Читать книгу Brauseflocken - totes Kind, liebes Kind - Cristina Fabry - Страница 4
Mittwoch 25. Mai 2016
ОглавлениеSigrid Röthemeier zog ein letztes Mal mit der Harke über die krümelige Grab-Erde. Sie war heute Nachmittag schon auf dem Hiller Friedhof beim Grab ihrer Eltern gewesen, jetzt sah auch das Grab der Schwiegereltern für den Feiertag tip top aus. Vor der Hecke, die den Friedhof umgab, heulte ein Motorrad auf. „Manche Leute haben einfach keinen Respekt.“, dachte sie. Sie versteckte die harke im unteren Bereich der Hecke, wie das fast alle auf dem Nordhemmer Friedhof taten. Dann entschloss sie sich zu einem kleinen Rundgang zur Entspannung. Es war ein heißer Tag. Nur ein leichter Windhauch strich durch die Büsche. Vor ein paar Jahren hätte er die Zweige und Blätter der riesigen Baumkronen bewegt. Fast neben ihrer Grabstelle hatte eine beeindruckende Rotbuche gestanden, aber auch fünfzigjährige Birken, Schiffsmast-lange Kiefern und eine fruchtreiche Wildkirsche hatten dem kleinen Dorffriedhof den Charakter eines altehrwürdigen Schlossparks verliehen. Den Mittelpunkt bildete ein Betonkreuz in vermeintlicher Golgatha-Originalgröße, abgestützt von einer oxidierten Eisenstange und umgeben von violetten und gelben Stiefmütterchen in krümeliger, schwarzer Grab-Erde. Die dichten Eiben-Hecken in Kniehöhe, die die Grabstellen vom Weg und voneinander abgrenzten, erinnerten erst recht an einen klassischen Barockgarten. Aber das Abholzen der Bäume hatte die wildromantische Idylle in ein flurbereinigtes, ostwestfälisches Gräberfeld verwandelt. Die Bäume hatten ihren Tribut gefordert: Ein Mann war beim Fällen der Rotbuche gestorben. Als sein Kolleg sich abmühte, die verkeilte Kettensäge aus dem Stamm zu reißen, landete das Werkzeug in seinem Unterleib und ließ ihn innerhalb weniger Minuten verbluten. Jedes Mal, wenn Siegrid Röthemeier den Baumstumpf ansah, ließ sie die Erinnerung an dieses Ereignis erschaudern.
Sie schlenderte die fein geschotterten Wege entlang, vorbei an sehr alten Grabsteinen, aber auch an frischen Gräbern. In der Mitte des Friedhofs war heute das Grab für Gisela Wiebeking ausgehoben worden. Sie hatte ihren Mann nur um zwei Jahre überlebt, er war 2014 brutal ermordet worden und nun saß ihr Sohn Heiko allein auf dem Hof. Nachdenklich blieb Siegrid Röthemeier allein vor dem Grab stehen. Die neben der Öffnung aufgeschichtete Erde wirkte irgendwie unordentlich, keine klare Silhouette wie normalerweise. „Welcher Schlunz war denn da am Werk?“, dachte sie. „Hat der die Grube überhaupt ordentlich ausgehoben?“
Sie stieg über die Hecke und sah ins offene Grab. Sie glaubte nicht, was sie da sah, es war zu entsetzlich. Aber als müsste sie sich jede Sekunde selbst überzeugen, dass sie keiner Sinnestäuschung aufgesessen war, schaffte sie es nicht, den Blick abzuwenden. Zwei wie weggeworfen, verrenkte, blutverschmierte Körper lagen in der Grube. Ein Junge und ein Mädchen. Sie schrie und weinte, zitterte und schrie von neuem, bis ihr nach einer Ewigkeit Anneliese Gieseking und Ilse Buhrmester zur Hilfe eilten – um dann selbst vor Fassungslosigkeit zu erstarren.
