Читать книгу Die Welt im Viertel - Cord Buch - Страница 29
Erster Gipfeltag, 17:00 Uhr
ОглавлениеNele meldet sich mit ihrem Namen.
»Sie?«
Hauptkommissar Jensen stellt überrascht eine kurze und überflüssige Frage. Es ist Monate her, dass Nele seine sonore Stimme zuletzt gehört hat. Ihr Klang hat Nele immer gefallen. Doch ihre Gedanken an die Bekennermail verhindern, dass sie ihre Aufmerksamkeit dem Ton der Stimme widmet.
»Ja, ich«, antwortet sie ähnlich knapp.
Jensens Ungeduld verhindert, dass sich das beginnende Gespräch zu einem entwickelt, wie es verkrachte Verliebte miteinander führen, aber nicht ein Bürger mit der Polizei.
»Wissen Sie, es ist gerade ein ganz schlechter Zeitpunkt. Eine Kollegin von mir ist erschossen worden.«
»Deswegen rufe ich Sie an.«
»Was? Sind Sie wieder mitten drin?«
»Wie man es nimmt. Die Stadtrundschau hat ein Bekennerschreiben bekommen.«
»Lesen Sie vor!«
»Moment! Ich schlage vor, Sie kommen in die Redaktion und ich zeige Ihnen den Text. Aber nur unter einer Bedingung: Sie machen den Brief nicht öffentlich, bevor morgen früh die Stadtrundschau erschienen ist.«
»Mir scheint, Sie arbeiten inzwischen wie Ihre großen Konkurrenten. Haben Sie mir nicht einst von einer alternativen Zeitung vorgeschwärmt, nur dem investigativen Journalismus verpflichtet?«
»Daran glaube ich immer noch. Auch an die Arbeit im Kollektiv. Doch dort ist die Mehrheit dagegen, dass ich Sie einbeziehe; zumindest zu diesem Zeitpunkt. Ich brauche das Zugeständnis von Ihnen, dass das Schreiben bis morgen nur für Ihre Ermittlungen zur Verfügung steht und Sie es nicht an andere Redaktionen weitergeben.«
»Es ist jetzt keine Zeit für Diskussionen. Ich komme bei Ihnen vorbei. Vielleicht ist das Schreiben gar nicht vom Täter, sondern von jemandem, der sich wichtigtun will. Wir werden sehen. Bis gleich.«
Jensen ruft Moser an. Diesen vielleicht entscheidenden Hinweis kann er nicht für sich behalten. Der Staatsanwalt hat nicht ihn, sondern Moser mit der Leitung der Soko beauftragt. Er versteht sich nicht gut mit Moser, aber es wäre unfair, ihn zu übergehen.
Moser geht nicht ans Telefon, und im Haus befindet er sich auch nicht. So macht Jensen sich, ohne ihn informiert zu haben, zusammen mit Wiebke Maurer und zwei Kollegen der Ermittlungsunterstützung auf den Weg durch die Stadt.
Es ist, als ob ein Fahrverbot ausgerufen wäre; die Straßen sind, im Gegensatz zum gestrigen Tag, geisterhaft leer – wenn man von den Kolonnen blaulichtbespickter Einsatzfahrzeuge absieht.