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2.3Es gibt keine Fehler – Mach was draus

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Die Grundhaltung beginnt im Kopf. Ich kann jedes Phänomen in dieser Welt offenherzig oder skeptisch betrachten – egal ob einen Satz, den jemand zu mir spricht, einen Wetterumschwung, ein neues Mittagsgericht. Je skeptischer ich bin, umso unwahrscheinlicher ist es, dass ich mit dem Gesagten etwas anfangen kann, den Regentag freudig nutzen werde, mir das Gekostete schmecken wird. Je offener ich ja sage, um so mehr bin ich in der Lage, den Schwung dessen, was mir angeboten wird, auszunutzen.9

Wenn man es genau bedenkt, kann man im Improtheater gar nichts Falsches sagen; denn wir bringen ja in aller Regel fiktive Figuren und eine fiktive Welt in einem soeben geschaffenen künstlerischen Stil auf die Bühne. Insofern ist Platz für alle möglichen Dinge auf der Bühne, die einem vielleicht im ersten Moment „fehlerhaft“ vorkommen mögen.

Nehmen wir faktische Unrichtigkeiten: Angenommen, in einer Szene landen Astronauten auf dem Mars und einer von ihnen behauptet, nun endlich den größten Planeten unseres Sonnensystems besiedeln zu wollen. Die reflexhafte Reaktion vieler Impro-Spieler wird darin bestehen, der Figur des Mitspielers Dummheit oder Wahnsinn anzudichten, etwa, dass wir uns in einer Szene befinden, in der die dümmsten Menschen der Erde auf den Mars evakuiert wurden. Aber so wird jedem klar: Alle markieren nun den Satz des Mitspielers als Fehler. Eine gewandtere Variante wäre, das Ganze als Witz des Astronauten umzudefinieren, aber auch hier würde das Scheitern oder Unwissen des Mitspielers markiert. Am elegantesten wäre es, den Satz überhaupt nicht als Problem aufzufassen. Denn selbst wenn der Mars in unserer Welt nicht der größte Planet ist, so kann es doch in der fiktiven Welt auf der Bühne stimmen. Entweder aus künstlerisch Gründen oder weil wir uns in einem Paralleluniversum befinden.

Es ist die Aufgabe aller Spieler, das Spiel aufrechtzuerhalten, statt Szenen oder Dialoge durch die Markierung oder umständliche Rechtfertigung von „Fehlern“ zu verlangsamen oder gar zu stoppen.10

Wir allein legen fest, was auf der Bühne stattfindet. Und wenn dabei eine Form entsteht, die niemand sonst bisher gespielt hat, so kann das wunderbar oder auch grottig anzusehen sein. Aber ein „Fehler“ ist es sicherlich nicht.

Was Außenstehenden am Improtheater-Spielen so ungewöhnlich erscheint, ist der Umstand, dass wir andauernd mit seltsamen und unvorhersehbaren Angeboten konfrontiert sind, auf die wir reagieren müssen. Das wirkt dann oft so, als seien die Reaktionen wahnsinnig originell, als würden die Spieler pausenlos mit neuen, verrückten Ideen um sich werfen. Dabei geschieht hier in der Regel etwas ganz anderes: Auf den unerwarteten Satz meines Mitspielers reagiere ich mit meiner Offensichtlichkeit. Ich reagiere und führe den Gedanken oder das Spiel mit Gedanken in einer für mich offensichtlichen Weise fort. Aber da diese Offensichtlichkeit eben nur meine Offensichtlichkeit ist, wirkt sie auf andere originell. Sie wird meinen Mitspieler vielleicht überraschen und ihn zu einer Reaktion die für ihn offensichtlich ist, herausfordern.

Natürlich können Szenen so schlecht sein, dass weder die Spieler noch die Zuschauer Freude daran hatten. Damit müssen wir als Improvisierer leben, und ich kenne keinen Impro-Spieler, der durch diese Hölle noch nicht gegangen wäre. Es kann sein, dass wir uns gegenseitig unterstützt haben, unsere Sätze und Gedanken weitergeführt haben, aber das alles endete im großen Nichts. Ein Trost mag sein, dass es im Laufe der Zeit immer seltener passiert. Aber es hat nichts mit „Richtig“ oder „Falsch“ zu tun. Das Einzige, was euch auch dann noch bleibt, ist, euer Scheitern heiter zu nehmen.

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