch individuelles Talent spielt eine Rolle. Übrigens nicht nur in freier Wildbahn, sondern auch bei unseren Haushunden. Während der eine Hund sehr gut darin ist, gefundene Spuren ausdauernd zu verfolgen, ist ein anderer vielleicht weniger talentiert. Ein Jäger wird sich über ersteren freuen, ein ganz normaler Hundebesitzer über zweiteren...


Das - unerwünschte - Jagdverhalten des Hundes

Подняться наверх