Anneliese Gieseking war die erste, die es wieder schaffte, klar zu denken. Sie lief zum Parkplatz, um nach Hause zu fahren und die Polizei zu informieren. Zum Glück traf sie an der Pforte Kerstin Gudat, die ein Mobiltelefon dabei hatte. Nun hielten alle vier Frauen Wache am Grab und warteten auf die Polizei. Anneliese Gieseking sagte: „Das sind, glaube ich, Tiemanns Nele und Borcherdings Sören.“
„Von Borcherdings von der Besenstraße?“, fragte Ilse Buhrmester mit bebender Stimme.
„Ja, von dem Thorsten, aber der hat ja Schlüters Heike aus Buschhausen geheiratet und die haben doch da auf unserem Land gebaut. In den Eichen heißt das doch jetzt.“
„Ich hätt' die beiden nicht erkannt.“, schluchzte Siegrid Röthemeier. „Ich kannte die auch kaum und dann sind die so schrecklich zugerichtet. Hört das hier denn nie auf? Vor zwei Jahren Brammaars Karl und der Pastor und der Holzhauser Küster und jetzt sogar zwei Kinder.“
„Na, der Mörder von damals kann es jawohl nicht gewesen sein.“, sagte Anneliese Gieseking. „Den haben sie ja geschnappt, der sitzt ja hinter Schloss und Riegel.“
Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis ein Streifenwagen eintrudelte, um den Tatort zu sichern und erste Zeugenbefragungen durchzuführen. Nach einer weiteren Stunde fand sich die Bielefelder Mordkommission ein. Ein zerknautschter Mittfünfziger und seine hübsche, junge Kollegin stiegen über die Absperrung.
„Und was haben wir hier?“, fragte der Mann übellaunig.
„Sind Sie nicht Kriminalhauptkommissar Keller? Stefan Keller?“, fragte einer der örtlichen Streifenpolizisten.
„Kennen wir uns?“, lautete Kellers argwöhnische Gegenfrage.
„Wir haben vor zwei Jahren schon einmal zusammengearbeitet.“, antwortete der Beamte. „Der Serienmörder, der alle beschnitten hat. Ich bin Polizeiobermeister Lutz Helling.“
„Ach so.“, sagte Keller. „Ja, ich erinnere mich. Ich hatte eigentlich gehofft, nie wieder in dieses gottverlassene Nest zurückzukehren. Wo sind denn die Leichen? Es sind doch zwei, oder?“
Stumm zeigte Polizeiobermeister Helling in das offene Grab. Kommissarin Sabine Kerkenbrock war bereits vorgetreten, gab einen leisen Aufschrei des Entsetzens von sich und biss sich in die Knöchel der rechten Faust. Keller blickte in das dunkle Loch und merkte, wie auch ihm alles Blut in die Beine sackte. „Oh mein Gott!“, stieß er hervor. Die kleinen Kinderkörper lagen verrenkt und ineinander verkeilt in der feuchten dunklen Erde, teilweise vom krümeligen Sandboden und festen Lehmklumpen bedeckt. Die Köpfe waren blutig und deformiert, die Kleidung schmutzig und zerrissen. Sie sahen aus, als wären sie unter die schweren Stiefel einer Rotte von Skinheads geraten. Die Beamten der KTU machten Gipsabdrücke von Fußspuren, sammelten Fasern und andere Kleinteile ein, etikettierten und fotografierten. Schließlich wurden die Kinder aus dem Grab gehoben. Die Totenstarre hatte noch nicht eingesetzt, sie waren also vor höchstens drei Stunden gestorben. Gerichtsmedizinerin Konstanze Flegel nahm die kleinen Leichen in Augenschein und sprach ihre ersten Beobachtungen in ein Diktiergerät: „Zwei Kinder zwischen sieben und zehn Jahren, keine Leichenstarre, deutlich verringerte Körpertemperatur, beim Jungen rechte Gesichtshälfte mit starken Prellungen, Knochenbrüchen und offenen Wunden übersät, Knochenbrüche an Unterarmen und Händen, linke Kniescheibe heraus gerutscht, innere abdominale Verletzungen nicht auszuschließen. Beim Mädchen Nasenbeinbruch, herausgebrochene Schneidezähne, Hämatome am Hals, unnatürliche Stellung des Kopfes, also Verrenkung oder Bruch der Halswirbelsäule, ebenfalls Hinweise auf abdominale innere Verletzungen, zahlreiche Schürfwunden an den Extremitäten.“
„Was ergeben die Zeugenaussagen?“, wandte Keller sich an Polizeiobermeister Helling. Der teilte den Kommissaren detailliert den genauen Ablauf des Leichenfundes und die vermeintliche Identität der Opfer sowie deren Adressen mit. Sabine Kerkenbrock machte sich Notizen. „Hat schon jemand die Angehörigen informiert?“, fragte sie.
