Читать книгу Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert - Страница 35
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ОглавлениеFelix rennt, ohne hinzusehen, weiter, stolpert über eine knorrige Baumwurzel und fällt flach hin. Unter den Knien fühlt er spitze Äste, mit der Nase liegt er in einer Heidelbeerpflanze, atmet den fauligen Dunst gegorener Früchte ein.
Wieder peitscht ein Schuss an ihm vorbei, gefolgt von grölendem Gelächter.
»Hast du den gesehen?« Matusch lacht immer lauter. »Der läuft wie ein Hase.«
Felix krabbelt in gebückter Haltung weiter, sucht Schutz hinter einer Reihe dichter Büsche. Erneut ein Schuss, keine zwei Meter entfernt von ihm. Am Ende des Grabens steht eine dickstämmige Birke. Er wartet den nächsten Schuss ab, dann sprintet er los. Nach drei Sätzen hat er den schützenden Stamm erreicht. Plötzlich hört er Motorengeräusche. Der Nissan nähert sich. Und jetzt?
Ohne nachzudenken, rast er los, spürt weder den Schmerz in den Rippen, noch am Kopf, geschweige denn den an Knien |91|und Waden. Die nächste Kugel trifft den Birkenstamm; da ist Felix aber schon über die ausgetrocknete Furche gesprungen, hat die krumme Kiefer hinter sich gelassen und durchquert ein wogendes weißes Meer von Wollgras, um zu dem schützenden Dickicht zu gelangen. Wieder ein Pistolenschuss, doch dieses Mal in erheblicher Entfernung. Felix atmet durch. Hoffentlich schafft es der Kerl mit dem Auto nicht über den Graben.
Felix macht einen Sprung ins Buschwerk, Zweige peitschen in sein Gesicht. Er rennt, ohne zu denken, quetscht sich durch dornige Sträucher und kommt auf einer breiten Ebene mit Glockenheide heraus. Die Kratzer im Gesicht bluten, aber das bemerkt er genauso wenig wie die anderen Schmerzen. Atemlos drückt er sich an einen Birkenstamm und lauscht. Stille. Außer dem Surren der Insekten ist nichts zu hören. Vorsichtig löst er den Knoten des Knebels, wischt sich mit dem Unterarm über die Lippen und spuckt aus.
»Verdammte Schweine!«, flucht er. Sein Selbstmitleid ist in Wut umgeschlagen. Irgendwie muss er hier heil wieder rauskommen – und dann könnten die beiden was erleben.
Felix atmet einmal tief ein, dann läuft er weiter. Er schlägt einen Haken, überspringt eine Furche, quert eine wildwuchernde Fläche mit Heidelbeeren. Seine Füße laufen wie von alleine. Als er einen tiefen Graben vor sich sieht, springt er hinein und presst seinen Bauch fest auf den moorigen Boden. Die Angst lässt sein Herz bis zum Hals schlagen. Ist es klug, hier liegen zu bleiben?