Читать книгу Carli macht Karriere - Cristina Zehrfeld - Страница 8
Ämterhäufung
ОглавлениеCarli hatte schnell einige Berühmtheit erlangt und stand nun unübersehbar im Rampenlicht. Deshalb wollten viele Menschen mit ihm zusammenarbeiten oder sich zumindest mit seinem Namen schmücken. Weil Carli nun aber schon immer schwer „nein“ sagen konnte, kam es, wie es kommen musste: Carli wurde inzwischen von seinen unzähligen Ämtern schier erdrückt. Dies, obwohl sich Carli nie an irgendeinen Posten herangedrängelt hatte. Einige seiner Posten bekleidete Carli freilich schon sehr lange und mit dem allergrößten Vergnügen. Nach wie vor organisierte er etwa als künstlerischer Leiter die Abendmusiken in der Bergkirche Oybin. Andere Ämter waren ihm ohne sein Zutun aufgedrückt worden. Bei der Ortsgruppe der Christlich-Demokratische Union in Leipzig/Grünau wurde Carli zum Beispiel als stellvertretender Anwesenheitsprüfer geführt. Allerdings hat er das selbst gar nicht gewusst, weil er die Parteiversammlungen prinzipiell schwänzte. Zu allem Überfluss war Carli innerhalb des Konzerthauses auch noch zum Vokabelverantwortlichen der Betriebsgruppe der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft berufen worden. Carli wollte das nicht, denn jeder dieser Posten war wichtig und erforderte vollen Einsatz. Trotzdem hatte Carli manchmal gar keine Chance, neue Aufgaben abzulehnen. So hatte der Konzertmeister des Konzerthausorchesters vor vielen, vielen Jahren das sogenannte Barockorchester gegründet, welches sich vor allem dem Werk des überaus berühmten Sebastian Barock widmete. Fast zwanzig Jahre hatte das Ensemble die Dienste des renommierten Cembalisten Herrn K. in Anspruch genommen und war damit sehr zufrieden. Doch nun war Carli da, und das Barockorchester wollte nur noch mit ihm musizieren. Immer wollen wahre Künstler nur mit den Besten ihrer Zunft zusammenarbeiten. Natürlich hat Konzertmeister Bussi das nicht offen zugegeben, sondern behauptet, dass der Konzerthausorganist automatisch und zwingend auch der Cembalist des Barockorchesters sein muss. Herr K. war deswegen sehr traurig. Carli war nicht traurig. Ein Amt mehr, so sagte er, mache das Kraut nun auch nicht mehr fett.