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Sonntag - 30. Juni
ОглавлениеSonntag - 30. Juni
Von richtigem Schlaf kann man ja gar nicht sprechen. Ein paar Stündchen bin ich immer wieder ein wenig eingedöst. Wie soll man auch in einem Flieger entspannt schlafen, das ist einfach nicht gemütlich. Bis zur Ankunft in Shanghai sind es nun noch rund zweieinhalb Stunden. Irgendwann muss ich wohl den Film angehalten haben. Denn als ich den Bildschirm wieder anschalte, setzt der Film mittendrin fort. In Ruhe kann ich mir jetzt also noch ansehen, wie das Land Oz von der bösen Hexe befreit wird.
Dabei „genieße“ ich dann mein Frühstück, zu dem schon wieder Reis gehört. Reis zum Frühstück? Ich bin und war ja noch nie wirklich Fan von Reis. Am Abend ist das zwar schon ok, aber doch nicht zum Frühstück! Reis werde ich aber wohl noch viel bekommen die nächsten Wochen …
Die letzte halbe Stunde des Flugs verbringe ich damit aus dem Fenster zu schauen. Dadurch, dass der Flieger erst einmal über Shanghai hinwegfliegt, bevor wir zum Flughafen gelangen, kann ich schon mal die Skyline von Shanghai betrachten. Einige dieser Wolkenkratzer habe ich schon in meinem Reiseführer gesehen. Und im Gegensatz zu den Hochhäusern, die ich bis jetzt in meinem Leben gesehen habe, sind das hier wirklich Hochhäuser. Das Licht der Nachmittagssonne spiegelt sich in den Fassaden der Gebäude und im Speziellen in den rötlichen Kugeln des Fernsehturms der Stadt, dem Oriental Pearl Tower.
Mit dem Aufsetzen des Fliegers auf der Landebahn freue ich mich immer mehr darauf endlich wieder aufstehen und mir wieder die Beine vertreten zu dürfen. Michael wollte ich einfach nicht aufwecken, nur um mal ein paar Schritte zu gehen.
Doch wir fahren noch minutenlang bis zu unserem Gate. Und was für eine Überraschung … auch dieses befindet sich schon wieder am letzten Eck des Flughafens. Allerdings tut das Laufen jetzt richtig gut.
In China gelandet müssen wir jetzt nur noch dort einreisen. Die Passkontrolle steht also an. Doch so einfach ist das gar nicht. Denn die Kamera, die mein Gesicht mit meinem Pass vergleichen soll, erkennt mich nicht auf das erste Mal. Die beiden Jungs sind schon durch und spötteln „Du siehst aber auch nicht mehr ganz so aus wie auf deinem Passbild. Unausgeschlafen und knittrig.“
Ich muss ihnen leider Recht geben. Auf dem Foto sehe ich wirklich frischer aus. Beim dritten Versuch klappt es aber und ich kann auch weiter. Bei dem Beamten, der mir dann meinen Stempel in den Reisepass gibt, geht es dann allerdings auch schneller.
Mittlerweile ist unser Gepäck auch schon angekommen, weshalb wir nicht lange auf unsere Koffer warten müssen. Jedes Mal habe ich ein mulmiges Gefühl, wenn ich am Gepäckband stehe und auf meinen Koffer warten muss. Aber auch dieses Mal habe ich mir völlig umsonst Sorgen gemacht.
Im Ankunftsbereich sollen wir abgeholt werden. Dort stehen haufenweise Personen mit Schildern, die ihre Fahrgäste suchen. Nach einigem Suchen werden wir auch fündig, wir finden unsere Namen auf einem der Zettel.
Recht gesprächig ist der gute Mann ja nicht. Wir folgen ihm trotzdem zu seinem Auto, welches direkt vor dem Flughafen in der Sonne geparkt ist. Beim Verlassend des Flughafens spüren wir direkt welches Klima in den nächsten Wochen auf uns wartet. Das schwüle und heiße Wetter schlägt uns direkt ins Gesicht. Es fühlt sich an, als würde man gegen eine Wand laufen.
