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ОглавлениеDani und Jules
„Hey, kleines Kätzchen! Heute schon miaut?“
Bei dieser plump-dreisten Anmache konnte Dani nur seufzend die Augen verdrehen.
Durfte sie nicht einmal den Weg durch die Stadt nehmen, ohne von hormongesteuerten Idioten belagert zu werden? Wie kamen die überhaupt auf den Gedanken – wenn diese Sorte Kerl denn dachte – dass sie auf ein solch billiges Angebot anspringen würde? Sagte ihre ganze Ausstrahlung nicht schon: „Mach mich dumm an und du wirst es bereuen“?
Offenbar nicht.
Ein leichtes Knurren entwich ihrer mit Spinnen tätowierten Kehle und das silberne Piercing in der rechten Braue zuckte, weil sich ihre Stirn in Falten legte. Mit einer leichten Handbewegung strich sie sich eine violett gefärbte Haarsträhne aus der Sicht und wandte ihr hübsches Gesicht diesem verhassten Macho zu, die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr blauäugiger Blick aus den mit Mascara und Lidschatten dunkel geschminkten Augen sprach Bände.
Doch der Mann verstand immer noch nicht, dass der Ofen für ihn aus war.
„Na, haste mal Bock auf was Großes?“, fühlte der sich wohl in seinen lächerlichen Avancen bestätigt und grinste dämlich, die weißen Zähne zeigend. Er war viel größer als ihre eins siebzig und schien im Fitnessstudio heimisch zu sein. Dunkle Haare, braune Haut, bartloses Gesicht und gekleidet wie ein Yuppie – mit Polohemd, Wollmantel und Markenhose. Ein überheblicher Typ, der meinte, bei jeder Frau punkten zu können, wenn er mit einem Hunderter wedelte.
Fehlanzeige bei ihr, allein für seinen Stil.
Gegen seine geschniegelte Gestalt wirkte Dani für unwissende Normalbürger heruntergekommen. Ihre arg verbeulte schwarze Lederjacke mit Nieten und abgetragenem Skelettaufdruck schrie nach gesellschaftlicher Rebellion und ihre rot karierte Jeans hing Riss an Riss, dass ihre Blässe durch die losen Fasern blickte. Für ihren schlanken Körper trug sie zu wuchtige Stiefel mit geschraubten Sohlen.
Jene waren ihr stets von Nutzen gegen Feindschaften der penetranten Art. In dieser Stadt musste sie schließlich immer auf der Hut sein. Zu blöd, dass sie gut aussah … andernfalls hätte sie mehr Ruhe.
Die junge Frau ballte die Fäuste.
Sie war bereit. Ihr Gegenüber nicht.
Der Idiot kam sogar bereitwillig in ihre Reichweite, als er die Hand auf ihre linke Schulter legte und frech behauptete: „Komm schon, Puppe, du willst - !“
Hallo, mein Freifahrtschein zur Notwehr!
Dani packte den kräftigen Arm, verdrehte ihn, dass der Mann ihr noch näher kommen musste, und traf mit drei schnellen Schlägen seine rechte Niere. Keuchend kippte er nach vorn und sie riss ihr Knie hoch, um es gegen seinen Kiefer prallen zu lassen.
Tja, für ihn hieß das ein Gang zum Zahnarzt.
Und offiziell würde sie die Rechnung tragen. Aber wo sie schon mal dabei war …
Halbe Sachen lagen ihr nicht. Zum Abschluss trat sie ihm derb in die Weichteile. Ein eindeutiger Denkzettel, der ihn davon abhalten würde, je wieder eine Frau zu belästigen.
Die umstehenden Menschen blickten auf. Ihre kleine heile Winterwunderwelt war unverhofft von Gewalt durchbrochen worden. Sie passte so gar nicht zu der noch weihnachtlich geschmückten Fassade des allzeit beliebten Einkaufszentrums, in dessen belebter Fußgängerzone sie stattgefunden hatte. Während künstliche Tannenbäume und hohle Geschenke im Schaufenster glänzten, schimmerte nun Blutstropfen und Zähne wie Perlen auf dem Pflaster. Ein Kind begann zu heulen.
