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Das sanfte ›Huhu‹ einer Eule dringt ins Schlafzimmer. Ich öffne meine Augen, langsam wie die Blüten der Seerosen in seinem Teich, und blinzle mich wach. Durch die Schlitze der Rollos fallen die rotgoldenen Strahlen der Morgensonne auf den Holzboden und zaubern eine surreal-mystische Atmosphäre. Auch der Morgenwind schleicht sich wie ein heimlicher Gast durch das gekippte Fenster herein, bauscht die feinen Voile-Vorhänge auf und atmet seine Frische in den Raum.

Neben mir jedoch atmet nichts.

Ich drehe mich zur Seite. Auf seinem Kissen liegt ein Stück Papier, als hätte es der Wind eben hingehaucht.

Die Schrift ist so winzig, dass ich sie nur mit Mühe entziffern kann. ›Besorge uns frische Croissants. Fühl dich wie zu Hause.‹ Aber ja, ich fühle mich wie zu Hause.

Ich küsse den Zettel und vergrabe meine Nase in seinem Kissen, dem noch sein Duft anhaftet, und inhaliere ihn wie ein Elixier.

Nach der Dusche schreibe ich Fred eine Nachricht, dass alles in Ordnung ist und erinnere ihn an die Vorwahl Belgiens, nur für den Fall der Fälle.

Leise und leicht wie eine Sommerbrise schwebe ich die Treppen hinunter, die Enden des seidenen Chiffonschals flattern wie Wimpel hinterher.

Ich öffne den Kühlschrank, der die Größe eines Kleiderschranks hat, schenke mir ein Glas ›Organic Orange Juice‹ ein und schlurfe ins Wohnzimmer.

Ich stelle das Glas auf dem Couchtisch und platziere das Coctailkissen an die Armlehne. Ich erstarre. Auf dem schokobraunen Bezug schimmert ein blondes, langes Haar. Eine Sinnestäuschung wohl. Ich blinzle in das Morgenlicht und schaue hinaus in den Garten, auf die struppige Hecke.

»Bullshit. Das ist kein Haar.« Ich klatsche mir auf die Stirn. »Es ist ein Faden, von einem Schal, einer Gardine oder sowas Ähnlichem.«

Um es noch besser begutachten zu können, ziehe ich das vermeintliche Haar mit Daumen und Zeigefinger vom Kissenbezug. Es hat sich regelrecht im Stoff verhakt. Ich hebe es gegen das Licht und drehe es. Es ist unregelmäßig dick und schillert. Ich ziehe daran: Es ist auch elastisch. Also kein Faden, weder von einer Gardine, noch von einem Seidenschal. Es ist ein blondes Haar, nicht das eines Mannes, dazu ist es zu lang. Ich spähe zur Couch.

Kampfbomber jagen durch meine schöne Welt und in meinen Ohren dröhnt die Kakophonie.


Die Tür fällt ins Schloss. »Sofia, ich bin wieder da, mit einem belgischen Frühühüstück.«

Schritte nähern sich und verstummen hinter mir.

Ich bin noch nicht hier, bin noch inmitten der Trümmer und versuche zu begreifen. Jeff wird mich da rausholen. Er muss.

»Sofia.«

Sag was! Reiß dich zusammen. Ich drehe mich um und in seinem Gesicht zerfällt das Strahlen in Lichtgeschwindigkeit. Die Papiertüten, die er eben noch wie Trophäen in die Höhe gehalten hat, sinken. »Hast du einen Geist gesehen? Bist du sauer, weil ich dich alleingelassen habe? Ich mach es wieder gut.«

»Woher kommt das blonde Haar?« Ich hebe es vor sein Gesicht.

Er späht durch die Schlitze seiner Augen auf das Haar, schließlich auf mich, doch in einer Weise, als sähe er mich das erste Mal.

Ich habe aufgehört zu atmen, fixiere ihn. Kein Wimpernschlag wird mir entgehen, kein noch so geringes Muskelzucken um seinen Kussmund, von dem ich noch tausend Mal geküsst werden will und der nur mich allein küssen soll. Ich beobachte das Spiel seiner Pupillen: Verengen oder weiten sie sich?

