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Feuer und Nahrung

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Was den Homo erectus am deutlichsten von allen anderen Geschöpfen unterschied, war die systematische Benutzung von Feuer. Laut einigen Anthropologen gibt es direkte Überreste ihrer Feuer, etwa Holzkohle, verbrannte Knochen und Herdsteine, in Bouche de l’Escale in Frankreich (350 000–250 000 Jahre alt), in Vertesszölös in Ungarn und Terra Amata in Frankreich (rund 250 000 Jahre alt), sowie 150 000 Jahre alte Ascheablagerungen in der israelischen Hayonim-Höhle. Danach werden die Feuerspuren in Westeuropa und China häufiger; ab 110 000 Jahren gibt es viele Spuren.

Frühere Hominiden nutzten vielleicht natürliches Feuer, das durch Blitze entstanden war. Archäologen haben verbrannte Samenkörner, Holz und Feuersteine im israelischen Gesher Benot Ya’akov gefunden, die mindestens 790 000 Jahre alt sind.7 Außerdem gibt es laut dem Archäologen Richard Wrangham „faszinierende Hinweise“ auf Feuerkontrolle an zwei Fundorten in Kenia – Chesowanja und Koobi Fora, die 1,42 bzw. 1,5 Millionen Jahre alt sind – und deutlichere Spuren für menschliche Feuerkontrolle im südafrikanischen Swartkrans, die eine Million Jahre alt sind.8 Diese Funde sind aber noch umstritten.

Das bedeutet nicht, dass der Homo erectus ein Feuer entzünden konnte. Noch im frühen 20. Jahrhundert wussten einige indigene Völker auf Tasmanien und den Andamanen, wie man ein Feuer nährte, aber nicht, wie man es entzündete. Wahrscheinlich fand der Homo erectus natürliche Feuer, die aus Blitzen entstanden, und benutzte einen brennenden Ast, um anderes Holz anzuzünden. Diese Aktivitäten – das Ergreifen eines brennenden Asts, sein Transport an einen sicheren Ort, das Sammeln von Feuerholz und das Nähren des Feuers – mussten über Tausende von Jahren erlernt werden.9

Wrangham ist der Auffassung, es gebe neben den Resten von Feuerstellen weitere Hinweise, dass der Homo erectus das Feuer nutzte. Schlachtplätze beweisen, dass er Fleisch aß, doch seine kleinen Zähne, Kiefermuskeln und Gedärme konnten rohes Fleisch nicht effizient kauen oder verdauen. Also musste er es braten. Auch Knollen und Wurzeln mussten gekocht werden, um essbar zu sein, damit sie weich wurden oder Giftstoffe entfernt wurden. Daher muss er systematisch Feuer genutzt haben.10

Die Kontrolle des Feuers hatte noch weitere Konsequenzen. Es verscheuchte andere Tiere und ermöglichte es dem Homo erectus, nachts am Boden zu bleiben, sicher vor nachtaktiven Raubtieren und Schlangen. Vielleicht härtete er die Spitzen von Holzspeeren oder Knochenteile im Feuer. Mit dem Verlust der Körperbehaarung brauchte er Feuer, um nachts warm zu bleiben, vor allem in kühleren Regionen wie Europa und China.11 Ein Feuer zu nähren und nachts darum herumzusitzen, förderte vielleicht auch den sozialen Zusammenhalt und die Kommunikation, womöglich sogar die ersten Stufen zur Sprache.12

Der Besitz von Feuer ist ein Schlüssel zur Evolution des Homo erectus. Wahrscheinlich spielte auch der Klimawandel eine Rolle, aber es ist wahrscheinlicher, dass der bestimmende Faktor das Feuer war. Während die Vorfahren des Homo erectus ihre Nahrung roh zu sich nahmen, fanden einige vielleicht Fleisch oder Knollen, die in einem natürlichen Feuer geröstet waren, oder ließen ein Stück Fleisch oder eine Knolle hineinfallen und fanden das Ergebnis so schmackhaft, dass sie es erneut versuchten. Mit dieser neuen Methode der Nahrungszubereitung wurden die, die sich Feuern zu nähern wagten, vielleicht erfolgreichere Jäger, fielen Raubtieren seltener zum Opfer und hatten mehr überlebende Kinder. Schließlich überwogen die Feuernutzer die anderen, und ihre Nachkommen entwickelten Kiefer und Gedärme, die der neuen Nahrung angepasst waren.

Die Feuerkontrolle forderte auch ihre Gehirne heraus, denn sie verschaffte denen mit größeren Gehirnen einen Vorteil, da ihre Kinder in größerer Zahl überlebten als die von Eltern mit kleineren Gehirnen. Wenn es so war, ist es das erste Beispiel für eine kulturelle Evolution, die einer biologischen vorausgeht und sie sogar bewirkt. Nach Wranghams Worten unterstützen „die Verkleinerung der Zähne, das Vorhandensein von mehr Energie, das sich in größeren Gehirnen und Körpern ausdrückt, die Anzeichen kleinerer Därme und die Fähigkeit, neue Lebensräume auszunutzen, die Idee, dass das Kochen die Evolution des Homo erectus auslöste“.13

Veränderte das Auftreten des Homo erectus auch die Umwelt, in der er lebte? Für den Waldhistoriker Michael Williams war es so: „Durch das Feuer bewirkten die Menschen die erste große ökologische Transformation der Erde.“ Doch diese Transformation kam später, denn andere Forscher haben keine Hinweise auf Umweltveränderungen gefunden, die auf den Homo erectus zurückgehen. Er war vielleicht menschlich, aber noch nicht menschlich genug, um die natürliche Umwelt zu verändern, in der er lebte.14

Macht euch die Erde untertan

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