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Zukunftsplanung des amerikanischen Autobauers

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Wir wechseln die Branche, bleiben aber beim Thema, nur dass es diesmal um die erfolgreiche Zukunft eines bestehenden Unternehmens geht. Schlüpfen Sie einmal in die Rolle eines amerikanischen Autobauers, der sein Unternehmen auf die sichtbare Zukunft ausrichten möchte, indem er sich an harten Trends orientiert und Elvis-Trugschlüsse aller Art meidet. Womit beginnen Sie Ihre Zukunftsplanung?

Wie wäre es mit der Frage: Wo ist mein größter Absatzmarkt? China ist derzeit das gelobte Land der Automobilindustrie, und den größten Exportanteil der amerikanischen Hersteller hat GM. Nehmen wir an, Sie sind der Chef von GM. Dann wissen Sie etwas, das Rick Wagoner 2004 ganz offenbar entgangen war (obwohl er es hätte wissen können): Wenn Sie Ihre Spitzenposition auf dem chinesischen Markt behalten möchten, müssen Sie möglichst schnell auf neue Fahrzeugtypen umstellen, sonst hat Sie die Konkurrenz in spätestens zehn Jahren überholt. Diese Entwicklung ist nicht eine Möglichkeit von vielen, sondern steht absolut sicher fest.

Warum? Weil Kraftstoffe auf Rohölbasis in ökologischer und ökonomischer Hinsicht auf Dauer nicht tragbar sind.

In Teilbereichen hat China die Treibhausgasemissionen schon heute auf das Maß reduziert, das man sich in Kalifornien, dem umweltfreundlichsten der amerikanischen Bundesstaaten, als Zehnjahresziel gesetzt hat. Das heißt, in punkto Schadstoffreduktion hinkt Amerika den Ansprüchen des chinesischen Markts mindestens zehn Jahre hinterher. Da China an den eigenen Abgasen zu ersticken droht, ringt es sich langsam, aber sicher dazu durch, der Realität ins Gesicht zu sehen, vor der man in Amerika noch immer die Augen verschließt. Hier scheitern striktere Vorgaben zum Schadstoffausstoß und Kraftstoffverbrauch an den Milliarden Dollar, die die Autobauer in ihre Produktionsanlagen investieren müssten. Vorausschauende Planung sieht anders aus. Wenn nicht jetzt damit begonnen wird, die Fahrzeuge zu bauen, die in Zukunft gefragt sein werden, kommt die Branche mitsamt ihren Millionen sowieso unter die Räder.

Was würden Sie also tun? Mit festem Blick auf die sichtbare Zukunft versuchen Sie nicht, den neuen Standards und Ansprüchen zähneknirschend gerecht zu werden, Sie geben vielmehr Gas und versuchen, neue Standards zu setzen, die die Erwartungen des Markts übertreffen.

Schätzungen zufolge gibt es in den aufstrebenden Wirtschaftsmächten derzeit rund eine Milliarde Jugendlicher, aus denen in den nächsten fünf bis acht Jahren kaufkräftige Marktteilnehmer werden. Hinzu kommen natürlich noch viele Hundert Millionen Erwachsener, die sich jetzt Autos kaufen. Angesichts der demografischen Entwicklung lässt sich vorhersagen, dass die Nachfrage nach Neuwagen in diesen Ländern in den nächsten zehn Jahren um knapp eine Milliarde steigen wird. Das ist ein harter Trend, der sich bewahrheiten wird. Ein weicher Trend hingegen ist, wer diese Autos baut und die Gewinne einstreicht. Der Ausgang des Rennens ist noch offen und jeder Mitbewerber kann den Verlauf zu seinen Gunsten beeinflussen. Aber nur, wenn er sich eine andere Frage stellt, deren Antwort schon feststeht: Welche Fahrzeugtypen werden diese Märkte erobern?

Die Antwort lautet: kleine und wendige Stadtflitzer, die umweltfreundlich sowie kostengünstig in der Anschaffung und Wartung sind und einen kombinierten Elektro- und Verbrennungsantrieb haben. Sogenannte »Hybridantriebe« sind ein harter Trend, der sich in den fortgesetzten Bemühungen um Alternativen zur Abhängigkeit von Erdöl als Primärkraftstoff zeigt. Werden in Amerika solche Autos gebaut? Eher nicht. Aber genau solche Fahrzeuge werden in Afrika, im Nahen Osten, in Indien, China und vielen anderen Ländern Asiens reißenden Absatz finden.

