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Dwalin

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Als Jens wieder zu sich kam, war es stockfinster. Der süßliche Geruch feuchten Laubes kroch über seinen Körper. Nur langsam gewöhnten sich die Augen an die Dunkelheit. Doch bald erkannte er schemenhaft seine Umgebung. „Kann es sein?“, dachte er sich, „hat mich der Alte wirklich einfach hier liegengelassen?“ Und tatsächlich: Jens befand sich noch immer an der Unglücksstelle. Als er überlegte, wie er wohl wieder aus dem Wald fände, raschelte in seiner unmittelbaren Umgebung etwas im Gebüsch. Erschrocken fuhr er auf.

„Wer ist da?“, rief er. Es kam keine Antwort.

„Vielleicht nur ein Eichhörnchen“, beruhigte er sich. Doch dann sah er für den Bruchteil einer Sekunde direkt vor sich eine kleine undefinierbare Gestalt vorüberhuschen.

„Wer ist da?“ wiederholte er ängstlich. Wieder keine Antwort. Jens stand auf. Er merkte einen leichten Schwindel im Kopf und hielt sich deshalb am Baum fest.

Er dachte nach, aus welcher Richtung er heute Mittag mit dem Förster gekommen war und blickte umher. Da hörte er, wie jemand seine Stimme nachmachte: „Wer ist da?“

Jens blickte in die Richtung, aus welcher der Ruf gekommen war, doch da war nichts zu sehen. „Bitte, bitte zeigen Sie sich“, schluchzte Jens, „Sie machen mir Angst!“

„Wie kann jemand, der so groß ist, Angst vor mir haben?“, entgegnete die Stimme. „Hier, hier unten bin ich, direkt vor dir.“

Jens bückte sich. Er traute seinen Augen nicht. Was da vor seinen Füßen stand, hatte er noch nie gesehen. Das Wesen reichte ihm nicht einmal bis zum Knie. Es hatte einen runden Kopf mit zwei langen spitzen Ohren. Die Augen waren riesig und strahlend gelb. Sie sahen aus wie halbierte gekochte Hühnereier. Die Nase war rund und klein. Der Kopf machte fast die Hälfte seiner ganzen Größe aus. Seine Arme und Beine waren etwa so groß wie die eines Neugeborenen, aber viel muskulöser und außerdem behaart. Das ganze Wesen hatte überall Fell, etwa in der Art eines Eichhörnchens.

„Was bist du“, fragte Jens erstaunt, „bist du ein Zwerg?“ Dies war offenbar die falsche Frage. Das Wesen wurde wütend und schimpfte: „Das ist ja wieder mal typisch. Typisch, typisch, typisch für Großwüchsige. - Seh‘ ich etwa aus wie ein Zwerg, was? – Seh’ ich aus wie ein Zwerg?! Nein, ich bin kein Zwerg! - Ich bin ein Gnoooom!“

„Oh, entschuldige bitte“, sagte Jens betroffen.

„Und du? Was bist du denn überhaupt für einer?“

„Ich bin der Jens“, antwortete dieser.

„Soso, ein Jens. Einen Jens habe ich, glaube ich, überhaupt noch nie gesehen“, grummelte das Wesen, indem es einmal in Blitzesschnelle um ihn herumhuschte.

„Nein, Jens ist mein Name. Ich bin ein Mensch.“

„Ein Mensch“, wiederholte der Gnom skeptisch „soso, jaja, mag sein. Für einen Krieger bist du zu klein und für einen Zwerg zu groß. Ein Mensch also. Gut gut. - Und warum hast du meine Haustür zerstört?“ Das Wesen zeigte mit seinen überlangen Fingern auf einen zusammengebrochenen Haufen Holz am Fuße des Nadelöhrs, der wohl einmal so etwas wie eine Eingangstüre gewesen war. Dahinter war ein großes Loch zusehen, dass in einen Erdhügel hineinführte.

„Ich, äh, - das, das wollte ich nicht“, stotterte Jens, „ich bin vom Baum gefallen.“

„Warum kletterst du dann herauf, wenn du dich nicht festhalten kannst“, murrte der Gnom. „Entschuldige bitte, ich helfe dir auch alles wieder aufzubauen“, entgegnete Jens, indem er nach dem Holz griff.

„Oh nein, nein, nein, Mensch, lass das sein“, sagte der Gnom, „in ein einmal zerstörtes Haus darf man nicht wieder einziehen. Grooooßes Unglück. Ich ziehe weiter und baue ein neues.“

Jens stand verwirrt und betrübt zwischen dem Baum und der zerstörten Behausung und wollte eigentlich alles rückgängig machen, oder nur nach Hause gelangen, oder einfach aufwachen, denn was hier geschah, konnte doch alles gar nicht wahr sein.

„Kannst du mir helfen“, bat er den Gnom.