Die zwei Freunde des Aufschneiders hielten ihre Glühweintassen fest in der Hand und gafften doof. Wie auch der Verkäufer in seiner Marktholzbude, oder die dralle Dame am Zuckerwarenstand. Alle Gesichter, die Dani anstarrten, wirkten wie eingefroren vom Wind. Eigentlich hätte es in der Straße laut zugehen müssen von all dem Stimmengewirr und den zig Straßenmusikern, die trotz der verblassten Feiertage noch immer „Oh du Fröhliche“ anboten. Doch jetzt waren alle Geräusche verstummt. Allein ihretwegen.
Und nun?
Postwendend schossen ihr zwei Möglichkeiten durch den hübschen Kopf.
1 Sie könnte auf die Polizei warten und sich verteidigen gegen die mit Sicherheit aufkommenden Verleumdungen der Zeugen, die aussagen würden, der Macho hätte bloß einen Scherz versucht, bei dem die asoziale Trulla – natürlich sie – überreagiert hätte.
2 Sie könnte stiften gehen, volle Möhre, und demnächst die Innenstadt meiden. Praktischerweise war sie in aufgedonnerter Ausgehmontur unterwegs, dann würde sie mit schlichter Alltagskluft unter all den Menschen verschwinden. In ein paar Wochen wäre die Sache vergessen, die Polizei hatte bekanntlich andere Sorgen …
Was stand sie also hier rum?
„Tschüssili!“, feixte die Punkerin und huschte davon.
„Hey!“, rief ihr einer brüllend nach und sicher verfolgte derjenige sie auch durch den Strom der Passanten.
Dani aber würde nicht auf ihn warten. Wie ein Wiesel schlängelte sie sich an den Entgegenkommenden vorbei und verschwand im Schutz der Masse. Eine Gruppe der historischen Stadtführung gab ihr Deckung.
Es sollte zudem ihr Glück sein, dass an den Straßenbahnhaltestellen beim Platz der denkmalgeschützten Oper gerade die richtige Tram nach Hause einfuhr. Gleich einem jungen Reh sprang sie die eisernen Stufen hoch und ließ sich in eine der spärlich gepolsterten Plastikmuscheln fallen. Andere Fahrgäste nahmen ihre Sitze gelassener ein und keiner schenkte ihr ausreichend Beachtung.
Wie gut, dass sie mit ihrem extrovertierten Äußeren in dieser kunterbunten, so scheinheilig viel gepriesenen multikulturellen Studentenstadt nicht mehr auffiel als ein Grevy- unter Steppenzebras. Da erweckte der nach Patschuli riechende und mit Glöckchen klingelnde Goth oder der laut Musik hörende Rapper mehr Aufsehen. Der Oi-Skin mit Fliegerjacke und Hund an der Leine zog sowieso alle Blicke auf sich, weil er sein Bier tönend entkronte. Den kümmerten die Regeln noch weniger als sie …
Während die Bahn ratternd anfuhr und an meterhohen Geschäftsgebäuden, verstaubten Museen, lärmenden Baustellen und modernen Hotels vorbeirauschte, sackte das Erlebnis von eben in Dani nieder.
Sie hatte mal wieder zu impulsiv gehandelt, das stand fest. Irgendwann würde ihr dieses Verhalten noch große Schwierigkeiten einbringen. Aber sie musste sich ja auch nicht alles gefallen lassen, oder? Was kümmerte es sie, dass der Kerl morgen im Krankenhaus aufwachte und seine teure Mahlzeit püriert durch den Schlauch saugen musste? Und wenn es dann noch hieß, dass seine chauvinistischen Gene sich nicht mehr fortpflanzen konnten, war das nur die gerechte Strafe.
Gut, ihrem ehemaligen Budo-Lehrer erzählte sie besser nichts davon. Der predigte zwar zu Recht, dass Menschen mit Macht diese nicht nutzen sollten, um andere zu beherrschen – wohl aber, um ihnen eine zu verpassen, wenn sie es doch verdienten! Jedenfalls war das ihre Meinung.
Angreifen, bevor ich selbst angegriffen werde. Scheiß auf Jesus’ fromme Wangengeschichte. Scheiß auf Gewalt ist keine Lösung. Scheiß auf Vergeben und Vergessen, noch ist mein Hirn zu jung, um verkalkt zu sein. Selber schuld, wer mich provoziert.