Wenn Sie sich nicht auf den Märkten der aufstrebenden Wirtschaftsmächte etablieren, überlassen Sie das Feld der Konkurrenz. Der indische Automobilhersteller Tata Motors baut bereits Miniautos, die sich durch die engen Straßen und Gassen indischer Städte gut manövrieren lassen. Wie das Unternehmen verkündete, ist ein Hybridmodell des kleinsten (und billigsten) Autos der Welt, das den passenden Namen Nano trägt, in Arbeit. In Europa und Amerika sollten spätestens seit dem Verkauf von Jaguar und Land Rover an Tata Motors die Alarmglocken schrillen.

Anstatt zuzusehen, wie ein Branchenneuling innovative Ideen erfolgreich verwirklicht (wie es den Buchhändlern mit Amazon erging), würden Sie doch sicherlich sämtliche Ressourcen Ihres Unternehmens darauf bündeln, die Autos zu bauen, mit denen sich die Märkte der Zukunft erschließen lassen, nicht wahr? Oder noch besser: Wie wäre es, wenn Sie sich das Ziel setzten, die besten Autos der Welt zu bauen? Dann würden Sie mit dem Strom und nicht gegen ihn schwimmen. Stellen Sie sich nur einmal vor, welche immensen Profite Sie damit erwirtschaften könnten, welchen Imagegewinn das für Ihr Unternehmen und Ihre Marke bedeutete! Das wäre ein echter Kick, der die ganze Branche und die gesamte amerikanische Wirtschaft ankurbeln würde.

Gegenargumente wie »Mit den Preisen von Toyota kann man doch sowieso nicht konkurrieren, die sind uns mit ihrem Produktionssystem meilenweit voraus« zählen im Übrigen nicht.

Sie könnten sich schließlich ein Beispiel an dem genialen Geschäftskonzept von Dell nehmen. Als Michael Dell 1984 seine Firma gründete, hielt man das Konzept für eine Schnapsidee: Kunden, die sich ihren Wunschcomputer nach einem Baukastensystem zusammenstellen? Vorauskasse, ohne das Produkt im Laden begutachten zu können? Just-in-Time-Beschaffung entlang der Lieferkette von Dells externen Zulieferern? Das würde doch nie funktionieren! Und ob das funktionierte! Dell war seiner Zeit weit voraus und hatte durchschlagenden Erfolg. Später wurde Dell leider zu groß und selbstherrlich und begnügte sich damit, seinen Goldesel zu melken, anstatt weiter Pionierarbeit zu leisten. Just-in-Time-Beschaffung, effiziente Abläufe innerhalb der Lieferketten sowie auf Kundenwünsche maßgeschneiderte Lösungen sind heute jedoch wichtiger denn je.

Henry Ford, Gründer der Ford Motor Company, soll einmal gesagt haben, das Ford Modell T (»Tin Lizzy«) sei in jeder beliebigen Farbe zu haben, sie müsste nur schwarz sein. Ford führte die Fließbandtechnik im Automobilbau ein, ein Fertigungsprozess, dessen Effizienz auf der Gleichartigkeit der Produkte beruht. Für die damalige Zeit war industrielle Massenproduktion ein wahrhaft revolutionäres Konzept. Nach über hundert Jahren sollten die amerikanischen Autobauer aber doch langsam mal auf zeitgemäße Systeme umstellen. Stattdessen wird über die beschränkten Möglichkeiten der veralteten Fertigungsstraßen gejammert und der Kunde für jedes noch so kleine Extra ordentlich geschröpft. Stand der Fertigungstechnik ist heutzutage, dass es kaum noch einen Unterschied macht, ob 100 verschiedenartige Einzelteile oder 100 identische Teile gefertigt werden. Besinnen wir uns auf den altbekannten Spruch »Der Kunde ist König«, denn genau so will der Verbraucher im 21. Jahrhundert bedient werden.

Was spricht dagegen, kundenspezifische Autos auf Bestellung zu fertigen, die Teilefertigung an Zulieferer auszulagern und sich die massiven Betriebs- und Personalkosten eigener Produktionsstätten zu sparen? Warum entwerfen Sie nicht einfach einen Online-Katalog mit allen Bauteilen und Ausstattungsmerkmalen, aus dem sich Ihre Kunden ihr Traumauto nach dem Baukastenprinzip selbst zusammenstellen können? Bezahlt wird vorab, sodass Sie wiederum die Zulieferer bezahlen können, die das Auto nach Kundenangaben zusammenbauen. Anstatt Milliarden in eigenen Produktionskapazitäten zu binden, finanzieren Sie den Autobau über das Geld der Kunden.

