Читать книгу Der Glückliche - Cord Frey - Страница 4
I
ОглавлениеDer Tag, an dem er verrückt wurde, war ein Dienstag.
Bereits als er aufwachte wurde ihm klar, dass mit dem heutigen Tage wohl eine bedeutende Änderung in seinem Leben eintreten würde - und das lag vor allen Dingen an dem grünen Teufel, der sein abgöttisch geliebtes James-Dean-Poster auf die Seite schob und ihn mit bösen, höllisch funkelnden Augen ansah. Hinter dem Teufel sah er so etwas wie einen Felsengang - das musste der Eingang zu irgendeiner Hölle sein - er konnte den Wiederschein von lodernden Flammen erahnen.
Sonderlich überrascht war er nicht; irgendwie hatte er in letzter Zeit gespürt dass ihn der Böse wohl irgendwann einmal heimsuchen könnte. Und außerdem hatte ihm James Dean vor wenigen Tagen erst erzählt, dass er wohl bald eine Strafe für sein sündiges Leben erwarten könne. Als Jimmy ihn an diesem Abend zum ersten Mal ansprach war er einige Sekunden lang zutiefst beglückt. Er hatte es sich schon so lange gewünscht, einmal ein paar Worte mit jemandem zu wechseln, der für ihn so etwas wie ein Idol darstellte. Später war er dann nur überrascht über die schrille Stimme, die sein Jimmy hatte, und auch darüber, dass dieser wohl alles über seine sündigen Gedanken wusste. Und überhaupt - James Dean. Eigentlich war er viel zu jung um diesen Fiftiesrebellen als Idol zu benutzen, in Kürze wohl gerade einmal dreißig Jahre alt, aber nach dem Umgang den er in den letzten vergangenen Lebensjahren so gepflegt hatte, erschien ihm so ein junger Unbezähmbarer, der Leuten wie seinen Eltern doch das Versprechen gab mit ihren revolutionären Gedanken nicht allein zu sein, doch etwas angenehmer als die langhaarigen, ledertragenden Typen mit denen er sich in seinem früheren Leben so gerne umgab.
Das Poster war toll. Er liebte schrille Farben; und auch das Glitzerzeug das um die fast lebensgroße Zeichnung angebracht war. Cool, mit einer Fluppe in der Fresse stand Jimmy vor ihm, das linke Bein auf einen unsichtbaren Gegenstand aufgestellt, den linken Unterarm auf den Oberschenkel gestützt, und blickte in die Ferne. Das heißt, seit einiger Zeit schien er öfters auch einmal die gegenüberliegende Wand anzustarren - böse und verächtlich.
Auf der gegenüberliegenden Wand hing das zweite Poster, dass das Zimmer schmückte; die Muttergottes in dunkelblauem Gewand; ein heller Hintergrund machte dem Betrachter beim ersten Blick die Göttlichkeit dieser Frau klar, ließ daran keinen Zweifel. Zwischen ihren vor der Brust erhobenen Händen schwebte so eine Art schwarzer Rhombus von dem ein goldener Glanz ausging - das musste der Hort der göttlichen Energie sein.
Es gefiel ihm nicht sonderlich, wie Jimmy dieses Poster neuerdings ansah. Die Muttergottes war ihm wichtig - er liebte sie, er musste sie lieben! Er wusste, wenn er es nicht tat würde sie ihn mit der Hölle bestrafen - oh Gott, wie sehr er sie eigentlich fürchtete! Sie wusste alles über ihn und seine Sünden!
Auch Jimmy wusste davon - aber woher? Es schien als würde er die Gottesmutter von ganzem Herzen hassen, wieso sonst sollte er so böse auf die andere Seite des Zimmers sehen? War er mit dem grünen Teufel im Bunde, entstammte er der selben Hölle die sich hinter seinem eigenen Poster abzeichnete, deren Eingang oder Guckloch oder was auch immer sich hinter dieser coolen, verlogenen Rebellenfassade zu verstecken schien?
Als er nun so in seinem Bett lag, sein kleines Zimmer, die Hausverwaltung nannte das ein Appartement , von fahlem Grau eines heraufdämmernden, offensichtlich regnerischen Spätsommertages nur schwach erhellt, sah er sich den Teufel etwas genauer an. Es konnte auch eine Art Eidechse sein, groß wie ein Mensch, die Augen nun nicht mehr funkelnd, eher tiefschwarze Verdammnis. Tatsächlich schien sich die Gestalt andauernd zu verändern; jetzt rotbraun wie sterbende Algen in einem stinkenden Tümpel.
Das Grauen kam - der Teufel war da, es gab keinen Zweifel! Schnell die Augen schließen, ein kurzes Gebet - als er die Augen öffnete war die Erscheinung verschwunden; hatte er nicht das Rascheln gehört wie das Poster zurückgezogen wurde? Kein Feuerschein, kein Teufel - alles war wie immer; und vielleicht, hoffentlich, nur eine Einbildung, der Rest eines Traumes!?
Es war 5 Uhr 30. Er musste zur Arbeit.
Nach dem Blick aus dem Fenster ein kurzes Morgengebet; Bitte um Schutz vor der Sünde - das war unbedingt nötig und sollte den Herrgott für diesen Tag gnädig stimmen. Dann der Gang ins Badezimmer. Als er dieses betrat gefror ihm das Blut: in seinem fensterlosen Bad hatte er einen Strauß aus fürchterlich rosafarbenen Plastikrosen stehen, jedes Mal wenn er das Badezimmer betrat sangen ihm diese eine wunderschöne Melodie - eine Melodie die nur für ihn bestimmt war, die keine fremden Ohren jemals hören sollten, ein göttliches Geschenk das er erst vor Kurzem bekommen hatte. Heute waren die Rosen stumm; es schien, als ob ihre Plastikblüten zu welken begonnen hätten.
Er wusste dass etwas Schreckliches seinen Lauf begann.
Später einmal würden ihm die Leute erzählen, dass seine Schwierigkeiten nicht erst mit diesem Tag begannen, aber davon wusste er jetzt noch nichts.