Seit sie ein kleines Mädchen war, hatte sie sich geschworen, niemals mehr wem unterlegen zu sein. Nie wieder wollte sie ein Opfer sein und kampflos aufgeben oder gar sterben.
Sie wollte nicht so enden wie ihre Eltern.
Nicht auf die Art …
Schnaufend biss sich Dani auf die Unterlippe. Die Wut stieg in ihr auf und sie wünschte sich irgendeinen elenden Drecksack, den sie ordentlich verprügeln konnte. Das wäre zwar keine Wiedergutmachung für ihre Probleme, täte aber Gewissen und Gemeindewohl gut. Sie war keine Heldin, dennoch forderte sie Gerechtigkeit. Wirkliche Gerechtigkeit, und kein ellenlanges Verfahren, welches am Ende nur im Sand verlief. So einige Verbrechen in dieser Stadt blieben leider zu oft ungesühnt.
Der Waggon hielt an der nächsten Station.
Menschen strömten heraus. Menschen strömten herein.
Hinter ihr nahm eine Mutter mit Kind Platz.
Wie würde es dem kleinen Jungen ergehen, wenn Mama plötzlich nicht mehr da wäre? Wenn seine Eltern aus heiterem Himmel getötet werden würden? Würde er von einem Kinderheim zum andern ziehen? Oder hätte er vielleicht ein Zuhause bei den Großeltern gefunden, die versuchen würden, ihn über seinen Schmerz hinwegzuhelfen? Würde er von dem Gefühl der Rache aufgezehrt werden? An seiner Trauer ersticken? Oder könnte er die Kraft seines Zorns nutzen, um stark zu werden? Und irgendwann wäre die Zeit gekommen, dass er Vergeltung einfordern konnte.
Sie fühlte, dass ihre Nägel sich in die Handballen gegraben hatten und lockerte den Griff.
Irgendwann …
Dani verließ die Bahn mit einem geübten Sprung von der obersten Stufe aus. Mochten die anderen Reisenden darüber denken, was sie wollten, es kümmerte die junge Frau nicht.
Jeder Mensch hat Macken. Ihr eure, ich meine.
Der Fußweg unter ihren dicken Sohlen war uneben, vom Schneematsch verkrustet und mit spärlich wachsendem Unkraut durchsetzt. Vertrocknetes Gras drang durch die Ritzen der offenen Mauerfugen von Hauswänden. Viele Gebäude waren baufällig, die grau-braunen Fassaden rissig und von Farbe beschmiert. Die Mieten – wenn denn für einen Bezug zumutbar – standen niedrig. Aus so manchem Fenster dröhnten lautes Grölen und Musik in allen Facetten. Doch die Nachbarschaft war der eigenwilligen Punkerin egal, solange sie einen guten Schlafplatz hatte.
In ihren Teenagerjahren war Dani viel umhergezogen. Häufig war sie bei Freunden und deren Freunden untergekommen und kannte daher die verschiedensten Lebensstile und Einrichtungsmethoden, von rustikalem Sperrmüll über Selbstgebasteltes bis hin zur Neuware. Die Schule hatte sie lustigerweise nie aus den Augen verloren, war ihr ja bewusst gewesen, dass eine gute Bildung schon mal die Hälfte ihres ganzen Planes ausmachte. Sie hatte sogar das Abitur geschafft, nur für ein Studium fehlte es ihr an Muße. Und selbstverständlich Geld.
Ein kleines Tattoo-Studio bot ihr heute einen Arbeitsplatz und Freiheit zugleich an. Der Lohn reicht für die nötigsten Dinge des geregelten Bürgerlebens, für alles Weitere sorgt sie selbst.
Oder Jules.
Sie bog in die Seitenstraße ein und betrachtete die chaotischen Graffitis an der Wellblechaußenwand der stillgelegten Lebensmittelfabrik. Es handelte sich um die üblichen Spinnersprüche und Gang-Logos. Die knalligen Farben waren an dem Geschmiere noch das Beste. Vielleicht sollte sie ein paar alte Kumpels fragen, ob die etwas Richtiges an die Umwallung bringen konnten. Schließlich sollte ihr Zuhause schon eine gewisse Persönlichkeit ausdrücken.