Doch in seinen Augen widerspiegelt sich nur Ruhe, wie die eines klaren Bergsees. Sonst nichts. »Das muss von der Putzfrau sein, die vor ein paar Tagen hier war.« Er legt seine große, kühle Hand auf meine Wange und betrachtet mich fast mitleidig. »Was hast du denn gedacht?«

Ich schlage die Augen nieder, komme mir schmutzig vor. Selbstverständlich hat er eine Putzfrau. Es ist ein großes Haus, da gibt es viel zu putzen. Wäre es nicht so, müsste ich schreien, bis mir die Kehle brennt.

»Lass uns jetzt frühstücken. Für unterwegs hab ich uns ein paar Riegel besorgt.« Er küsst mich auf die Wange und marschiert in die Küche.

»Riegel für unterwegs?« Ich will, dass du mir deinen Riegel gibst, augenblicklich!

»Warst du schon mal in Brüssel?«


Die Bäume rasen vorbei und die Sonnenstrahlen spritzen durch die Windschutzscheibe. Ich kuschle mich in den hautfarbenen Ledersitz hinein. Eine warme, rosafarbene Welt schimmert durch meine geschlossenen Lider, hinter denen sich Tränen der Rührseligkeit bilden, ausgelöst durch Whitney Houstons Song ›Ain’t No Way‹. Auch sie hat den Plan zu lieben – wenn er sie lässt.

Ich öffne die Augen. Jeffs Hand liegt ruhig auf dem Schaltknüppel; wie gerne würde ich meine Hand darauflegen – für immer.

Das Herz von Brüssel, der Grote Markt, ist umschlossen von ehrwürdigen Gebäuden. Die Gassen streben wie Arterien in alle Richtungen und versorgen die Innenstadt mit Leben. Touristen aller Nationalitäten strömen hindurch und die Geschäfte reihen sich aneinander wie an einer Perlenkette.

Wir streifen durch die Rue des Bouchers, liebevoll ›Fressgasse‹ genannt. Jeff bleibt vor einer Waffelbäckerei stehen, an der sich bereits eine Warteschlange gebildet hat. Mir läuft schon das Wasser im Munde zusammen vom Duft, der aus dem Backhäuschen dringt. Knusper, knusper, knäuschen …

»Hier gibt’s die besten Waffeln. Magst du sie auch mit Erdbeeren und Sahne?«

Ich nicke. Als wir an der Reihe sind, bestellt Jeff. Wenig später streckt uns der Bäcker mit seinen übergroßen, schaufelartigen Händen zwei Pappteller aus der Durchreiche. In seinem Gesicht, das die Farbe zu lang gebackenen Brotes hat, strahlt die ganze Wärme der Frühlingssonne.

Jeff reicht mir den Teller. Darauf sind zwei mit Puderzucker bestäubte Waffeln, daneben ein riesiger Sahneberg und drei Erdbeeren.

Wir gehen ein paar Schritte weiter, lehnen uns an eine Hauswand und lassen sie uns munden.

»Köstlich, oder?« Jeff leckt sich die Sahne von den Lippen. Das ist eigentlich mein Job, denke ich und lache.

»Was! Ich mag meine Waffeln gern traditionell essen.«

Traditionell? Ich denke an den Minutensex im Gang zur Tiefgarage und warte bis Jeff wieder zu mir herüberschaut, dann nehme ich die Erdbeere zwischen Daumen und Zeigefinger und lecke mit der Zungenfläche langsam über die rote Frucht, umschließe sie mit den Lippen und sauge sie in den Mund.

Jeff macht große Augen. Sehr schön.

Mir wird ganz warm in der Brustmitte und ich schaue in den Himmel. Die Sonnenstrahlen wärmen mit ihrem Gold mein Gesicht und eins von den ganz großen Lächeln erfasst mich.

Doch Jeffs Nähe wärmt mich ungleich mehr.


Jeff jagt den Porsche nicht auf dem Nachhauseweg, doch trotzdem habe ich das Gefühl, dem Abschied entgegenzurasen. Morgen werde ich wieder zurückfahren müssen und ich wünschte mir, er täte etwas dagegen.