„Von uns keiner.“, antwortete Polizeiobermeister Helling. „Ich weiß aber nicht, ob die Zeugin mit dem Mobiltelefon in der Zwischenzeit jemanden angerufen oder eine SMS verschickt hat.
Eine Frau mit aufgeschrecktem Blick näherte sich dem Tatort. Kerkenbrock machte Keller wortlos darauf aufmerksam. Der wandte sich an die Zeuginnen und raunte: „Ist die Frau da drüben mit einem der Kinder verwandt?“
„Nein.“, antwortete Anneliese Gieseking. „Das ist Iris Sander. Ihr Vater ist vor ein paar Monaten gestorben, wäre heute neunzig geworden. Sie will bestimmt sein Grab besuchen.“
Iris Sander kam langsam näher. Als sie den Tatort fast erreicht hatte, ging Anneliese Gieseking ihr entgegen.
„Was ist denn hier los?“, fragte sie verstört. Sie war groß und schlank, trug leger geschnittene Kleidung aus Leinen oder Hanf, halboffene Edel-Öko-Schuhe und stufig geschnittenes schulterlanges Haar mit blonden Strähnen. Ihr hageres Gesicht mit den riesigen, blauen Augen wirkte auf Kerkenbrock irgendwie asymmetrisch. Sie wusste nicht warum, aber dieses Attribut setzte sich augenblicklich fest in ihrem Kopf und verschmolz untrennbar mit dieser unkonventionellen Frau, die sie auf Mitte Vierzig schätzte.
„In Brammaars Giselas Grab lagen zwei tote Kinder. Borcherdings Sören und Tiemanns Nele. Sieht aus, als wenn sie jemand erschlagen hat.“
„Oh Gott, wie schrecklich!“, entfuhr es Iris Sander. „Wer tut denn so etwas?“
„Das weiß noch keiner.“, antwortete Anneliese Gieseking. „Du wolltest sicher zum Grab von deinen Eltern, oder?“
„Nein, nein. Ich habe heute Nachmittag schon ein paar Vergissmeinnicht aufs Grab gepflanzt. Ich war bei Simone und hab' mich umgezogen und wollte jetzt einen Spaziergang machen, da hab' ich hier die ganzen Polizeiautos gesehen. Ich geh' dann mal wieder. Will ja nicht im Weg rumstehen.“
„Bist du morgen auch bei Nicole?“, fragte Anneliese Gieseking.
„Ja sicher.“, antwortete Iris Sander und zog sich dann grußlos zurück. Kerkenbrock eilte ihr hinterher. „Entschuldigung, Sabine Kerkenbrock mein Name. Ich ermittle in diesem Mordfall und habe Ihr Gespräch mit angehört. Sie waren heute Mittag hier?“
Doch Iris Sander hatte ebenfalls nichts Außergewöhnliches bemerkt, gab der Beamtin aber für alle Fälle ihre Personalien. Die Polizistin reichte der Zeugin eine Visitenkarte und ging dann zum Fundort zurück.
