Читать книгу Shadow House - Dan Poblocki - Страница 7

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Argwöhnisch betraten Poppy und Dash einen langen, schmalen Raum.

Links und rechts standen jeweils sechs Eisenbetten, mit dem Kopfteil zur Wand. Die Matratzen waren mit einem verstaubten weißen Leintuch zugedeckt, dessen Ecken militärisch akkurat untergeschoben waren. Am anderen Ende des Raums gab es drei große Fenster, durch die das Tageslicht hereinfiel, doch zwischen den Betten war es überraschend düster. Die Scheibe des linken Fensters hatte einen Riss, der mit einem Klebebandstreifen zugeklebt war. Und neben den Fenstern gab es links und rechts je eine geschlossene Tür.

»Donnerwetter«, staunte Marcus, der zu Poppy und Dash getreten war. »Was ist das hier?«

»Ein Schlafsaal«, antwortete Poppy schmallippig. In Thursday’s Hope hatte sie in einem ganz ähnlichen Raum geschlafen. »Hier müssen die Waisen gewohnt haben.«

»Fenster!«, rief Dash erleichtert und lief darauf zu. Er wollte sie öffnen, doch keines gab auch nur einen Millimeter nach.

»Reiß das Klebeband ab«, schlug Poppy vor. »Vielleicht können wir den Riss in der Scheibe nutzen, um sie einzuschlagen, und kommen endlich ins Freie.«

Dash popelte das Klebeband mit den Fingernägeln ab. Doch als er das vertrocknete, brüchige Band abriss – ritsch! –, schmolz die Scheibe wieder zusammen, und der Riss war nicht mehr zu sehen. »Was zum …?«

Azumi trat zu ihnen, lehnte sich vor und schaute durch das Fenster nach unten. »Wir sind hier sowieso viel zu weit oben.«

»Wir könnten die Bettlaken aneinanderknoten«, schlug Poppy vor. »Und uns daran abseilen …«

»Nützt alles nichts, wenn sich die Scheibe nicht einschlagen lässt«, gab Dash zu bedenken. »Außerdem müssen wir erst meinen Bruder finden.« Er winkte die anderen zurück zur Tür. »Ich glaube, diese Spuren im Teppich haben weniger zu bedeuten, als wir uns versprochen haben. Gehen wir weiter!«

»Dash, können wir uns nicht kurz ausruhen?«, stöhnte Azumi.

»Ausruhen

»Ich bin sicher nicht die Einzige hier, die total fertig ist.«

»Ich könnte nicht mal ausruhen, wenn du mir eine Milliarde Dollar geben würdest«, sagte Poppy.

»Wie wär’s mit einer Billion?«, erwiderte Marcus mit einem erschöpften Grinsen. Da keiner der anderen lachte, räusperte er sich und fuhr fort: »Vielleicht hat Azumi ja recht. Wir rennen seit heute Morgen mit Vollgas durch dieses Gemäuer. Dylan kommt sowieso nicht weit.«

»Woher willst du wissen, wo er hinwill?«, fauchte Dash. »Vielleicht ist er ja diesen Waisen – diesen Geistern – in die Hände gefallen. Und sie sind inzwischen wieder hinter uns her. Wir können uns nicht in ihrem vergammelten Schlafsaal aufs Ohr legen und darauf warten, dass sie hier aufkreuzen.«

Azumi bekam weiche Knie und musste sich am nächsten Bettgestell abstützen.

»Ihr zwei könnt gehen, wenn ihr wollt«, sagte Marcus zu Dash und Poppy. »Ich bleibe bei Azumi. Wenn ihr euren Rundgang hinter euch habt, könnt ihr uns ja hier abholen.«

»Wenn wir unseren Rundgang hinter uns haben?«, zischte Dash empört. »Du meinst, wenn wir den Geist meines Bruders gefunden haben? Und danach, was dann? Meinst du, dann ist alles wieder okay?«

Marcus wurde rot. »Ihr dreht mir alle andauernd das Wort im Mund herum.«

Poppy warf einen flehentlichen Blick auf Azumi, die sich auf eines der Betten gesetzt hatte und den Kopf hängen ließ. »Wir sollten uns nicht wieder trennen …«

»Sie fühlt sich nicht wohl!«, fiel Marcus ihr ins Wort. Azumi nahm ihren Zeigefinger aus dem Mund und sah ihn an. »Und ich auch nicht. Mir ist schwindelig, und ich habe zittrige Knie. Ich wette, euch geht es genauso, aber das würdet ihr natürlich nie zugeben …«

In dem Moment verschwand die Sonne hinter einer Wolke, und es wurde dunkel. Vom anderen Ende des Raumes kam ein leises Klopfen. Zwei dunkle Gestalten standen in der Tür: ein Mann und eine Frau, deren Gesichtszüge allerdings im Schatten lagen.

Die vier Kinder erstarrten. Azumi rutschte ans Kopfende des Betts und zog ihre Knie ans Kinn.

Der Mann hatte mit den Fingerknöcheln an den Türrahmen geklopft.