Kaum ist die Tür ins Schloss gefallen, springt mich die Lust an wie ein ausgehungertes Ungeheuer. Jeff! Ich will auf ihn springen, mich an ihm festkrallen, ihn spüren.

Sein Lächeln jedoch strahlt die Wärme eines knisternden Kaminfeuers aus. »Hat es dir nicht gefallen?« Er legt die Schlüssel in die quaderförmige Glasschale auf der Konsole.

»Nein. Ich meine, doch. Ich hab nur ’nen kleinen Durchhänger.« Kannst du mir jetzt bitte endlich die Kleider vom Leib reißen und mich nehmen! Ich will dich spüren!

Auf mir. Unter mir. Hinter mir. In mir. Was tut er?

Er nimmt mir meinen Trenchcoat ab und verstaut ihn in der Garderobe. Nachdem er auch seinen Mantel aufgehängt hat, mustert er mich eindringlich.

Licht flutet in die Schatten meiner Seele.

»Hast du Lust auf etwas Prickelndes? Im Kühlschrank steht eine Flasche Sekt und Eistee und unter der Spüle eine Klappkiste. Bist du so lieb? Ich muss schnell noch meine E-Mails checken.«

»Klar, gerne.«

Auf den Stufen ins erste Obergeschoss klirren die Gläser sachte aneinander. Die Tür zum Büro ist angelehnt. Ich stelle die Kiste ab und schlüpfe hinein.

Das Zimmer, in kompakter Größe, ist nur mit dem Nötigsten ausgestattet: ein Schreibtisch, ein Pilotenkoffer, an der Wand aufeinandergestapelte Kartons.

Jeff sitzt auf einem mandelfarbenen Bürosessel mit Rollen vor dem Computerbildschirm. Auf Zehenspitzen pirsche ich mich an ihn heran und linse auf den Bildschirm. Dreitausendirgendwas E-Mails im ›Posteingang‹ kann ich noch erkennen, bevor er mich bemerkt. Er schließt die Seite und das Logo von SHAPE erscheint. Vor meinem inneren Auge sehe ich allerdings ganz andere Dinge.

»Hast du alles gefunden?«, fragt er.

»Das hab ich.« Ich streichle seinen Nacken und entdecke am Haaransatz eine helle Stelle in Form eines Tropfens und beuge mich hinunter, um einen Kuss darauf zu tupfen. Der Duft von tausendundeiner Nacht strömt mir entgegen.

»Schlechte Nachrichten, Sofia. Ich muss morgen vier Stunden früher los.«

Wovon zum Geier redet er?

»Die haben die Zeiten verschoben.«

»Morgen? Warum? Und wer sind die?«

»Ein Meeting in der UK. Wenn ein General kommt, ändert das Sicherheitsmanagement manchmal die Reisepläne. Genau das ist jetzt passiert.«

Ich hasse den General.

Jeff starrt auf den Bildschirm. Ich tue es ihm gleich und starre auch auf ihn – extrem grimmig. Vielleicht wird er die E-Mail einfach weiterleiten oder löschen?

»Das heißt, wir müssen morgen früh zirka 9.30 Uhr los.« Er seufzt. »So ist nun mal das Leben eines Soldaten.«

»So ein Scheiß. Aber du bist doch gar kein Soldat mehr, oder?«

»Das ist nur so ein Spruch.«

Ich hasse den General.

Er fährt den Computer herunter und steht auf. »Lass uns nach oben gehen.«

Ganz recht, lass uns keine Zeit verschwenden.

Jeff greift nach der Kiste und ich folge ihm ins Schlafzimmer.

Rosafarbene Lichtbündel der untergehenden Abendsonne fallen durch das Fenster. Die Vorhänge schimmern durch das Licht blauviolett, an manchen Stellen fast purpurfarben und fließen wie ein Wasserfall in rauschender Fülle auf den Boden.

Jeff schenkt mir ein Glas Sekt ein und für sich einen Eistee. Ich führe das Glas an die Lippen und die Kohlensäure besprenkelt meine Nasenspitze.