Auf den Computern von Dell, IBM und Apple steht »Made in Taiwan«; in welchem Land sie gefertigt werden, spielt aber keine Rolle. Es sind trotzdem Markenprodukte, die nach den strikten Qualitäts- und Markenstandards von Dell, IBM und Apple gefertigt werden. Auch GM könnte die Produktion ins Ausland verlagern.

Das muss aber gar nicht sein. GM könnte auch getrost weiterhin in Amerika mit einheimischen Arbeitskräften produzieren. Toyota lässt schließlich auch den Großteil der für den amerikanischen Markt bestimmten Autos mit amerikanischen Arbeitskräften in den USA fertigen. Vielleicht ließe sich mit Toyota als Hauptproduzent Ihrer kundenspezifischen Autos ein guter Deal aushandeln. Amerikanische Arbeitskräfte fertigen die Autos Ihrer Kunden nach Toyota-Spezifikationen, das fertige Produkt wird aber als Ihre Marke verkauft. Die unzähligen Kombinationsmöglichkeiten, die Ihre Kunden dank des Baukastenprinzips haben, müssen natürlich überprüft und technisch abgesichert werden; daher brauchen Sie jede Menge Kraftfahrzeugingenieure. Und mit wachsender Beliebtheit Ihrer individuell nach Kundenwünschen gefertigten Autos wird in Ihren Betriebsstätten Belegschaft auf- statt abgebaut.

Bevor Sie die ersten konkreten Schritte unternehmen, sollten Sie sich jedoch erst einmal von der überholten Vorstellung lösen, Sie seien ein amerikanischer Autobauer. Verstehen Sie sich stattdessen als global agierendes Unternehmen, das weltweit mit Arbeitskräften vor Ort produziert und jeden Absatzmarkt bedient. Können Sie strategische Allianzen mit Mitbewerbern wie Tata Motors schließen? Oder können Sie selbst eine Produktionsstätte in Indien eröffnen? China hat akzeptiert, dass umweltschädliche Benzinschlucker keine Zukunft haben, und hat sich das Ziel gesetzt, sich weltweit als führender Anbieter von Hybridfahrzeugen zu positionieren. In China zu produzieren, wäre gewiss auch keine schlechte Idee.

Wenn Sie schon den Wandel hin zu einem globalen Autobauer vollziehen, können Sie sich auch gleich in einen umweltbewussten globalen Mitspieler verwandeln. Statt (wie bei GM bisher üblich) Ihre in China gefertigten Autos zuerst zurück nach Amerika und dann zu den Verkaufsniederlassungen zu transportieren, verkaufen Sie Ihre Autos auf den regionalen Märkten der jeweiligen Fertigungsstandorte. Das ist doch viel umweltfreundlicher und schafft Arbeitsplätze an den Standorten Ihrer Produktionsstätten.

Damit hätten Sie viele, aber noch nicht alle Probleme gelöst. Die größten Hürden stellten arbeitsrechtliche Fragen und die Gesundheitsfürsorge dar. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen müssten bereit sein, der Zukunft ins Auge zu blicken, um sich zu modernisieren und Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen als Chance zu begreifen, anstatt sich an die Errungenschaften vergangener Jahrzehnte zu klammern. Auch hier gilt, dass man sich von alten Vorstellungen lösen muss: An die Stelle der lebenslangen Beschäftigung tritt die lebenslange Beschäftigungsfähigkeit. Was die unternehmerische Gesundheitsfürsorge für Arbeitnehmer angeht, sind radikal neue Ansätze erforderlich. Auf beide Themen werde ich später noch ausführlicher eingehen, mit der soeben beschriebenen Generalüberholung wären Sie als amerikanischer Autobauer aber auf alle Fälle gut beraten.

Bei einer Zukunftsstrategie auf der Basis sicherer Fakten ist der Erfolg vorprogrammiert, während die Risiken minimal bleiben. Wenn Sie die sichtbare Zukunft aus harten Trends ablesen und den Verlauf weicher Trends zu Ihren Gunsten verändern – wenn Sie diese Unterscheidung treffen und entsprechend agieren –, verschaffen Sie sich die Sicherheit, die Sie für die erfolgreiche strategische Planung Ihrer geschäftlichen Aktivitäten benötigen. Dann wird Ihr Unternehmen nicht nur überleben, sondern über viele Jahre beständiges Wachstum verzeichnen.

Hoffnung ist kein stabiles Fundament für die Zukunft, Sicherheit schon.

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