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Zyklischer Wandel

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Im Buch Ecclesiastes schrieb König Salomo: »Windhauch, Windhauch, das alles ist Windhauch.« Jahrhunderte später formulierte der griechische Philosoph Heraklit die Vergänglichkeit allen Seins als »Panta rhei« – alles fließt – und in der Schriftensammlung Daodejing schrieb der chinesische Philosoph Laotse: »Das einzig Beständige ist der Wandel.«

So ist es. Das Einzige, was sich nie ändert, ist, dass sich alles immerzu verändert. Die einzige Konstante in unserem Leben ist, dass alles ständig in Bewegung ist. Ein ziemlich beunruhigender Gedanke, oder? Ist unser Streben nach Sicherheit nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn sich doch alles permanent verändert?

Nein, ganz und gar nicht, denn gerade in der Beständigkeit des Wandels liegt der Schlüssel, ihn vorwegzunehmen. Im Wandel zeichnen sich bestimmte Muster ab, die erkennen lassen, dass sich manche Dinge mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks verändern.

Es gibt zwei Arten des Wandels, die ein hohes Maß an Sicherheit bieten. Die erste ist der zyklische Wandel.

Der zyklische Wandel zeichnet sich durch relativ viele sichere Fakten aus. Während ich diese Zeilen schreibe, ist in der nördlichen Hemisphäre der Welt Herbst. Ich kann also problemlos vorhersagen, dass in etwa sechs Monaten Frühling sein wird. Die Natur bietet uns unzählige Beispiele des zyklischen Wandels, zu denen unter anderem der Wechsel der Jahreszeiten und der jeweiligen klimatischen Bedingungen, der Wachstumszyklus der Pflanzen, zyklische Herdenwanderungen der Tiere, Ebbe und Flut und so weiter gehören. Das Wissen um diese zyklischen Muster war entscheidend für die Entwicklung der ersten Zivilisationen der Menschheit. Die Geschichte der Zivilisation ist untrennbar mit der Beobachtung und Erforschung zyklischer Veränderungen verbunden, die sich die Menschheit zunutze machte, um ihre Überlebenschancen zu verbessern.

Auch die ökonomischen und politischen Verhältnisse verändern sich zyklisch. Fetten Jahren folgen magere Zeiten, den Expansionsbestrebungen folgen Defensivstrategien. Shakespeare schrieb: »Es gibt Gezeiten für der Menschen Treiben; nimmt man die Flut wahr, führt sie uns zum Glück.« Kein Bereich unseres Lebens ist davon ausgeschlossen. Preise und Zinsen steigen und fallen. Einmal verfügen die Demokraten über die Mehrheit im Kongress, das andere Mal die Republikaner. Dem Ruf nach mehr Sicherheit, straffer Führung und staatlicher Regulierung folgt der Ruf nach weniger Einmischung und mehr Liberalisierung. Die gesellschaftlichen Normen werden abwechselnd großzügiger und restriktiver. Das Pendel schwingt bis zum Anschlag mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung.

Unser politisches, wirtschaftliches, gesellschaftliches und privates Treiben ist Gezeiten unterworfen, die uns abwechselnd Ebbe und Flut bescheren. Der Puls der Zeit ist der Herzschlag unserer Gesellschaft, in dessen Takt wir uns für Neues öffnen und vor ihm verschließen, sich Stimmungen verbreiten und wieder abebben, sich progressive Weltoffenheit und konservativer Protektionismus abwechseln. Diese zyklischen Trends oder »Stimmungsschwankungen« spiegeln sich in der Mode, der Innenpolitik und in den internationalen und persönlichen Beziehungen wider. Uns sind mehr als 300 konkret unterscheidbare zyklische Prozesse bekannt, die bis zu einem bestimmen Grad präzise Zukunftsprognosen ermöglichen.

Beispiele zyklischer Prozesse

Aussaat und Ernte

Geburt und Tod

Tag und Nacht

Die Gezeiten und Mondphasen

Die Jahreszeiten

Die Migrationszyklen in der Tierwelt

Aktienkurse

Wirtschaftlicher Auf- und Abschwung

Konjunkturen und Flauten in der Bau- und Immobilienbranche

Saisonale Umsatzverläufe

Steigende und fallende Zinsen

Die aufmerksame Beobachtung zyklischer Schwankungen ist eines der Erfolgsgeheimnisse des schwerreichen Investors Warren Buffett. Er ist ein wahrer Meister darin, »die Gezeiten für der Menschen Treiben« wahrzunehmen. Seine oft zitierte Investment-Philosophie – »Sei gierig, wenn andere ängstlich sind, sei ängstlich, wenn andere gierig sind« – haben wir in der Einleitung als treffende Beschreibung für den Impuls der Richtungsumkehr erwähnt, doch genauso treffend beschreibt sie das Prinzip des zyklischen Wandels. Buffets simples Motto veranschaulicht den Wert sicherer Fakten für Zukunftsprognosen. Was lässt sich mit Sicherheit vorhersagen, wenn der Markt schrumpft oder expandiert? Dass zwangsläufig schon bald der Impuls in die Gegenrichtung erfolgt.