»Bin gleich wieder da«, sagt er.

Ich aber frage mich: Wie angel ich mir einen Jeff? Ich hake meinen Zeigefinger in seinen Hosenbund. »Einen Moment bitte« und ziehe ihn zu mir zurück.

Er dreht sich um und ich bemühe ich mich um einen ausgekochten Gesichtsausdruck, so einen, wie die bösen Bond-Girls ihn haben; doch er fühlt sich harmlos wie Vanillepudding an.

Trotzdem werde ich meine Mission erfüllen. Ich streiche mit der flachen Hand über seinen Schritt; der Flanellstoff ist geschmeidig und was drin ist … mhmm, fühlt sich gigantisch an.

Ich löse seine Gürtelschnalle und öffne den Haken seiner Hose. Er atmet tief ein und legt den Kopf in den Nacken. Ganz langsam ziehe ich den Schieber des Reißverschlusses nach unten; durch das Gewicht der massiven Gürtelschnalle rutscht die Hose wie ein Aufzug zu Boden.

In seiner seidigen Boxershorts sehe ich harte Tatsachen auf mich zukommen, doch als ich den Daumen unter das Gummiband schieben will, hält er meine Handgelenke fest.

»Stopp. Diesmal läuft das anders.« Er legt seine Hände auf meine Taille und trippelt mit mir Richtung Bett. Die Hosenbeine, die wie eine Ziehharmonika zwischen den Füßen liegen, wandern mit. »Du findest das lustig?«

»Nur ein bisschen.«

Meine Waden berühren die Bettkante. Er sieht mich mit steinernem Blick an, knöpft die Bluse auf und streift sie mir über die Schultern. Ich halte den Atem an und genieße jede seiner flüchtigen Berührungen. Meiner Jeans bin ich ebenso schnell entledigt – täte er es doch langsamer. Im nächsten Moment fühle ich seine Zunge in meinem Bauchnabel. Ich presse meine Lippen zusammen und stöhne.

Langsam richtet er sich wieder auf, dabei gleitet seine Zunge über meinen Körper. Er greift hinter meinen Rücken und öffnet den Hakenverschluss des BHs, dann streift er die Träger des Büstenhalters über die Schultern, hält ihn wie eine Trophäe in die Höhe und lässt ihn über sein Gesicht gleiten. Dabei saugt er die Luft ein, als würde er frische Bergluft inhalieren. Er lässt den BH ein paar Mal wie einen Propeller um seinen Zeigefinger kreisen, bevor er schwungvoll auf dem Lampenschirm landet.

Mein Unterleib dröhnt vor Lust.

Jeff kniet sich vor mich hin.

Sein Atem streicht über meinen Venushügel und seine Fingerspitzen über die hauchzarte Spitze des Slips. Er beschreibt mit beiden Daumen kleine Kreise entlang des Beinausschnitts und blickt zu mir auf.

Die Augen glänzen wie zwei schwarze Onyx-Steine in einer Schatztruhe.

Seine Hand gleitet an der Außenseite des Schenkels hinab. »Ein langer Weg …« Er kreist um die Knöchel und drückt einen Kuss auf die Fesseln, einen Wimpernschlag danach streicht er wieder aufwärts und zieht mir den Slip nach unten. Die Spitze kitzelt an meinem Oberschenkel. Ich trete aus ihm heraus und schiebe ihn beiseite. Bevor ich mich’s versehe, ist seine Zungenspitze zwischen meinen Schamlippen, kreist von unten nach oben, kreist um die Klitoris und leckt darüber. Tu es noch einmal.

Doch er richtet sich auf und nimmt mein Gesicht in seine Hände.

Jaaa, küss-mich-küss-mich-küss-mich, Chérie!

»Leg dich aufs Bett, Sweetheart«, raunt er mir ins Ohr.

›Sweetheart‹ sinkt aufs Bett und wird von Kopf bis Fuß von Wärme durchströmt.

Er legt sich neben mich und beugt sich zu mir. Seine Lippen sind nun zum Küssen nah. Er saugt an meiner Unterlippe, dringt mit der Zunge ein. Ich vergehe vor Lust.