Wie wäre es mit den Ghostbusters?
… echt, das würde passen wie die Faust aufs Auge.
An der eisernen Zugangstür zog Dani ihren Schlüsselbund aus der Hosentasche und öffnete die Pforte zu einer riesigen Halle, wo früher Rollbänder, Walzen und Industrieöfen gestanden hatten. Diese ehemaligen Inhalte waren vor Jahren verschwunden und hinterließen eine gähnende Leere, die allein durch emporgesetzte Zugangswege und deren Treppenabgänge unterbrochen wurde.
Den zum Teil noch gekachelten Fabrikboden bedeckten nun Stücke von verschiedenen Auslegewaren und alte Perserteppiche, die sie zumeist im Müll gefunden hatte. Massige, mit Büchern vollgestopfte Schrankwände standen scheinbar willkürlich verstreut im Raum herum und gaben dem Ganzen den Eindruck einer fehlerhaften Bibliothek – doch jede der Abertausend Schriften hatte seinen festgelegten Stellplatz. Sitzmöglichkeiten boten ein roter Ledersessel und ein abgenutztes, dennoch ausgedehntes grünes Sofa.
Kabel lagen herum und versorgten beispielsweise einen Fernseher auf dem Sideboard und zwei Computer am großen Schreibtisch mit Strom. Kühlschrank und Gefrierbox summten in einer Küchenecke unterhalb der freien ersten Etage. Es gab auch eine angeschlossene Spüle und sogar eine Waschmaschine. Hinten in der Halle waren Kleiderschränke und ein großes Bett aufgebaut. Und es existierte ein mit grauen Sportmatten ausgelegter Trainingsbereich, wo sie ihre täglichen Übungen machen konnte, um fit zu bleiben. Ein viel gebrauchter Sandsack hing dort von einer der metallischen Brücken.
Es war kein gewöhnliches Zuhause. Vor allem jetzt, im Winter, war es auch nicht gerade gemütlich warm. Durch Lücken in den Fensterscheiben pfiff meistens der Wind. Bei Regen war das Dach stellenweise undicht, weshalb überall ein Eimer griffbereit stand. Vieles müsste dringend ausgebaut und erneuert werden. Doch trotz aller Mängel liebte Dani diesen Schuppen. Er gehörte ihr.
Und Jules.
Sehen konnte sie ihn nicht wirklich, doch hören. Sein Gemurmel drang durch das Metallgitter der Etage über ihr, wo er seine Denktafeln hatte – wie er sie nannte. Eigentlich waren es bloß einfache ausrangierte Schultafeln, auf denen er mit Kreide seine verworrenen Gedanken zurechtrücken konnte. Allerdings sollte man nie den Fehler machen, etwas eigenmächtig darauf zu verändern, wenn man nicht wollte, dass der Herr Professor komplett die Fassung verlor. Eine absteigende blaue Dunstwolke sagte ihr, dass er zu viel rauchte.
„Bin wieder da!“, kündigte Dani sich an und ihre Stimme hallte durch die Fabrik.
Rumpelnd und polternd sah sie ihn undeutlich vom Stuhl fallen. Das war typisch Jules. Wenn er in seiner Welt steckte, vergaß er alles außerhalb. Lächelnd ging Dani auf die Eisentreppe zu, die sie hoch auf die nächste Ebene führte, hinein in ein zerstreutes, kleines Zauberreich.
Jules’ „Büro/Labor“ bestand im Grunde aus alteingesessenem Chaos und spleeniger Kreativität. Ein Schreibtisch voller Aktenordner, Zettelwirtschaft und ein Gestell aus verschiedenen Gläsern für chemische Experimente; Pflanzenbehälter in jeder freien Ecke mit unzähligen Heilkräutern – die sicher längst vertrocknet wären, wenn Dani sie nicht ab und zu gießen würde – und Schränken, angefüllt mit Sammelsurium.
Hinter Glasscheiben lagerten hier Mineralien und Edelsteine, Muscheln und Schmuckgegenstände, Fossilien, Skelette von Kleintieren und steinerne wie hölzerne Artefakte von weltweiten Kulturen. Noch dazu Jules’ älteste und wertvollste Bücher, teils in Leder und Leinen gefasst, noch seltenere nur als Schriftrolle.
