Читать книгу Shadow House - Dan Poblocki - Страница 6
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»Dylan! Warte auf uns!«, rief Dash seinem Zwillingsbruder nach. Hektisch schwenkte er den Lichtstrahl seines Handys hin und her, um in dem düsteren Korridor etwas sehen zu können.
»Dash, nicht so schnell!«, keuchte Poppy und hielt ihn an der Schulter fest. »Wir könnten etwas übersehen, irgendwelche Spuren.«
Er stieß ihre Hand weg. »Spuren? Was denkst du, was das hier ist? Ein Detektivfilm?«
Sein abfälliges Schnauben ließ Poppy zusammenzucken. »V-vielleicht Schuhabdrücke im Teppich. Oder … oder …«
Dash blickte wieder in den Korridor, der wie ein dunkler Tunnel vor ihnen lag. »DYLAN!«, schrie er und rannte weiter.
»Genial!«, rief Marcus ihm nach. »Je lauter du brüllst, desto unsichtbarer werden wir für alles, was hier herumspukt.«
»Ist mir egal!«, erwiderte Dash. »Ich muss meinen Bruder finden!«
Azumi lief nach vorn zu Dash und hielt ihn fest. »Du und Dylan seid nicht die Einzigen, die Hilfe brauchen. Wir sind alle hier in diesem Spukhaus eingesperrt. Und wenn wir wieder rauswollen, müssen wir zusammenhalten.«
»Gut!«, rief Dash. »Dann haltet gefälligst zu mir und helft mir, Dylan zu finden!«
»Ich finde es nicht besonders nett, wie du mit uns redest.« Azumis Stimme war erstaunlich ruhig. »Das hat keiner von uns verdient.« Sie berührte Poppys Arm. »Außerdem weißt du doch, dass Poppy ein bisschen …« Sie zog eine Augenbraue hoch.
Poppy schüttelte Azumis Arm ab. »Ein bisschen … was?«
»Ein bisschen empfindlich sein kann«, führte Azumi ihren Satz zu Ende.
Poppy errötete. Wie um Azumi zu beweisen, dass sie sich täuschte, griff sie nach Dashs Hand. Er wollte sie wegziehen, doch Poppy ließ sie nicht los.
»Du willst Hilfe? Hier.« Sie richtete den Lichtstrahl seines Handys auf den Boden und sagte: »Such auf dem Teppich nach irgendwelchen Abdrücken. Geh langsamer und spitz die Ohren, ob du irgendwelche Türen quietschen hörst oder Schritte oder sonstige Geräusche. Halte die Augen offen! Nur so werden wir Dylan finden. Und das Wichtigste: Vergiss nicht zu atmen.«
Dash funkelte sie an. »Kann ich bitte meine Hand zurückhaben?«
Poppy ließ ihn abrupt los und trat einen Schritt zurück.
Die vier kamen zu einer Stelle, an der sich der Korridor gabelte, und Dash blieb stehen und inspizierte den Perserteppich. »Sieht aus, als führten Fußspuren hier lang«, sagte er leise und ohne Poppy anzusehen.
»Aber wir wissen doch gar nicht, von wem sie sind«, gab Marcus zu bedenken. »Vielleicht von den maskierten Geistern, den Speziellen? Was ist, wenn sie sich irgendwo verstecken und uns heimlich beobachten?«
Poppy rang sich ein Lächeln ab. »Dann reißen wir ihnen die Masken vom Gesicht und erlösen sie. Wir wissen inzwischen, wie wir mit ihnen umgehen müssen. Jedenfalls dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir Dashs Bruder finden und gemeinsam von hier wegkommen.«
»Ich kann euch hören, klar?«, sagte Dash mit matter Stimme.
»Schon gut«, sagte Poppy und lief wieder rot an. »Wir haben keine Geheimnisse mehr voreinander«, fügte sie noch hinzu.
Marcus sah sie aufgebracht an. »War das ein Vorwurf?«
Tapfer hielt Poppy seinem Blick stand. »Falls es ein Vorwurf war, dann ja wohl zu Recht.« Früher, in Thursday’s Hope – dem Kinderheim, in dem sie den größten Teil ihres Lebens verbracht hatte –, hätte sie es niemals gewagt, einem der anderen Mädchen auf diese Weise die Stirn zu bieten.
Azumi trat zwischen sie. »Wir sitzen alle im selben Boot, schon vergessen?«
Marcus schnaubte und wandte sich ab. Er fühlte sich so nackt ohne die Melodien, die ihm früher ständig durch den Kopf gegangen waren. Das Haus hatte sie ihm geraubt, aber hoffentlich nicht für immer. Oder doch?
»Psst«, wisperte Dash und blieb einige Meter vor ihnen stehen. »Habt ihr das gehört?«
»Was ist?«, fragte Marcus.
Dash hielt eine Hand hoch, um alle anderen zum Schweigen zu bringen. Sie stellten sich zu ihm. Ein leises Pochen drang an ihre Ohren.
»Vielleicht eine Uhr?«, meinte Azumi.
Dash schüttelte den Kopf. »Klingt eher nach einem Herzschlag.«
»So laut?«, entgegnete Marcus skeptisch. »Und wo kommt das Geräusch überhaupt her?«
»Seht nur!«, hauchte Azumi und zeigte auf die Tapete. Es war eine schillernde, dunkelblaue Tapete mit einem verschnörkelten Muster aus schwarzem Samt, das wie giftige Schlingpflanzen aussah, die sich an einem Eisenzaun hochrankten. Die Ranken pulsierten leicht, als wenn Blut in ihnen fließen würde.
»So was von krank!«, zischte Poppy.
»Sind die echt?«, fragte Marcus.
»Das ist wieder nur ein Trick« Dash richtete den Lichtstrahl seines Handys zurück auf den Boden. »Um uns davon abzuhalten, meinen Bruder zu suchen.«
Azumi streckte die Hand aus, um die Tapete zu berühren. »Nicht anfassen!«, rief Marcus warnend und schlug ihre Hand weg. Doch es war schon zu spät. Azumi schrie leise auf und steckte sich den Zeigefinger in den Mund.
»Hast du dir wehgetan?«, fragte Marcus besorgt.
Azumi schüttelte den Kopf. »Hab bloß eine gewischt gekriegt.«
Dash war bereits weitergelaufen. »Dylan!«, rief er.
Marcus folgte Poppy und Dash durch den schwarzblauen Korridor. Ihm fiel auf, dass Azumi sich immer wieder den Zeigefinger rieb.
»Bist du sicher, dass du nichts hast?«
»Nein, nein, schon gut. Es ist nichts«, antwortete Azumi und sah ihn kurz an.
»Vielleicht hat Poppy noch ein Pflaster in ihrer pinkfarbenen Zaubertasche«, sagte Marcus.
Bevor er Poppy fragen konnte, rief sie zu ihnen nach hinten: »Dash hat weitere Schuhabdrücke entdeckt. Sie führen zu einer Tür!«