Seine Hand folgt der Rundung der Hüfte in das Tal der Taille und wieder nach oben, sie krabbelt auf meine Brust und umschließt sie. Er spreizt seine Finger, die auf dem hellen Busen wie die Fangarme eines Oktopus wirken, walkt sie und reibt an den Brustspitzen, bis sie erglühen wie Rubine. Wie an einer Schnur perlt die Lust in meinen Unterleib und ich würde am liebsten schreien, aber meinem Mund entweicht nur heißer Atem und ersticktes Stöhnen.

Seine Hand gleitet weiter auf meinen Bauch über den Venushügel und über die Schamlippen. Er massiert mich dort bis ich die Musik darin spüre.

Süße Elegie.

Ich verliere mich in dieser köstlichen Melodie.

Alles in mir wird weich – doch er hört auf, steht auf und geht zur Nachtkonsole hinüber.

Meine Augen fühlen sich an wie zwei Feuerbälle und verfolgen jede seiner Bewegungen. Er öffnet die Schublade, nimmt ein goldglänzendes Päckchen heraus, das er mit seinen Zähnen aufreißt. Er fingert ein Kondom heraus und rollt es über sein Glied … und rollt … und rollt …

Nichts an diesem Mann ist klein oder mittelmäßig. Er baut sich vor mir auf wie das Empire State Building und ich blicke zu ihm hoch. Eine Haarsträhne klebt mir im Gesicht. Mein Blick fühlt sich fiebrig an. Die Beine gespreizt, liege ich vor ihm, wie eine Süchtige, die auf den goldenen Schuss wartet; die Vagina zuckt, als hätte sie Entzugserscheinungen.

Er kniet sich zwischen meine Beine, und ich betrachte sein Gesicht. Es ist ein markantes Gesicht. Man sagt, Männer mit solchen Gesichtszügen nehmen sich das, was sie wollen. Aber vielleicht muss er sich gar nichts nehmen, sondern sich nur nicht gegen das wehren, was ihm angeboten wird.

Im nächsten Augenblick peitscht er mir jedweden Gedanken aus und ich schreie auf. Ich hebe meinen Kopf an, will sehen, was er macht.

Er taucht mit der Eichel hinein, gleitet ein und aus, und die Schamlippen schmatzen dabei. Auch er beobachtet was er tut – wie ein gedankenverlorener Musiker, der seinen Bogen vor- und zurückstreicht, eindrucksvoll und voller Sentiment, als würde er eine Melodie komponieren.

Ich lausche mit allen Sinnen, gebe mich ganz hin.

Dann folgt der Tusch.

Ich bäume mich auf.

Er stößt kompromisslos und dramatisch, verfällt in einen regelmäßigen und beschwingten Rhythmus. Mir ist sengend heiß. Aber hör nicht auf, Chérie, hör bloß nicht auf.

Er tut es nicht. Rein-raus-rein-raus … er lässt unvermittelt von mir ab. »Dreh dich um, Baby.« Ein listiges Lächeln huscht über sein Gesicht.

Kühle Luft streicht über meinen Rücken, als ich mich umdrehe. Seine Hände gleiten über meinen Hintern, als wolle er ihn veredeln. »Perfekt. Rund wie ein Pfirsich und bestimmt genauso süß.« Schon sind seine Zähne in meiner Pobacke, und ich schreie auf vor Schmerz. Er streicht mit der flachen Hand über die Stelle und beißt in die andere Pobacke. Ob er mich auch versohlen will?

Ich schaukle vor und zurück, um ihn nervös zu machen, bis er mich schließlich an den Hüften packt und mich zu sich zieht. Meine Hände rutschen über das glatte Bettlaken. Er greift in meine Haare und zieht meinen Kopf zurück. Die Lust, nicht der Schmerz, lässt mich aufschreien, als er mit einem langen Stoß eintaucht. Ich habe das Gefühl, in zwei Hälften gespalten zu werden.

Er nimmt mich präzise und schnörkellos. Meine Brüste schwanken hin und her und mein Hintern knallt gegen seine Lenden.

»Ich kann mich nicht mehr lange beherrschen.« Er stöhnt, als würde er einem enormen Druck standhalten müssen.