Dass wir einiges an Gepäck dabeihaben, war uns schon klar. Schließlich wird einiges gebraucht für drei Monate. Aber damit, dass wir das ganze Gepäck gar nicht in den Kofferraum bekommen, haben wir nicht gerechnet. Kurzerhand müssen wir uns alle auf dir Rückbank des Wagens quetschen und mein Koffer kommt auf den Beifahrersitz. Oh mein Gott, was für eine Hitze in diesem Auto herrscht! Und Klimaanlage ist für dieses Auto wohl auch ein Fremdwort. Über eine Stunde fahren wir also in diesem Kochtopf bis zu unserer Unterkunft. Dabei bekommen wir auch schon mal einen ersten Eindruck von der Verkehrslage und dem Fahrverhalten der Chinesen. Da kommt schnell die Frage auf „Haben die hier überhaupt Verkehrsregeln?“ Von Blinken haben sie wohl noch nie was gehört. Es wird einfach die Fahrbahn gewechselt. Hupen scheint hier dafür hoch im Kurs zu stehen. Damit erhöht man wohl seinen Anspruch auf Vorfahrt. Der TÜV alle zwei Jahre hat bei uns auch eindeutig seine Berechtigung, wenn man einige Autos hier so sieht. Richtige Klapperkisten, bei denen man nur darauf warten kann, dass sie auseinanderfliegen.
Umso näher wir dem Zentrum Shanghais kommen, desto größer werden auch die Gebäude. Schon vorab habe ich mir angesehen wo ungefähr sich unsere Unterkunft befindet. Mit der U-Bahn sind es etwa 45 Minuten bis zur Station People Square. Also könnte man meinen, dass es nicht gerade zentral ist, wo wir wohnen werden. Wenn man bei uns eine dreiviertel Stunde mit dem Zug von der Regensburg fahren würde, wäre man bei weitem nicht mehr mitten in der Stadt. Doch hier scheint das etwas anders zu sein. So weit außerhalb des Zentrums sind die Häuser immer noch höher als die höchsten in Regensburg. Wahrscheinlich leben alleine hier in der Gegend so viele Menschen wie in ganz Regensburg zusammen. Hier herrschen eindeutig andere Dimensionen.
Im Hotel also endlich angekommen beziehen wir sofort unsere Zimmer. Gott sei Dank hat das alles gut und schnell geklappt mit dem Einchecken. Ich habe ein wirklich großes Zimmer mit Doppelbett, Couch, zwei Sesseln, einem kleinen Schreibtisch, einer Küche und einem Bad. Lust richtig auszupacken und mich häuslich einzurichten habe ich ehrlich gesagt heute nicht mehr. Dafür ist in den nächsten Tagen immer noch genügend Zeit.
Kaum dass ich zur Ruhe gekommen bin und mir ein wenig klar geworden ist, wo ich jetzt bin, klopft es an meiner Tür. Andreas und Michael wollen sich mein Zimmer ansehen. Die beiden hatten nicht so viel Glück wie ich. Eigentlich sollte jeder von ihnen auch ein Einzelzimmer bekommen. Für die nächsten Tage müssen sie aber mit einem Doppelzimmer zurechtkommen, weil es irgendeinen Buchungsfehler gab. Wirklich erfreut sind sie darüber natürlich nicht. Beim Check meines Zimmers fällt Michael eine Sache auf „Du hast ja eine Waschmaschine. Klasse! Wir haben nämlich keine. Dann kannst du ja für uns mitwaschen.“
Ich lache. „Von wegen mitwaschen. Ihr könnt hier gerne waschen, aber sicher wasche ich nicht für euch mit.“
„Achja, was wir noch fragen wollten“, meint Andreas. „Hast du Lust, dass wir uns die Gegend ein bisschen anschauen? Wir könnten dann auch gleich schauen, wo wir was zum Essen herbekommen.“
„Gar kein schlechter Plan. Außerdem könnten wir uns gleich nach einem Laden umsehen, wo wie Getränke kaufen können. Und nach der U-Bahn-Station, mit der ich dann in die Arbeit fahren muss, könnten wir auch gleich schauen.“
Getränke sind schnell besorgt. Und das an einem Sonntag. Das ist schon mal der erste Unterschied zu Deutschland. Keine fünf Gehminuten von unserer Unterkunft finden wir den ersten kleinen Laden, der offen hat. Und gleich gegenüber befindet sich ein kleiner Obstladen. Gut zu wissen. Wir gehen die Straße weiter ab. Die U-Bahn-Station finden wir allerdings nicht. Gut, dass ich morgen eh mit dem Taxi in die Arbeit fahren will.
