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Vorwort von der Plappersucht
Оглавление»Man redet häufig nur, weil man nicht zu schweigen vermag.« AMBROSIUS VON MAILAND
Ich bitte Sie: Halten Sie doch mal die Klappe!
Viel reden, wenig sagen: die Volksseuche
Sie fühlen sich nicht angesprochen? Sie meinen, dass ich meinen Appell besser an unsere Politiker, Manager, Journalisten und Moderatoren, Ihren Chef, einige Kollegen, miefige Kunden, lärmende Kinder, nörgelige Verwandte und Nachbars Hund richten sollte? Dann sind wohl auch Sie der Meinung, dass um uns herum entschieden zu viel unnützes Zeug geplappert wird. Jede Stunde labern uns die Nachrichten voll, dauernd klingeln Telefon oder Handy, irgendwo läuft immer ein Radio, die lieben Kollegen, Mitarbeiter, Kunden, Kinder und Vorgesetzten texten uns pausenlos zu, Politiker, Manager und Journalisten produzieren eine Sprachlawine, unter der jeder vernünftige Gedanke längst verschütt gegangen ist. Wir leben in einer Sprechblasenzeit. Einer Zeit, in der pausenlos geredet und kaum etwas gesagt wird. Das nervt, das stresst, das zehrt an der Kraft. Was nicht einmal so schlimm wäre …
Viel schlimmer ist, dass die meisten von uns sich von der inhaltsfreien Plappersucht haben anstecken lassen und gleichzeitig nicht bemerken, was sie sich und ihrer Umwelt damit antun. Es vergeht kaum eine Woche, in der ich im Coaching oder im Seminar nicht einen Manager treffe, der sich beschwert: »Ich kann meinen Mitarbeitern sagen, was ich will – die spuren einfach nicht!« Mütter und Väter drücken es in ihrer Kommunikation mit dem Nachwuchs prägnanter aus: »Muss ich denn immer alles erst hundert Mal sagen?« Sie glauben, dass der Sohn faul vor dem Fernseher sitzt, obwohl sie ihn schon dutzendfach ermahnt haben, sein Zimmer aufzuräumen. Dabei ist es gerade umgekehrt: Er sitzt noch dort, weil sie ihn schon dutzendfach ermahnt haben. Der Knirps nimmt seine Erziehungsberechtigten nicht mehr ernst, weil er aus Erfahrung weiß, dass sie ohnehin alles erst hundertmal sagen werden, bevor er tätig werden muss. Er hat gelernt, dass seine Eltern wirkungslos kommunizieren. Sie plappern halt gerne. Der Filius ist ein schlaues Bürschchen. Viel schlauer als seine wortreichen Eltern, die ihren Erziehungsauftrag seltsamerweise mit Geschwätzigkeit verwechseln. Ihr Wort gilt nichts mehr. Nicht einmal bei einem Achtjährigen. Weil sie zu viele Worte produzieren. Weil sie nicht mehr schweigen können.
Je mehr einer redet, desto weniger wirkt er. Quasselstrippen nimmt keiner ernst.
Warum nicht? Weil es jedem Zuhörer einer Plaudertasche sehr schnell peinlich klar wird, dass derjenige, der plappert, keine Ahnung von dem hat, was er verzapft. Je mehr einer redet, desto weniger scheint er sich in dem, wovon er redet, auszukennen. Oder um ein Diktum von Hans Carossa, dem deutschen Schriftsteller, abzuwandeln: »Wer etwas von der Sache versteht, sagt es in drei Sätzen. Wer keine Ahnung hat, braucht dreißig.« Nach diesem Maßstab gemessen scheinen unsere Politiker, Vorgesetzten, Vorstände, Moderatoren, Eltern, Lehrer, Ausbilder und Verwandten mehrheitlich über erschreckend wenig Fachkompetenz zu verfügen. Was Ihnen eigentlich egal sein könnte. Die Frage ist: Warum wollen Sie es ihnen gleichtun? Warum sollte sich ein Mensch selbst zur verbalen Wirkungslosigkeit verdammen wollen? Masochismus? Ignoranz?
Wie schon der Volksmund sagt: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.« Kraftvoll und vielsagend zu schweigen, ist in Zeiten der Wortinflation oft das beste Argument. Nicht immer, aber immer öfter. Ein Argument, das wir so selten benutzen, weil wir die hohe Kunst des Schweigens verlernt haben. Denken Sie an Menschen, die Sie als besonders überzeugend, durchsetzungsstark, authentisch, respektgebietend wahrnehmen. Seltsam, nicht? Das sind alles keine Quasselstrippen. Ihr Wort hat Gewicht, weil sie sparsam damit umgehen.
Schweigen ist das am stärksten unterschätzte sprachliche Wirkmittel
Wer schweigen kann, wer es wieder erlernt hat, erntet damit nicht nur den Respekt seiner Umwelt und eine nie gekannte Wirksamkeit. Er oder sie stößt mit seinem/ihrem Schweigen, in dem die Gedanken wachsen können, in Bereiche der persönlichen Entwicklung und der geistigen Erkenntnis vor, die ihm oder ihr bislang verschlossen waren wie ein fern gelegenes Land, das plötzlich nahe gerückt, erreichbar geworden ist. Nicht umsonst wird in allen Religionen der Welt die Schweigemeditation in der einen oder anderen Form praktiziert: Wer sich verbal der Welt entrückt, der kommt ihr paradoxerweise näher. Und sich. Und seinen Mitmenschen. Und ihrem Respekt. Packen wir die Koffer und machen wir uns auf die Reise in dieses verheißungsvolle Land.