Ich lege meine Hand zwischen meine Beine: blutwarme Feuchte. »Jeff … Jeff!« Zu mehr als primitivem Gestammel bin ich nicht fähig.

Er gräbt seine Finger noch tiefer in meine Hüfte und reißt mich noch zweimal an sich. Sein Penis ist hart wie Stahl und das kehlige Brüllen erfüllt den Raum. Seine Lust ergießt sich in mir.

Meine Eingeweide ziehen sich lustvoll zusammen und sein Orgasmus reißt mich mit, wie eine Welle auf ihren Kamm. Er wirbelt mich herum, bis ich nicht mehr weiß, was oben und unten ist, und ich tauche hinein in den Ozean, in unseren Ozean. Schließlich werde ich zurück ins Hier und Jetzt gespült wie Strandgut. Qual und Erlösung zugleich.

Ich entkrampfe meine Hand und lasse das Betttuch los.

Jeff verharrt regungslos und schöpft nach Atem. »Du machst mich fertig, Sofia.« Seine Hände gleiten von meiner Hüfte und er legt sich neben mich.

Ich drehe mich zu ihm, lege meinen Arm um ihn und lausche noch eine Weile dem Rauschen in mir. Sein Brustkorb bewegt sich auf und ab wie ein Blasebalg. Meine Lider senken sich. Paradiesisch.

»Hey«, tönt aus weiter Ferne seine Stimme. »Nicht einschlafen, Sweetie.«

Ich spüre seinen feuchten Atem an meinem Ohr. Mit einem Schlag bin ich glockenwach und blicke in seine mandelförmigen Augen. Sein Augenweiß ist weiß wie Schnee.

»Willst du –«

»Du hast mir doch was versprochen.«

Er schaut mich verdutzt an.

»Das Familienalbum.«

»Okay …« Er zögert noch einen Moment, steht dann aber auf, wickelt sich die Decke um die Hüfte und geht nach unten.

Ich schaue diesem fantastischen Mannsbild hinterher.

Kurz darauf kehrt er mit dem Album in der Hand zurück.

»Du in Windeln … fantastisch.« Ich setze ich mich in den Schneidersitz und Jeffs Blick huscht zwischen meine Beine. Ich schnappe mir das Kopfkissen und lege es dazwischen. »Jetzt lass mal sehen.«

Er setzt sich neben mich und legt das Buch auf seinen Schoß. Der Ledereinband ist von Haarrissen überzogen, aber der geprägte Schriftzug, ›My First Years‹, glänzt wie neu. Die ersten drei Seiten überblättert er. »Langweilig. Langweilig. Langweilig.«

Auf der vierten Seite erscheint die Schwarz-Weiß-Aufnahme eines zirka achtjährigen Jungen. Er strahlt wie ein Champion. Mit geschwollener Brust steht er auf der Abschlagbase und umklammert seinen Baseballschläger wie ein Samurai sein Schwert.

Jeff tippt auf den Schläger. »Marke Jackie Robinson. Ich war unheimlich stolz. Robinson war eine Legende – und schwarz. Siehst du? Ich hatte auch seine Nummer.« Jeff zeigt auf die ›42‹ auf dem Trikot.

Das nächste Foto ist eine Nahaufnahme, auf der Jeff mit einem Du-kannst-mich-nicht-durchschauen-Blick hinter einem Führerschein hervorlugt.

»Da ist sie.« Ich deute auf die Narbe über dem rechten Auge. Sie ist als deutlicher Schatten erkennbar.

Jeff reibt sich die Stirn und seufzt. »Das war ein Rivale aus meiner Mannschaft. Er wollte mir seinen Schläger überbraten. Ich konnte zwar ausweichen, muss dann aber gestolpert sein und mit dem Kopf auf einen Stein oder so gedonnert. Wahrscheinlich ging es um ein Mädchen. Damals ging alles um Mädchen.«

»Hat man ihn geschnappt?«

Jeff lacht auf. »Er war weiß, und das war in Whiteville. Was denkst du, hm?« Jeff klappt das Buch zu. »Wenn du mich mal entschuldigst.« Er rappelt sich hoch und verschwindet im Bad.