Angebote fürs Abendessen finden wir einige. Nachdem es mit unserem Chinesisch nicht so weit her ist, sind wir dankbar, dass die Restaurants und Bistros teilweise Bilder von den Mahlzeiten in ihrem Fenster haben.
„Und wo sollen wir jetzt rein? Habt ihr irgendwas gesehen, wo ihr unbedingt reinwollt?“, fragt Michael.
Ich antworte ganz ehrlich „Ne, keine Ahnung. Für mich schauen die Läden und die Essensangebote eh überall gleich aus.“
Nachdem auch Andreas offen für alles ist, gehen wir einfach in das nächstbeste Restaurant. Es ist bis auf die Köche und Bedienungen komplett leer. Ob dass so ein gutes Zeichen ist? Die Bedienung kommt und bringt uns die Menükarte. Gut, dass es auch darauf Bilder gibt, auf die wir nur deuten müssen. So gut wie wir Chinesisch sprechen, sprechen sie in diesem Laden Englisch … also eigentlich gar nicht. Wobei jeder von uns schon ein paar chinesische Wörter kann. Ich habe mir die Zahlen von 1 bis 10 angeschaut, Michael hat sich die Himmelsrichtungen gemerkt und Andreas kann schon „Danke“ und „Bitte“ sagen. Wie in China üblich bestellen wir viele kleine Portionen. So sollte für jeden was dabei sein.
Während wir auf unser Essen warten erzählt Michael, dass seine Eltern an seinem letzten Abend extra Chinesisch gekocht haben. „Als Einstimmung quasi. Besteck gabs dann auch nicht mehr. Ich sollte schon mal mit Stäbchen essen lernen.“
„Achja, das mit den Stäbchen. Das könnte lustig werden. Habe ich noch nie zuvor gemacht“, meint Andreas.
Ich muss ihm zustimmen „Ich habe das auch nie probiert. Wird schon werden.“
„In drei Monaten wollen wir vielleicht gar nicht mehr anders essen“, lacht Michael und Andreas und ich stimmen mit ein.
Das mit Stäbchen ist wirklich noch etwas kompliziert. Kleine Stückchen Fleisch bekomme ich noch nicht zu fassen und von sowas wie Erdnüssen bin ich noch sehr weit entfernt. Aber zumindest schmeckt das meiste, was wir bestellt haben, doch richtig gut. Manches ist mir doch leicht zu scharf, aber dafür ist ja genügend Auswahl da, dass ich das nicht essen muss.
Kurz bevor wir zahlen wollen bekommen wir dann allerdings noch Besuch von einer Kakerlake, die direkt bei uns vorbei an der Wand entlanghuscht. „Ich glaube, dass wir uns für das nächste Mal ein anderes Lokal suchen“, schlage ich vor.
Die beiden Jungs geben mir uneingeschränkt Recht.
Zurück im Zimmer will ich nur noch duschen und dann schlafen. Schließlich ist morgen unser erster Arbeitstag. Da sollten wir schon fit sein. So leicht ist das aber gar nicht mit dem Einschlafen. 22 Uhr hier in Shanghai ist halt eben erst 16 Uhr in Deutschland. Und trotz einer eher schlafloseren Nacht zuvor, liege ich noch lange wach und denke an zu Hause. Ständig bin ich am rechnen wie viel Uhr es dort ist und was meine Eltern und Christian gerade machen.