2008 wurde die US-amerikanische Wirtschaft von der größten Finanzkrise seit der Großen Depression in den 1930er Jahren erschüttert. Warum konnte es in unserer durchorganisierten, postmodernen Welt überhaupt noch zu einer derartigen Krise kommen? Weil wir die Gesetzmäßigkeiten des zyklischen Wandels hartnäckig ignorierten. Hatten wir wirklich geglaubt, der Immobilienmarkt wachse einfach immer weiter? Hatten wir ernsthaft mit einer kontinuierlichen Steigerung – oder wie in manchen Fällen gar mit einer jährlichen Verdopplung – der Immobilienwerte gerechnet? Nach unserem Verhalten zu urteilen, scheinen wir genau darauf spekuliert zu haben.

Es war uns natürlich klar, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Kein Mensch glaubt ernsthaft an eine permanente Wertsteigerung. Jedes Schulkind weiß, dass alles, was ansteigt, garantiert auch wieder fällt. Wir haben uns einfach von der allgemeinen Begeisterung, vom Rausch der großen Gewinne mitreißen und blenden lassen. Wir haben uns der trügerischen Hoffnung hingegeben, dass der Markt immer weiter wächst und der Wendepunkt, an dem er sich mit schöner Regelmäßigkeit zyklisch selbst korrigiert, ausnahmsweise nicht erreicht wird. Wir ignorierten, was wir wussten, und ließen uns von dem in die Irre führen, was wir nicht wussten. Wir haben glatt vergessen, von sicheren Fakten auszugehen.

Vielleicht stimmen Sie mir im Prinzip zu, denken sich aber: Kein Mensch konnte mit Sicherheit vorhersehen, wann der Wendepunkt erreicht wäre und die Werte ins Bodenlose stürzen würden.

Doch es war vorhersehbar. 2005 wies Robert J. Shiller, Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Yale Universität und Autor der Bücher Irrational Exuberance und The Subprime Solution in einem Radiointerview darauf hin, dass die US-amerikanischen Immobilienpreise jeglichen Bezug zur ökonomischen Realität verloren hätten. Er bezeichnete den Immobilienmarkt als »Blase«, die früher oder später hundertprozentig platzen würde. Dies sei, so betonte Shiller, nur eine Frage der Zeit.

Auch ohne Studium der Wirtschaftswissenschaften hätte man die Zeichen richtig deuten können – wenn man es gewollt hätte. Was die Blase letzten Endes zum Platzen brachte, war die große Masse an Subprime-Hypotheken mit flexibler Verzinsung (sogenannte »Adjustable-Rate Mortgages«, ARMs), für die anfänglich ein niedriger Lockvogelzinssatz galt, der nach fünf bis sieben Jahren drastisch angehoben wurde. Der Immobilienboom begann im Jahr 2000 und zwischen 2002 und 2003 wurde ein sprunghaftes Wachstum verzeichnet. Wenn wir nun von den Jahren 2002 – 2003 als Startzeitraum ausgehen und fünf Jahre hinzuaddieren, sind wir in den Jahren 2007 – 2008 angelangt – in denen der Finanzmarkt in sich zusammenbrach. Die amerikanischen Hauseigentümer konnten aufgrund der gestiegenen Zinssätze ihre Kredite nicht mehr bedienen und sahen sich gezwungen, ihre Häuser zu verkaufen, doch zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Immobilienpreise bereits im freien Fall. Zahlreiche ARMs mit siebenjähriger Zinsfestschreibung sollten in den Jahren 2009 – 2010 an den Markt gekoppelt werden, was eine wahre Flut an Zwangsvollstreckungen auslöste. Für eine so komplexe und weltumspannende Krise waren natürlich noch viele weitere Faktoren verantwortlich, was jedoch nichts daran ändert, dass sich an ihr die Vorhersehbarkeit zyklischer Veränderungen veranschaulichen lässt.

Die Wahrheit ist: Die meisten Leute sahen die Krise kommen, hofften aber wider besseren Wissens, dass sie nicht eintritt. Eine Zukunftsstrategie lässt sich jedoch nicht auf Hoffnung, sondern nur auf Gewissheit gründen.

Dieselbe sträfliche Ignoranz führte dazu, dass zwischen 1998 und 2000 die Dotcom-Blase platzte. Im März 2000, dem Monat, in dem das NASDAQ-Börsenbarometer seinen Scheitelpunkt erreichte, machten sich einige erfahrene Börsianer Waren Buffetts Motto zu eigen und zogen sicherheitshalber ihr Kapital aus dem Technologiemarkt ab. Und während die große Mehrheit bei dem Börsencrash im Herbst 2008 Panikverkäufe tätigte, um ihre implodierenden Aktienportfolios schnellstmöglich loszuwerden, gab es ebenfalls einige erfahrene Investoren, die still und heimlich die am schwersten getroffenen Kapitalwerte aufkauften. Warum? Weil sie aus Erfahrung wussten, dass der zyklische Wandel unaufhaltsam voranschreitet. Und das ist keine Spekulation, sondern eine sichere Tatsache.

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