Das ist also die Geschichte der Narbe. Ich stehe ebenfalls auf, schüttle das Bett auf und will die Schublade der Nachtkonsole zuschieben. Es befinden sich haufenweise golden glänzende Päckchen darin mit der Aufschrift ›XL Magnum‹. Ich ziehe eines an der Ecke hoch und es faltet sich wie ein Leporello auf. Daneben liegen noch weitere davon. Denkt er, ich sei unersättlich?


Hundebellen. Pause. Hundebellen.

Unter der Decke taucht ein Arm hervor, beschreibt einen Bogen und sinkt wieder nach unten. Das Bellen des Handys erstickt, und der Arm legt sich über meine Brust. »Guten Morgen, Baby, gut geschlafen?« Seine Stimme klingt fast eine Oktave tiefer als sonst.

»Wunderbar«, sage ich und versuche, mir jedes Detail seiner Sechs-Uhr-Morgen-Miene einzuprägen.

»Ich muss Koffer packen.« Mit diesen Worten rollt er sich aus dem Bett. Meine Hand, die eben noch auf seiner Hüfte gelegen hat, platscht auf die Matratze. Der Anblick seiner nicht unbeträchtlichen Morgenlatte setzt bei mir ein Kopfkino in Gang, doch bevor es richtig starten kann, verschwindet die männliche Hauptrolle im Bad.

Mit seinem Kissen im Arm lausche ich dem Plätschern des Wassers und meine Augenlider klappen nach unten. Die Bilder der Nacht fallen wie Sternschnuppen direkt in die Truhe der Erinnerungen. Mit dem Gefühl zu fallen, schrecke ich auf.

Jeff steht vor mir, um die Hüfte ein Handtuch drapiert. Unmöglich, nicht an ›das Eine‹ zu denken.

Er knipst die Leuchte an, und ich blicke durch die Wimpern zu ihm hoch. Das ist der Schlafzimmerblick in seiner Reinform, Chèrie.

Drei lange Sekunden starrt er mich mit geöffnetem Mund an. Der Tigerblick in seinen Augen verrät mir, dass er versteht, doch er dreht sich um und marschiert zum Kleiderschrank.

Türen werden hin- und hergeschoben wie Kulissenwände im Theater. Er postiert sich breitbeinig vor die beleuchtete Flotte von Anzügen, als stehe er vor einer Herausforderung und müsse sich zuerst einen Schlachtplan zurechtlegen.

Krawatten fliegen wie Drachenschwänze durch das Halbdunkel, gefolgt von Gürteln, deren Schnallen sich in gefährliche Flugkörper verwandeln. Sie landen jedoch, zu meinem Glück, alle auf seinem Kissen oder der Bettdecke. Innerhalb kürzester Zeit ist das Bett übersät mit Unterhemden, Boxershorts, Poloshirts, Oberhemden von flieder- bis graphitfarben, Chino-Hosen, Einstecktüchern, und es will kein Ende nehmen.

Ich beschließe, mich zu duschen.

»Sofia«, ruft er, kurz bevor ich das Bad erreicht habe.

Ich drehe mich um und mache einen Schritt auf ihn zu. Er will also doch noch. Splitterfasernackt stehe ich vor ihm, zwischen uns eine antik wirkende Holzkassette, die er wie einen Bauchladen vor sich hält.

Soll ich das Frotteetuch von deiner Hüfte wickeln, Chèrie?

Er holt tief Luft und sein Adamsapfel bewegt sich einmal nach oben und unten, als habe er das ›Ja‹ auf meine Frage eben hinuntergewürgt. »Zu einem dunkelgrauen Anzug, welche Uhr …?«

Ich brauche eine Sekunde, um mich wieder zu fangen. »Die gefällt mir.« Ich klopfe mit dem Fingerknöchel auf den Glasdeckel, unter dem – in Samt eingebettet – eine eckige Uhr mit blauem Ziffernblatt liegt.

Als ich mich abwende, fühle ich so etwas wie Stolz, der Versuchung, ihm das Handtuch von der Hüfte zu wickeln, widerstanden zu haben. Besonders glücklich macht mich dies allerdings nicht.