„Konstanze Flegel sagt, es waren brutale Schläge mit einem stumpfen Gegenstand, möglicherweise auch Tritte, die die Kinder getötet haben, und sie sind vor höchstens drei Stunden gestorben. Alles Weitere erfahren wir morgen. Wer war die Frau?“
„Eine neugierige Zeugin, vermutlich wertlos. Suchen wir jetzt die Familien auf?“
„Ja, und wir haben wieder einmal nur eine Polizeipsychologin, aber die hat schon den Krisendienst alarmiert. Wohin gehen wir zuerst?“
„Zu den Eltern des Mädchens. Das Haus liegt am nächsten.“
Das Haus der Familie Tiemann lag im Herzen des Dorfes wie ein Fremdkörper. Zwischen Jahrzehnte-alten Ziegelbauten stand dieser weiß verklinkerte Betonquader wie aus dem Lego-Baukasten, umgeben von Waschbetonplatten, Kiesbetten, Koniferen, vertikutiertem Rasen und bepflanzten Schalen. Vor der weißen Plastikhaustür mit konvexen Butzenglasscheiben hing ein Kranz aus Weidenzweigen, der mit bunt lackierten Laubsägearbeiten übersät war. Ein Angriff auf den guten Geschmack, wie Kerkenbrock fand, aber sie verdrängte ihre abwertenden Gedanken und konzentrierte sich auf ihren Arbeitsauftrag. Keller drückte den Klingelknopf, ein dumpfer Gong ertönte und kurz darauf öffnete eine junge Frau mit glühenden Wangen im sommerlichen Freizeitdress die Tür.
„Mein Name ist Sabine Kerkenbrock und das ist mein Kollege Stefan Keller. Wir sind von der Kriminalpolizei. Dürfen wir hereinkommen, Frau Tiemann?“
Silvia Tiemann blickte verständnislos vom einen zum anderen, auf die Polizeiausweise und auf die Psychologin, die sich noch nicht vorgestellt hatte.
„Was - was ist denn passiert?“, stammelte sie.
„Das würden wir Ihnen gern drinnen mitteilen.“, erklärte Keller. „Können wir uns irgendwo setzen?“
„Drinnen muss gerade die Fußbodenemulsion antrocknen, aber wir können hier durch zur Terrasse gehen, da sitze ich gerade.“
Durch einen schmalen Flur ging es zu einer Hintertür, die direkt in den Garten führte. Silvia Tiemann leitete sie zur Terrasse. Auf dem Tisch stand eine Wasserflasche und ein halb volles Glas. „Wollen Sie was trinken?“, fragte die Hausherrin.
„Nein Danke.“, sagte Keller. „Setzen Sie sich doch bitte.“
„Sie machen mir vielleicht Angst.“, sagte Frau Tiemann und nahm langsam in einem der gepolsterten Gartenstühle Platz.“
„Ist Ihre Tochter Nele zu Hause?“, fragte Kerkenbrock vorsichtig.
„Nee, die zieht mit ihrem Kumpel Sören um die Häuser. Wieso? Hat sie was angestellt?“
„Es wurden eben auf dem Friedhof zwei tote Kinder gefunden.“, erklärte Kerkenbrock. „Eine Frau Gieseking hat die Kinder erkannt als Ihre Tochter Nele und Sören Borcherding.“
Die junge Mutter starrte sie an und sagte nichts. Dann begann sie langsam und schließlich immer schneller mit dem Kopf zu schütteln. „Das ist nicht wahr. Das glaube ich nicht. Das kann nicht wahr sein.“, stammelte sie.
„Möglicherweise handelt es sich um ein anderes Mädchen.“, erklärte Keller, dann fuhr er vorsichtig fort: „Andererseits, wenn Sie sagen, dass sie mit Sören Borcherding zusammen war, da liegt es ja nahe, anzunehmen...“
„Was ist denn passiert?“, fragte Frau Tiemann mit bebendem Kinn.
„Das wissen wir noch nicht genau.“, erklärte Keller, „Alles weist auf ein Gewaltverbrechen hin.“
„Vergewaltigung?“, hauchte die fassungslose Mutter.
