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Als Martha die Tür ihres Fachwerkhauses aufschließt, wartet der kleine schwarze Kater mit dem dreieckigen Fleck auf der Brust schon auf sie und maunzt fordernd. Sie streichelt ihm über den Nacken und streut Trockenfutter in die Schale.

»Na, du kleiner Herumtreiber, wo warst du denn?«

Das Tier beachtet sie nicht weiter, sondern steuert direkt auf den Fressnapf zu und stellt sich breitbeinig davor, damit niemand auf die Idee kommt, ihm das Futter streitig zu machen.

Kater sind manchmal wie Männer. Kommen und gehen wie sie wollen. Sofort denkt Martha an Max. Aber bevor der Gedanke an ihn sich richtig breit machen kann, schiebt sich das Bild von Paul vor ihr inneres Auge. Paul. Jetzt ist er schon über zwei Jahre tot. Ein tiefer Seufzer entweicht ihr. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Schon gar nicht sie.

Kaum im Haus, kontrolliert Martha ihr Handy und den Anrufbeantworter. Drei Anrufe in Abwesenheit auf dem Mobiltelefon, zwei auf dem Festnetzanschluss. Max Beckmann. Seit er in Hannover wohnt, ruft er ständig an, macht auf Sehnsucht und redet von Gefühlen. Immer das Gleiche. Noch vor zwei Monaten hätte er alles haben können, aber da hat es ihm nicht gereicht. Da hatte er Angst vor zu großer Nähe. Das hört sich immer gut an. Nähe! Und was war’s? Eines Abends stand diese Vanessa im Dorfkrug, umschlang ihn und begrüßte ihn mit einem Kuss auf den Mund. Einem langen Kuss.

Martha hat es in diesem Moment den Boden unter den |65|Füßen weggezogen. Was hätte sie tun sollen? Lächeln und sich vorstellen? Gestatten: Mein Name ist Martha Landeck. Eigentlich habe ich Max letzte Woche gefragt, ob er mit mir zusammenziehen will. Aber das hat sich ja jetzt wohl erledigt.

Natürlich ist Martha gegangen, ohne etwas zu sagen, ohne Abschiedswort und ohne sich noch einmal umzudrehen. Noch nie hat jemand sie so tief in der Öffentlichkeit verletzt und gedemütigt. Wenn man Schluss machen will, geht das auch anders. Da sollte man auch auf die Gefühle der anderen Rücksicht nehmen.

Was redet sie da? Sie hat es gerade nötig, zu moralisieren. Paul würde noch leben, wenn sie nicht gemeint hätte, ihre neue Liebe ausleben zu müssen. Der Elefant im Glashaus der Gefühle ist sie. Da kann auch ihr erster Ex-Mann noch ein Lied von singen. Bis heute hat er nicht verstanden, dass sie ihn verlassen hat, weil die Beziehung sie gelangweilt hat. Verlassen werden. Genau das ist es. Vielleicht schmerzt sie die Trennung von Max deswegen. Zum ersten Mal hat ein Mann sie verlassen.

Martha streichelt die Katze, die sich an ihrer Wade reibt. Soll Max sich doch mit seiner Vanessa vergnügen. Er hätte sich nur nicht unbedingt eine Frau aussuchen müssen, die fast seine Tochter sein könnte.

Das Telefon klingelt erneut. Martha wirft einen Blick aufs Display: Schon wieder er. Sie zögert, lässt es noch einmal klingeln, dann nimmt sie das Gespräch an.

»Martha, endlich …«

»…«

» … Wie geht es dir? Ich wollte so gerne deine Stimme hören.«

»…«

|66|»Sag doch etwas!«

Das hättest du alles haben können, du Blödmann. Tag und Nacht. Groll steigt in ihr hoch.

»Wie soll es mir gehen?« Sie überlegt einen Moment, dann bricht es aus ihr heraus. »Beschissen geht es mir. Trixi hat vorhin eine Leiche entdeckt, Borgfeld und Streuwald wuseln im Golfclub herum …« Diese weit aufgerissenen Augen, der offene Mund … Martha schluchzt noch lauter, als sie daran denkt.

Beckmann hat mit allem gerechnet, aber nicht mit einem solchen Ausbruch. Beschissen, Leiche, Trixi. Seine alten Kollegen Borgfeld und Streuwald. In was ist Martha jetzt schon wieder hineingeraten?

»Was ist … was ist passiert?«, stammelt er mehr, als dass er redet.

»Das weiß ich doch nicht. Nach dem Golftraining … Trixis Tasche ist umgefallen, die Bälle rollten raus und …« Reiß dich zusammen Martha, lass dich nicht so gehen. Erzähl in vernünftigen Worten, was passiert ist. Los! Ihre Stimmlage ist eine Nuance schriller als sonst, als sie sagt: »… da hat sie den Toten gefunden.«

»Und dann?«

Was ist das für eine blöde Frage? Kann dieser Mann nicht ein bisschen Einfühlungsvermögen zeigen? Den ganzen Vormittag lang hat Martha sich beherrscht. Jetzt kann sie nicht mehr. Sie fängt hemmungslos an zu heulen.

Beckmann ist irritiert. Als das Schluchzen am Telefon sich beruhigt, sagt er in leisem, doch bestimmten Ton: »Ich komme vorbei.«

Martha sieht die Szene im Dorfkrug mit Vanessa wieder |67|vor sich. Vanessas Arme, die Beckmann umschlingen. Vanessas Liebesgesäusel. Trotzdem kommt ihr seine Stimme so vertraut vor. Vielleicht … nein, ermahnt sie die Stimme der Vernunft. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Sag Nein. Leg den Hörer auf.

»Ich weiß nicht«, murmelt sie und möchte am liebsten gleich wieder losheulen.

»Aber ich. In einer halben Stunde bin ich bei dir.«

Erschöpft drückt sie auf die rote Taste ihres schnurlosen Telefons. Sie kann ja immer noch einfach so tun, als ob sie nicht zuhause ist, wenn er kommt.

Tödliche Offenbarung

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