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Leben ohne Depression und die Angst davor

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Ich versuche mir etwas bewusst zu machen, was mir schon lange im Kopf herumschwirrt. Es ist ein Thema, welches der eine oder andere nicht einsehen kann oder will. Oder geht es nur mir so? Es wurde in letzter Zeit zu einem wichtigen Thema und Teil meiner Therapie.

Im ersten Moment könnte man es sicher falsch verstehen. Es hat jedoch nichts damit zu tun, dass ich nicht gesund werden will, auch wenn es sich beim ersten Lesen so anhört.

Mir wird nach 14 Jahren der Depression langsam etwas sehr Unangenehmes bewusst. Ich denke, es ist ein wichtiger Schritt, den ich mir selbst eingestehe: Nach so langer Zeit fühle ich mich in der Depression zu Hause. Ich identifiziere mich mit ihr und sie gehört zu meiner Persönlichkeit.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nach dieser Zeit eine wahnsinnige Angst davor entwickelt habe, wie es wäre, ohne diese Krankheit zu leben. Es ist nicht der Wunsch, nicht wieder gesund zu werden, der sich in mir breit macht. Sondern viel mehr die Angst vor dem Gefühl, glücklich zu sein. Ich kann mich nicht erinnern, wie es sich vor dem Ausbruch der Erkrankung „Depression“ angefühlt hat.

Ich habe gute und schlechte Momente. Richtig glücklich war ich seit Jahren nicht mehr. Viel mehr nehmen die Momente mit Selbstmordgedanken und negativer Stimmung mein Leben ein.

Ich will das absolut nicht. Die Erkenntnis, dass ich Angst vor einem Leben ohne Depression habe, ist mir klar. Und so klar will ich den Rest auch sehen. Ich habe Angst vor einer anderen Wirklichkeit. Aber ich habe auch Angst vor dem Absetzen der Medikamente. Auch wenn ich sie eines Tages nicht mehr brauche. Ich genieße die Gespräche mit meinem Therapeuten und ich habe Angst vor der Zeit, wenn ich diese nicht mehr habe. Wenn man Jahre lang “krank“ ist, kann man sich mit vielen Menschen mit derselben Erkrankung identifizieren. Das Leben mit Depression lässt einen im Kreis laufen, wenn man immer in derselben Stimmung ist und wiederholt dieselben Gedanken und Themen bespricht.

Was bleibt einem noch, wenn die Themen, die einen über Jahre hinweg beschäftigt und eingenommen haben, plötzlich nicht mehr da wären?

Ich will gesund werden! Doch das scheint mir im Moment noch sehr weit entfernt. Ich werde weiter daran arbeiten, meine Angst vor dem normalen Leben abzulegen. Nicht nur diese Angst macht eine Depression aus.

Eine Depression besteht aus vielen Faktoren. Nicht nur durch das Umdenken allein kann man wieder gesund werden. Gehirnaktivitäten sind gestört, weshalb ein Mensch mit Depression manchmal gar nicht anders kann.

Einige Menschen glauben, die Pharma-Industrie und Therapeut*innen hätten nur wenig Arbeit. In Wahrheit sind psychologische Praxen bis oben hin gefüllt, sodass Klient*innen, die einen Therapieplatz in Anspruch nehmen wollen, monatelang warten müssen, bis sie überhaupt einmal ein Erstgespräch bekommen.

In fast allen Fällen sind körperliche Faktoren beim Ausbruch einer Depression ausschlaggebend.

Ich möchte abschließend sagen: “Ich habe Angst vor einem Leben ohne Depression. Ich würde dennoch alles tun, um sie abzuwerfen.“

Ich leide an Multiple Sklerose. Das ist eine schwere Krankheit, die mein Leben bedroht. Doch viel lebensbedrohlicher empfinde ich die Depression und das, was sie aus einem machen kann.

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