„Das höchstwahrscheinlich nicht.“, beeilte sich Kerkenbrock, zu erklären. „Die Kinder wurden allem Anschein nach erschlagen. Wissen Sie, ob sie auf dem Friedhof gespielt haben?“
„Kann sein. Die sind da manchmal hin und haben Verstecken gespielt. Sören kam heute Mittag gleich nach der Schule, da waren sie erst auf dem Trampolin und dann wollten sie Waveboard fahren. Vielleicht sind sie da zum Friedhof...Aber wer erschlägt achtjährige Kinder und warum? Und wo ist Nele jetzt? Kann ich sie sehen?“
„Sie wird in Minden obduziert.“, erklärte Keller. „Sie werden sie ohnehin identifizieren müssen. Sie können dorthin kommen, sobald Sie soweit sind.“
„Frau Tiemann“, mischte sich jetzt die Psychologin ein. „Ich bin Beate Bünting und hier, um Ihnen fürs Erste zur Seite zu stehen, die Beamten müssen weiter. Gibt es jemanden, den Sie anrufen wollen?“
Sie antwortete nicht und stand auch immer noch zu sehr unter Schock, um in Tränen auszubrechen. Keller und Kerkenbrock verabschiedeten sich fürs erste, kündigten aber an, am folgenden Tag wiederzukommen.
Als die Polizisten zum Elternhaus des zweiten Mordopfers gelangten, wartete bereits ein Mitarbeiter des psychologischen Krisendienstes im Auto. Familie Borcherding bewohnte ein rot verklinkertes Einfamilienhaus in einem in den achtziger Jahren entstandenen Kleinstneubaugebiet. Der Garten, der von unterschiedlichsten üppig wuchernden Büschen umsäumt war, wirkte weniger steril als das Grundstück der Familie Tiemann. Auch hier stellten sich die Beamten vor, wurden allerdings zunächst von Sörens kleinem Bruder empfangen, der seinen Vater an die Tür holte. Der bat sie ins Wohnzimmer, wo Vater und Mutter mit dem Kleinen eine Playmobil-Landschaft aufbauten. Auch hier fragten die Beamten zunächst nach Sören und bekamen die Auskunft, dass er sich bei Nele aufhalte. Der Psychologe gab sich alle Mühe, den Kleinen vom Gespräch der Erwachsenen abzulenken, indem er sich von ihm ausführlich die Playmobil-Landschaft erklären ließ.
„Wir glauben, dass Sören etwas zugestoßen ist.“, erklärte Keller leise.
„Ich verstehe nicht.“, hakte Thorsten Borcherding nach. „Ist er nicht bei Nele?“
Kerkenbrock schüttelte den Kopf, dann sagte sie mit gedämpfter Stimme: „Man hat einen Jungen und ein Mädchen auf dem Friedhof gefunden und wir gehen davon aus, dass es sich um Sören und Nele handelt.“
Heike Borcherdings Kehle entfuhr ein heiserer Schrei, dann wandte sie sich an ihren jüngeren Sohn: „Nico, komm, wir müssen noch die Kaninchen füttern, die Polizisten wollen allein mit Papa reden.“ Sie eilte mit dem Kleinen in den Garten, der Psychologe folgte den beiden.
„Die Kinder wurden brutal erschlagen.“, erklärte Keller dem verstörten Vater. Sie müssen uns jetzt nicht alles erzählen, wir kommen morgen noch einmal wieder, aber ist Ihnen an ihrem Sohn oder an seinem Umfeld in der letzten Zeit irgendetwas Besonderes aufgefallen?“
Thorsten Borcherding schüttelte mit dem Kopf. „Er war ein ganz normaler Junge, ein bisschen wild vielleicht, frech und
vorlaut. Aber er war ja noch ein Kind, ein achtjähriger Junge. Die sind ja nicht in was Kriminelles verwickelt. Was sollte mir da schon auffallen?“
„War er verändert?“, fragte Kerkenbrock. „Entwickelte er neue Gewohnheiten, wirkte ängstlich oder geheimnisvoll?“
„Nein. Er war genauso wie immer.“ Nach kurzem Schweigen fuhr er fort: „Wenn ich die Drecksau erwische, die das getan hat, mach ich den fertig!“
„Das überlassen Sie bitte uns.“, erwiderte Keller.
Als die Polizisten sich verabschiedeten und der Psychologe seine weitere Unterstützung anbot, lehnte Thorsten Borcherding dankend ab. Kerkenbrock warf einen letzten Blick in den Garten, auf das trügerische Familienidyll vor den Kaninchenställen. Nichts würde mehr so sein, wie es war.