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2.5Wabi Sabi

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Im japanischen Zen gibt es das ästhetische Konzept Wabi Sabi, das sich an der Wertschätzung des Unperfekten orientiert. Natur kennt keine Perfektion. Alles ist vergänglich, alles ist im Prozess. Diese Beobachtung können wir auf die Kunst und die Gestaltung übertragen. Eine alte Kirche ist nicht trotz sondern wegen ihrer Patina schön. Asiatische Tusche-Zeichnungen wirken lebendig, weil wir den Strich in seinem Schwung und seiner Imperfektion sehen. Der Zeichner versucht erst gar nicht, den Prozess des Zeichnens zu verbergen. Durch den Strich, dessen Ansatz und Ende wir erkennen, das Auslaufen der Tinte, erleben wir gewissermaßen den Prozess des Zeichnens, der vielleicht vor Hunderten von Jahren stattgefunden hat, nach.

Da wir im Improtheater keine Möglichkeit zur Korrektur haben, müssen wir ebenso wie jede andere improvisierte Kunst mit dem Unperfekten leben. Mehr noch: Wir genießen den Prozess, das Unperfekte zu erschaffen. Und wir genießen es, anderen dabei zuzuschauen.

Was sich aus Wabi-Sabi-Perspektive in der Keramik als unbeabsichtigte hauchdünne Glasur-Riss darstellt, in der Architektur als Patina, in der Malerei als Spuren der Pinselhaare, das ist im Improtheater die kaum wahrnehmbare Geste des Suchens nach dem nächsten Satz, der kleine verstolperte Schritt, der Versprecher und so weiter. Diese Mikro-Fehler sollten wir freilich nicht forcieren (gleichsam um zu zeigen, dass wir improvisierend Fehler begehen), so wie auch der Töpfer seinem Gefäß nicht absichtlich Risse zufügt, um es „auf alt“ zu töpfern.

Das Unperfekte macht die Improvisation menschlich und lebendig. Wenn wir aber wissen, dass Improtheater von Natur aus fehlerbehaftet ist, dass es nie die absolut perfekte Show geben wird, ja nicht einmal die perfekte Szene, dass wir praktisch immer scheitern, manchmal minimal, manchmal grandios, dann brauchen wir uns vorm Scheitern nicht zu fürchten.

Lerne zu scheitern, und lerne deine Perspektive zu verändern. Weg vom Produkt, hin zum Prozess. Das Erschaffen selbst wird das sein, was uns erfreut. Improtheater ist eine flüchtige Kunst. Die Impro-Szene, die man gespielt hat, wird es nie wieder geben. Genauso wenig wie es sich lohnt, eine Szene vorauszuplanen, so wenig brauchen wir einer Szene hinterherzutrauern. Wir werden mal mehr, mal weniger im Moment gewesen sein. Je stärker wir uns auf den Prozess einlassen, umso mehr wird auch unser Publikum diesem Prozess folgen.

Improvisationstheater

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