„Helfen, dir? Mal sehen, jaja, wie das tun?“

„Ich möchte hier raus, wie komme ich aus dem Wald?“

Das hätte Jens nicht fragen sollen. Erschrocken sprang sein kleines Gegenüber einen Meter zurück, die Haare standen ihm dabei wie elektrisch aufgeladen zu Berge und seine Augen drehten sich wie zwei kleine Propeller im Kopf. Die Arme streckte er vor sich hin, als wolle er sich vor Jens schützen. „Aus dem Wald?!“, schrie er entsetzt, „aus dem Wald, ja hast du denn nicht gelernt, dass es gefährlich ist, aus dem Wald zu gehen? Es sollen sich allerlei grausame Gestalten da rumtreiben, und man ist ganz ungeschützt ohne die Dunkelheit der Bäume.“

„Ach was!“, erwiderte Jens „ich komme von da, ich wohne draußen auf einem der Höfe, da gibt es nichts Gefährliches - außer Ulrich vielleicht.“

„Soso, wohnst draußen, jaja vielleicht, mal sehn. Ich glaube dir. Aber ich weiß nicht, wie man herauskommt, ich habe das Ende des Waldes noch nie gesehen, er ist nämlich rieeeesig.“

Wenn der Gnom einem Wort besonderes Gewicht verleihen wollte, dehnte er dessen Vokale und ließ es so länger und dramatischer klingen.

„Na, übertreib mal nicht“, entgegnete Jens „so groß ist er auch wieder nicht. Sag mir einfach in welche Richtung ich gehen muss, um zum Hauptweg zu kommen.“

„Hauptweg kenne ich nicht, es gibt hier nur Elbpfade. Aber jaja, genau, gewiss ich weiß jemanden, der dir helfen kann.“

„Und wer soll das sein?“, fragte Jens.

„Warte, langsam, langsam erst machen wir einen Handel. Was hast du zu bieten?“

„Na toll“, stöhnte Jens „du bist ja nicht gerade freundlich. Meine Sachen sind alle im Forsthaus. Ich hab nichts hier, was ich dir bieten könnte.“

„Hmm, mal sehn, jaja, das ist es, gewiss ich hab’s. Du trägst mich und meinen ganzen Hausrat bis zu der Stelle, wo ich mein neues Haus bauen will, und ich führe dich dafür zum Baum des Wissens - der kann dir alles sagen. Bist’s mir ja genaugenommen schuldig, eine Stelle für ein neues Haus zu finden. Was ist? Gilt der Handel?“

Jens willigte nach kurzem Überlegen ein, denn er wusste ja nun überhaupt nicht weiter und lieber wollte er mit dem kleinen mürrischen Kerl zusammenbleiben, als ganz allein in der Dunkelheit zu sein.

Der Gnom rannte nun mehrfach in seine ehemalige Behausung und holte allerlei kupfernes, glänzendes Gerät hervor. Da waren irgendwelche Schalen, Töpfe, Löffel und andere nicht zu identifizierende Gegenstände dabei, die alle sehr kunstvoll verziert waren. Er schnürte alles mit einem dicken Seil zusammen und band es Jens wie einen Schulranzen auf den Rücken. „Moment noch“, sagte der Gnom schließlich, „das Wichtigste habe ich vergessen“ und schon war er wieder in seinem Hügel verschwunden. Jens hörte ihn drinnen fluchen und Gegenstände umwerfen, weil er das Gesuchte offenbar nicht finden konnte. Dann endlich ein befriedigender Aufschrei: „Ich hab’s, jaja genau, wichtig - hab’s gefunden.“ Und da stand er auch schon vor Jens und hielt in der einen Hand einen einfachen schwarzen Holzstock und in der anderen eine völlig unförmige dunkelgrüne Glasflasche, die mit einem Fichtenzapfen verschlossen war.

„Was ist das?“, fragte Jens erstaunt.

„Mein Runenstab und eine Flasche Mimirswasser“, entgegnete der Gnom.

„Und wofür brauchst du das?“

„Na hör mal, du weißt aber auch gar nichts. Mit dem Runenstab können wir uns vor bösen Zaubern schützen und nach einem Schluck Mimirswasser brauchen wir eine Woche lang nichts mehr zu trinken. Denn solange werden wir wohl brauchen, um zu dem zu gelangen, der dir helfen kann.“

„Eine Woche?“, schrie Jens entsetzt, „du spinnst wohl. In einer Woche kann ich bis nach Hamburg laufen.“

„Ach ja?“, erwiderte Dwalin, denn so hieß der Gnom nämlich, „wo liegt denn diese Burg?“ „Hamburg ist eine Stadt im Norden“, entgegnete Jens genervt „und nun lass uns losgehen.“

Dwalin kletterte an Jens Rücken über seinen Hausrat auf die Schultern des Jungen. Dann setzt er sich in dessen Nacken und zeigte mit seinem Runenstab in die Richtung, wohin es gehen sollte. „Vielleicht kommen wir ja dran vorbei, an deiner Hamburg, da müssen wir nämlich auch hin, nach Norden. Das letzte Mal war hier aber noch keine Burg im Norden des Waldes.“

Jens schüttelte nur verzweifelt den Kopf und marschierte los.

Der magische Met

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