Der Duft von Kaffee und geröstetem Brot erfüllt das Haus. Ich trete in die Küche.

»Setz dich, Baby. Ich hab uns Rühreier und Toast gemacht.« Jeff zieht das karierte Hemd von der Stuhllehne und zieht es sich über sein hellblaues, jedoch verkehrt herum, sodass der Rücken vorne ist. »Das mach ich immer so«, sagt er.

Wir frühstücken schweigend und ich gebe mir redlich Mühe, nicht traurig zu wirken. Der Kaffee ist heiß und stark. Ein Tropfen läuft über den Rand der Tasse auf den blauen Stern, der darauf abgedruckt ist. Er hängt an einem Fallschirm und ist zusätzlich mit Flügeln ausgestattet. Unterhalb des Sterns lese ich: ›Unitate Sententiae Certo Actio‹ und auf der Rückseite, ›Nato Special Operations Coordination Centre‹.

»Ist die von deiner Arbeit?«

»Gefällt sie dir? Du kannst sie behalten, wenn du willst.«

»Wirklich?« Ich streiche noch einmal zart über den Stern und blicke hinaus in den verwilderten Garten. Ich will nicht gehen.

»Schmeckt es dir nicht? Die Eier sind von französischen Marans-Hühnern. Ich nehme nur die. Sie haben auch eine dunkelbraune Schale, so wie ich.« Er lacht herzhaft.

»Klasse.« Anstatt mit der Gabel in französischen Eiern herumzustochern, sollte ich mit gespreizten Beinen auf dem Betonklotz sitzen. Meine Schamlippen würden vor Freude gurren und die Baumwipfel im Garten würden zittern. Stattdessen wiegen sie sich im Wind hin und her. Es mag wie Poesie erscheinen, aber es ist eine Lüge. In Wahrheit wehren sie sich nur gegen das, was mit ihnen geschieht. Sie versuchen, mit ihrer Situation zurechtzukommen.

Jeff steht auf und trägt unsere Teller zur Spüle.

Ich schreibe Fred eine Nachricht und informiere ihn, dass ich mich auf den Weg mache. Vielleicht würde er mir mit ein paar netten Worten antworten.

Zeit, aufzubrechen.

Die erste Stahltüre fällt ins Schloss und amputiert den zarten Duft des Hauses.

Ich könnte schreien.

In seinem diplomatenblauen Anzug und den spiegelblank polierten Schuhen schreitet Jeff durch den schmalen Gang, der zur Garage führt. Ein Koffer in der rechten, meine Reisetasche in der linken Hand, und an der Schulter baumelt die Laptoptasche. Sie klatscht bei jedem Schritt gegen seine Hüfte.

Bevor er die zweite Stahltüre öffnet, drehe ich mich noch einmal um und schiele auf die Stelle, an der er mich befriedigt hat – vorgestern – vor hundert Jahren.

Auch diese Tür fällt ins Schloss und erschüttert mich wie ein Beben.

Jeff zieht an einer von der Decke hängenden Kette und das Garagentor öffnet sich träge, das Morgengrau schleicht herein und breitet sich aus wie ein Geschwür. Es erfasst mich an den Fußspitzen und kriecht an mir hoch. Ich hätte mich auf diese Situation besser vorbereiten sollen, aber ich hatte ja keine Ahnung.

Jeff tritt ins Freie und blickt gen Himmel. »Du gehst und die Wolken kommen.«

Oh. War das ein Gefühlsausbruch?

Er kommt zurück und bleibt vor mir stehen. Sein Blick gleitet von Kopf bis Fuß an mir entlang, wie eine Berührung, und mein Herz rutscht unverzüglich zwei Etagen tiefer und pocht dort weiter.

»Du siehst entzückend aus heute Morgen.«

»Lügner«, flüstere ich.

»Es ist die reine Wahrheit, Baby.« Sein Gesicht nähert sich mir.

Ich öffne die Lippen für einen letzten Kuss. Es fühlt sich jedoch an, als öffnete ich meinen Schoß.

Du

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