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2.6.1Die Angst vor dem unbekannten Territorium

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Wenn man eine Weile Improtheater gespielt hat, entwickelt man Antennen dafür, welche Themen sich für eine gute Impro-Szene eignen und welche nicht, welches Spiel ein gutes Abschluss-Spiel ist, mit welchen Sätzen man ein Publikum gut aufwärmt usw. Das kann zu einem wahren Regel-Fetischismus führen. So traf ich einmal auf eine Gruppe, die für sich herausgefunden hatte, dass Synchro-Spiele12 gut funktionieren, wenn handwerkliche Berufe eine Rolle spielen (womit sie ja nicht falsch lagen, da die Körperlichkeit des Handwerks sich für verbale Spiele gut eignet). Irgendwann fuhren sie sich aber derart in dieser Sicht fest, dass sie glaubten, man könne dieses Spiel ohne handwerklichen Beruf überhaupt nicht spielen.

Auf der anderen Seite sorgen Themen wie tödliche Krankheiten oder sexueller Missbrauch mit großer Sicherheit dafür, dass nicht nur ein leichtes Impro-Spiel ruiniert wird, sondern die ganze Show anschließend darunter leidet. Aber heißt das, dass heikle Themen im Improtheater überhaupt nicht zum Gegenstand von Impro-Szenen werden dürfen?

Alles, was das konventionelle Drama (inklusive Film und Theater) darf, dürfen wir im Improtheater auch. Aber wenn wir zum Beispiel das Thema AIDS im Improtheater aufnehmen, sollten wir damit so sensibel und behutsam wie möglich umgehen. Das Problem ist nur, dass wir bei solchen Themen ein viel höheres Risiko des Scheiterns eingehen als wenn wir ein vergleichsweise harmloses Thema wie zum Beispiel einen kleinen Ehestreit behandeln. Eine unangemessene Geste, ein idiotischer Satz können bei diesen heiklen Themen schon genug sein, um der ganzen Show einen Anstrich von Geschmacklosigkeit zu geben oder sie gar abstürzen zu lassen. Die Herausforderung besteht dann vielmehr darin, eine angemessene Form zu finden, so etwas auf die Bühne zu bringen.

Jeder Spieler hat außerdem seine eigenen kleinen „heiklen Themenbereiche“, die einen gewissen Mut erfordern. Aber diesen Mut müssen wir natürlich aufbringen, wenn wir Improtheater zu seinem Recht verhelfen wollen – nämlich tendenziell alles spielen zu können.13

Unbekannte Territorien betreffen nicht nur die Themen, sondern auch die Formen. Wenn man über Jahre gewohnt ist, Storys oder Impro-Formate auf eine bestimmte Art und Weise aufzuführen, glaubt man irgendwann, das ginge nur so und sonst gar nicht. So sind zum Beispiel Storytelling und Bühnenverhalten im Improtheater heutzutage ziemlich film-geprägt. Monologe und Abstraktionen, wie sie im modernen Theater üblich sind, kommen nur an den dafür vorgesehenen Stellen vor. Das Brechen alter Muster in der Improvisation erfordert ebenfalls Mut. Nur wenn wir alte Bahnen verlassen, wenn wir unser gegenwärtiges Spielen immer wieder auf eingeschliffene Muster überprüfen, werden wir unsere Kreativität wirklich freisetzen können.

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