Der Professor richtete gerade seinen breitfüßigen Stuhl auf. Er pflegte beim Nachdenken auf dessen Lehne zu hocken, die Sohlen seiner weißen Sneakers auf dem Sitzpolster. Eine unsichere Haltung, wie sich ja zeigte, wenn man ihn aufschrecken ließ. Der metallische Gitterboden war übersät mit zerknülltem Papier und einigen, aus den Händen verlorenen Büchern. Meist balancierte er mehrere auf dem Arm wie ein Kellner Teller. Der Aschenbecher auf dem Tisch quoll über von Kippen.
„Oh, hi!“, grüßte er sie flatterhaft mit der aktuellen Zigarette zwischen den Zähnen. „Ich war gerade …“, aber er brauchte gar nicht weitersprechen. Hinter seiner rundrahmigen Brille las sie in den braunen Augen, dass er noch nicht ganz auf den Planeten Erde zurückgekehrt war. Was er sah, war nicht sie oder die Halle, sondern irgendetwas weit Entferntes. Sphären fern der menschlichen Überlieferungen. Dabei hatte sie ihn bloß ein paar Stunden allein gelassen.
Sein aschblondes, schulterlanges Haar hatte er fahrig zum Zopf gebunden und graue Kreideflecken bedeckten sein schwarzes Hemd und die ebenfalls schwarze Jeans. Die Finger seiner schlanken Hand waren gelb vom Nikotin. Über seine Studien hinweg hatte er natürlich wieder das Essen vergessen – dabei war er schon lang und dünn wie eine Bohnenstange. Wenn sie nicht aufpasste, würde er ihr noch vor den Büchern verhungern.
Beim Anblick der kleinen Schrift auf den dicht beschriebenen Tafeln wurde Dani erneut klar, warum Jules es schwer hatte, an der hiesigen Universität eine Dozentenstelle zu besetzen. Er war schlicht und ergreifend besessen von seinem Fachgebiet – auch wenn ihn das überall bloß Spott einbrachte. Würde er es seriöser angehen, hätte er noch die Kompetenz übrig. Jedoch erschien er allen Zuhörern mehr wie ein Irrer, wenn er einmal in Fahrt kam.
Das Manko eines jeden Genies.
„Beschäftigt?“, schmunzelte sie und lehnte sich an das Eisengerüst.
„Gnostik“, antwortete er beschämt, „ich könnt mich drin verbeißen. Am liebsten würde ich die ganze Bibel neu übersetzen und diese religiösen Ungereimtheiten -“
„Der Vatikan hat dich bereits verteufelt, mehr kannst du bei der Kirche nicht erreichen. Verbeiß dich lieber in die Lasagne, die im Kühlschrank liegt.“
„Ich hab keinen Hunger …“, winkte er ab und atmete Rauch aus.
„Jules“, klang sie leicht drohend, „die hab ich dir gestern Abend für heute Mittag gemacht. Soll ich mich etwa umsonst hingestellt haben? Der Doktor kriegt einen Anfall, wenn ich dich noch mal zu ihm schleifen muss und deine Werte jenseits von Somalia liegen …“
Offenbar zog die Schelte, denn er wurde recht klein. Obwohl er älter war als sie, hatte sie ihn besser im Griff. Blinzelnd sah Jules auf seine Armbanduhr und stöhnte lang. „Wo ist die ganze Zeit hin? Mir kommt es vor, als wärst du erst vor einer Stunde oder so gegangen!“
„Vor fünf Stunden“, korrigierte sie ihn bissig lächelnd. „Robert hat das Studio heute früher dicht gemacht, weil sein Junge Geburtstag feiert. Hab ich dir gestern gesagt.“
„Ach, sorry …“, seufzte er und rieb sich die Augen, „ich bin raus.“
„Dann lass die Gnostik Gnostik sein und wir essen zusammen, okay?“, schlug sie vor und setzte gleich an: „Ich hab auch Neuigkeiten erfahren, die dich interessieren werden.“
Jules hob eine dünne Braue. „So? Worum geht es?“
„Ich erzähl es dir nach dem Essen.“
„Mist.“