»Entschuldigt«, sagte die Frau. Ihre Stimme hatte einen weichen südlichen Einschlag.

»Sind Sie echte Erwachsene?«, fragte Markus verdutzt.

»Marcus!«, zischte Azumi mit zusammengebissenen Zähnen und zog die Augenbrauen hoch.

Die Frau lachte, als sei sie überrascht über Marcus’ vorlaute Frage. »Ihr seht vermutlich nicht allzu viele Erwachsene hier, stimmt’s?«

»Können Sie uns helfen?« Marcus trat einen Schritt auf das Paar zu.

»Deshalb sind wir ja hier«, antwortete die Frau. »Um zu helfen.«

In Poppys Herz flackerte neue Hoffnung auf, als sie das hörte. Sie kniff sich in den Arm, weil sie ihren Augen und Ohren nicht traute. »Was meinen Sie mit ›Deshalb sind wir ja hier‹?«, fragte sie. »Woher haben Sie gewusst, dass wir Hilfe brauchen?«

»Wir haben einen Termin bei Cyrus Caldwell«, erklärte der Mann. »Aber wir haben uns in diesem Riesengemäuer verlaufen, und ich fürchte, wir haben ihn verpasst.«

Poppy ging langsam einen Schritt rückwärts, näher zu Marcus. Ihre Haut prickelte vor Angst. »Cyrus Caldwell. Dieser Name stand in den Unterlagen«, flüsterte sie ihm zu. »Der Direktor des Waisenhauses. Der seit Jahrzehnten tot ist.«

Dash stellte sich neben Azumi, die immer noch auf dem Bett kauerte.

»Könnt ihr uns sagen, wo wir ihn finden?« Die Zähne der Frau blitzten im Halbdunkel auf.

Das Paar betrat den Schlafsaal, und das Tageslicht wurde noch schwächer. Der Mann trug einen dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkle Krawatte mit einer goldenen Krawattennadel. Sein Hut sah richtig altmodisch aus, und Poppy dachte, dass sie so ein Modell mal in einem alten Fernsehfilm gesehen hatte.

Die Frau war etwas kleiner als er, trug ein rotes Wollkleid und Schuhe mit hohen Absätzen, wodurch sie fast so groß wirkte wie der Mann. Sie hatte weiße Perlenohrringe und trug einen breitkrempigen weißen Hut, der wie ein Heiligenschein um ihren Kopf zu schweben schien. Etwas an diesen Leuten kam Poppy vertraut vor. Die beiden strahlten eine Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung aus, und Poppy dachte unwillkürlich an ein Ehepaar, das sich danach sehnte, eine Familie zu haben.

»Oh, ihr Armen!«, säuselte die Frau, während die Kinder weiter vor ihr zurückwichen. »Wir müssen euch einen Schreck eingejagt haben, als wir hier einfach so hereingeplatzt sind. Ihr habt vermutlich nicht viele Besucher hier in Larkspur.«

»Sie würden sich wundern«, murmelte Dash.

»Wir sind Mr und Mrs Fox«, stellte sich der Mann vor. »Füchse im Hühnerstall, haha!« Beifall heischend lächelte er seine Frau an.

»Und Sie können uns wirklich hier rausbringen?«, fragte Marcus skeptisch.

»Marcus!« Poppy warf ihm einen Seitenblick zu. »Psst. Sie denken, sie könnten uns adoptieren.«

»Uns adoptieren

»Ja, natürlich wollen wir das, ihr Dummerchen.« Mrs Fox sah Poppy an. »Ist es nicht das, was du dir immer gewünscht hast, Poppy? Eltern? Eine Familie?«

Diese Frage traf Poppy bis ins Mark. Sie hielt erschrocken die Luft an.

»Woher wissen Sie, wie sie heißt?«, fragte Dash und sah Poppy so empört an, als hätte sie etwas Falsches gesagt.

»Oh, wir wissen alles über unsere kleine Poppy«, flötete die Frau. »Nach allem, was Mr Caldwell uns am Telefon über sie erzählt hat, muss sie einfach zauberhaft sein.«

Poppy begann zu zittern. »A-aber ich kenne ihn doch gar nicht!«

»Bist du dir da sicher?«, fragte der Mann mit einem merkwürdigen Grinsen. Mr und Mrs Fox hielten sich an den Händen und traten in den Gang zwischen den Bettenreihen.

»Stopp!«, rief Dash und hielt beide Hände hoch. »Kommen Sie nicht näher!«

Sie ignorierten ihn. »Wir müssen nur noch ein paar Kleinigkeiten mit Mr Caldwell regeln, dann ist alles unter Dach und Fach«, fuhr Mr Fox unbeirrt fort. Das Ehepaar trat noch einen Schritt näher, und in dem dämmrigen Licht vom Fenster waren endlich auch ihre Gesichter zu sehen. »Was sagst du dazu … Poppy?«

Poppy hielt sich den Mund zu, um nicht zu schreien.

Shadow House

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