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Das Vorsichts-Prinzip

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Der kluge Verhandler schweigt

Wenn ich Verhandlungen führe oder ihnen beiwohne, dann beeindrucken mich immer die abgeklärten, souveränen und überlegenen Verhandlungspartner. Früher habe ich mich oft gefragt, was diese besser machen als die Greenhorns, die sich einen Misserfolg nach dem anderen einhandeln. Natürlich haben die alten Hasen manchmal die besseren Argumente und das größere Selbstbewusstsein. Doch sie reden auch weniger und prägnanter. Sie verschwenden keine Worte, geben jedem einzelnen Wort Gewicht. Mit weniger Worten kommen sie weiter. Sie brauchen weniger Worte für dasselbe Ziel – und schweigen den Rest der Zeit. Sie schweigen manchmal doppelt so oft und doppelt so lange wie die Plapperer, sind dafür aber auch doppelt so erfolgreich.

Diese Fähigkeit zum Schweigen in Verhandlungen scheint auch ein Phänomen der Nationalität zu sein. Ein britischer Verhandlungsspezialist eines internationalen Bauunternehmens erzählte mir einmal, dass es schwierig sei, mit Japanern zu verhandeln: »Die verlangen alle halbe Stunde eine Pause, um sich mit ihrer Zentrale daheim abzustimmen.« Die Deutschen seien viel einfacher über den Tisch zu ziehen: »Auch wenn die Verhandlung schon lange die Kompetenzgrenze der deutschen Manager überschritten hat, verlangen die keine Denkpause, sondern verhandeln munter weiter – und reden sich um Kopf und Kragen.« Weil sie reden, anstatt zu schweigen.

Dass es in Verhandlungen manchmal besser sein kann, zu schweigen als zu sprechen, wusste schon der römische Dichter Boethius, als er sagte: »Si tacuisses, philosophus mansisses.« Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben. Philosophen plappern nicht unüberlegt. Heute sind die Philosophen fast ausgestorben. Oder kennen Sie mehr als einen Menschen, der sich überlegt, was er sagt? Der seine Worte weise wägt, bevor er sie äußert?


Bevor man etwas Dummes sagt, schweigt man besser.

Das ist jedem klar. Warum machen es dann so wenige? Weil sie durch ihr Schweigen nicht den Eindruck erwecken wollen, ein wenig begriffsstutzig zu sein. Deshalb plappern sie lieber unüberlegt drauflos. Besser wäre, das Risiko anders auszuräumen, zum Beispiel mit einer Erklärung seines Schweigens: »Das muss ich mir erst einmal durch den Kopf gehen lassen.« Auf so einfache Sätze kommen wir meist nicht. Stattdessen quasseln wir munter drauflos und bereuen es hinterher. Wir tun das auch, weil die meisten Menschen glauben, sie könnten beides gleichzeitig: reden und denken. Das gilt für Routineüberlegungen. Man kann durchaus mit seinem Partner übers Wetter reden, während man sich eine Stulle schmiert. Doch wer das jemals wirklich getan hat, wird sicher bemerkt haben, dass er die Stulle sehr viel ordentlicher und schneller schmiert, wenn er dabei nicht gleichzeitig reden muss.

Man kann nicht gleichzeitig reden und denken

Wer sich diese Unvereinbarkeit vor Augen führt, der wird bald verärgert sein über seine eigene Gedankenlosigkeit beim Reden. Das ging bei mir so weit, dass ich selbst bei so einfachen Fragen wie »Wie geht’s dir?« erst einige Sekunden nachdachte und in mich hineinhörte, weil ich das gedankenlos-reflexhafte »Ja, danke, ganz gut und dir?« so satt hatte und so oberflächlich und unehrlich fand. Übrigens mit unerwarteten Auswirkungen auf meine Gesprächspartner. Die merkten instinktiv, dass ich eine ehrliche, überlegte Antwort gab, und waren dann ihrerseits auch bereit, so ehrlich und offen zu sein. Die Gespräche empfand ich damals als sehr angenehm (meine Gesprächspartner auch). Heute mache ich das nicht mehr ausnahmslos. Was uns einer weiteren Erkenntnis näherbringt:


Sie müssen nicht immer schweigen. Sie können und sollen durchaus wählen zwischen Schweigen und Reden. Aber wenn Sie keine Wahl haben und immer unüberlegt drauflosreden, haben Sie ein Problem. Nämlich mit Ihrer Wirksamkeit.

Auch wenn Sie es nicht bemerken – Ihre Umwelt wird das ganz sicher bemerken. Und darunter leiden. Oder Sie ausnutzen. Denn wer unüberlegt plappert, kann herrlich manipuliert werden. Warum? Siehe oben: weil man eben nicht gleichzeitig scharf nachdenken und reden kann.

Einfach mal die Klappe halten

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