Читать книгу Alles anders, aber viel besser - Dagmar Glüxam - Страница 10
Vorgeschichte
ОглавлениеÜber die Ursachen vom Brustkrebs wird nach wie vor diskutiert, sie konnten aber bis jetzt nicht eindeutig geklärt werden. Warum eigentlich nicht? Weil es, wie der geniale und scharfsinnige Journalist Tiziano Terzani auf S. 86 seines Buchs Noch eine Runde auf dem Karussell bemerkt, vielleicht leichter ist, ein Mittel gegen Krebs zu finden als seine Ursache? Und weil es vielleicht weniger kompromittierend ist? Wenn ich nachdenke, muss ich ihm recht geben. Allzu groß ist die Gefahr, dass man bei der Ursachenforschung auf Tatsachen stoßen könnte, die den wirtschaftlichen Ambitionen der großen Interessengruppen vielleicht gar nicht gefallen würden: der Lebensmittelindustrie, insbesondere der Fleisch- und Milchindustrie, der Kosmetikindustrie und vielen anderen. Wo man hinsieht, wird mit Umweltgiften gearbeitet, von hormon- und pestizidverseuchtem Fleisch, Gemüse und Obst ganz zu schweigen.
Wie dem auch sei – ein renommierter Wiener Frauenarzt, den ich nach meiner Operation konsultierte, erklärte mir, dass die Disposition irgendwann in der Pubertät entstehe und dass es dann nur eine Frage der Zeit bzw. der Umstände sei, wann diese Krankheit ausbräche. Die allgemein anerkannten Risikofaktoren, über die man ausreichend in den Gesundheitsrubriken diverser Zeitschriften informiert wird, sind allgemein bekannt: Übergewicht, Rauchen, erhöhter Alkoholkonsum, die Einnahme von Hormonpräparaten inklusive der Pille, späte Geburten, kein Stillen, Stress, ungesunde Lebensweise. Bis auf den Stress – unter dem viele Frauen leiden, die dennoch nicht erkranken – trafen sämtliche Risikofaktoren auf mich nicht zu. Daher dachte ich mein Leben lang, dass ich mich, zumindest was den Brustkrebs betrifft, auf der sicheren Seite bewegen würde. Ich war immer eher schlank, in überzeugter Haltung gegenüber meiner Mutter, die stets mit dem Übergewicht kämpfte (oder besser gesagt nicht kämpfte). Da sie an hohem Blutdruck, ständigen Kopfschmerzen und massiven Gelenkbeschwerden litt, lieferte sie mir unwillkürlich drei ausreichende Gründe dafür, auf mein Gewicht zu achten. Ich rauchte nie, trank fast keinen Alkohol, nahm nie die Pille, mein erstes Kind bekam ich mit 25 Jahren und stillte beide Kinder gewissenhaft und lange. Das Stillen betrachtete ich nicht nur als die beste Form der Ernährung für meine Kinder, sondern auch als Brustkrebsprophylaxe für mich.
Aufgrund der zusätzlichen Informationen, die ich in den drei Jahren nach der Diagnose bekommen habe, muss ich allerdings sagen, dass es in meinem Leben mehrere ungünstige Umstände gab, die meiner Gesundheit abträglich waren, wie etwa die geradezu himmelschreiende Unfähigkeit, die Alarmsignale meines Körpers und meiner Seele wahrzunehmen, meine außerordentlich ausgeprägte Fähigkeit, überaus sensibel auf die Bedürfnisse anderer Menschen, dafür aber nicht auf meine zu achten, der exzessive, über Jahrzehnte betriebene Raubbau an meinem Körper, langjährige Depression gepaart mit Burnout, Mobbing im Beruf sowie eine tragische Häufung von Todesfällen in meiner Familie innerhalb weniger Jahre. Die einzelnen Faktoren in ihrer konzentrierten Form ergaben, wie sich zeigte, eine hochexplosive Mischung, die – so bin ich überzeugt – zur Entstehung des Krebses führte.
Sollte ich mein Leben bis zur Diagnose kurz mit einem Satz kurz charakterisieren, müsste ich sagen: Es war eine Jagd nach Liebe und Anerkennung, koste es, was es wolle. Man sagt über ehrgeizige Menschen, dass sie über Leichen gehen – ich war bereit, über meine eigene zu stolpern.