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Edith und der Lehrausbilder

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Das legendäre Punkthochhaus „PH16“ war einst ein Eldorado für gesellige Menschen, denn es war der höchste in Serie gebaute Plattenbautyp der ganzen Republik. Es hatte sechzehn Etagen, und pro Etage hatte es neun Wohnungen, in denen je zwei bis drei Personen lebten. Carli wohnte nun also zusammen mit rund vierhundert Bewohnern in einem Haus. Alle wollten liebend gern Carlis Freunde werden. Das ist leider nicht allen gleichermaßen gut gelungen. Manche haben es aber doch geschafft. Die Edith aus der dritten Etage zum Beispiel. Die Edith hatte einerseits Glück, denn als sie wieder einmal zum Sonnenbaden aufs Dach des Hochhauses fuhr, traf sie Carli im Fahrstuhl. Andererseits war es nicht nur Glück. Edith war prädestiniert, eine Freundin von Carli zu werden, denn sie war Zahnarztgattin und Stomaschwester, und Carli liebte seit jeher alles, was mit Medizin zusammenhängt. Außerdem war Edith eine begeisterte Konzertgängerin. Trotz größter Bemühungen hatte sie jedoch noch keine Karten für Carlis Konzerthaus ergattern können. Deshalb fragte sie ihn im Fahrstuhl stehenden Fußes, ob er ihr nicht Konzertkarten besorgen könne. Für seine Fans tut Carli nun seit jeher fast alles. Er versprach also, sich um Karten zu kümmern, und tatsächlich fand Edith ihre ersten Konzerthauskarten wenige Tage später in ihrem Briefkasten. Das war der Beginn einer langen und tiefen Freundschaft. Die innigen Bande gingen so weit, dass Edith schon bald die große Ehre hatte, mit Carli nächtelang in seiner Wohnung Noten zu kleben. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. So geschickt wie Edith waren allerdings nicht alle Hochhausbewohner. Herr Georgi zum Beispiel, ein Lehrausbilder mit über dreißig Jahren Berufserfahrung, hatte die besten Voraussetzungen, ein enger Vertrauter Carlis zu werden, denn er wohnte nicht fernab in der dritten, sondern in der vierzehnten Etage. Herr Georgi hatte die Wohnung direkt unter Carli, ein Glück, von dem andere Menschen nur träumen konnten. Doch Herr Georgi wusste dieses Glück nicht zu schätzen. Niemand kann sagen, wie es zugegangen ist. Möglicherweise hat Carli daheim hin und wieder eine nächtliche Soiree veranstaltet. Denkbar auch, dass Carli ab und zu seine unnachahmliche Mitternachtspolka getanzt hat. Herr Georgi hatte dafür aber weder Auge noch Ohr. Er war eben kein Kunstkenner. Trotzdem ist er in dem mit dem Münchhäusner Hebbenich-Oscar ausgezeichneten Film „Die Kunst nach Fug und Recht“ zu einiger Berühmtheit gekommen. Die mit dem nötigen zeitlichen Abstand gedrehte Dokumentation feiert Carli als Popstar, Revoluzzer und größten Interpreten aller Zeiten neben Glenn Gould. Doch der siebzigminütige Streifen leistet noch mehr. Der Filmemacher hat sein Möglichstes getan, sich auch in die Rolle des Carli-Untermieters im „PH 16“ hineinzudenken. Sehr wahrscheinlich hat sich der Filmemacher sogar heimlich irgendwo als Untermieter von Carli eingenistet. Anders ist kaum erklärbar, dass er die Leistung Georgis so einfühlsam schildert, ihn gar lobpreist als Herrscher der Bockwürste, der ein Blockwart- und Zwergengetöse veranstaltet.


Carli macht Karriere

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