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Erste Therapiesitzung

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Ich hatte vor Beginn der ersten richtigen Psychotherapie schon viele therapeutisch anmutende Gespräche, zum Beispiel psychologische Austestungen und Intelligenztests. Diese begannen schon im Kleinkindalter, doch meine erste richtige Psychotherapie begann ich mit etwa zwölf Jahren.

Ich stand kurz vor einer großen Operation und meine Eltern waren der Meinung, dass zur Vorbereitung auf den Eingriff einige Gespräche mit einem Therapeuten nicht schaden könnten.

Ich war von dieser Idee am Anfang nicht sehr begeistert, schließlich war ich aus meiner Sicht kein sogenanntes „Problemkind“ und mir war der Sinn einer Therapie nicht klar.

Zum ersten Therapiegespräch mit Dr. Christoph Thoma begleitete mich meine Mutter.

Eigentlich redeten die meiste Zeit die beiden, meine Mutter schilderte die Situation und ich beantwortete nur beiläufig einige Fragen zu meinem Befinden und was ich neben der Schule so mache. Christoph (wir einigten uns sehr schnell darauf, dass ich ihn mit Vornamen ansprach) versuchte zwar immer wieder mich mit einzubeziehen, aber an diesem Tag wurde mehr über mich als mit mir gesprochen.

Eine Woche später hatte ich dann das erste Einzelgespräch mit ihm. Die ganze Woche zerbrach ich mir den Kopf darüber, wovon ich reden sollte und was er mich wohl fragen würde.

Worüber sollte man 45 Minuten mit einem zwar sehr sympathischen, aber fremden Menschen sprechen? Mir war bis dahin nicht klar, wie eine richtige Psychotherapie abläuft.

Auch kurz vor der ersten Stunde hatte ich noch keine konkrete Idee, selbst als ich schon vor ihm saß und ich war sehr nervös.

Ich kannte nur diese typische Situation von Patient*innen auf der Couch aus amerikanischen Fernsehserien, aber ein klares Bild über den Ablauf hatte ich trotzdem nicht. Es war dann doch ein bisschen anders.

Als guter Therapeut hat mich Christoph mit gezielten Fragen und Themen sicher durch diese Stunde geführt. Ich lag nicht, aber ich saß ihm gegenüber auf einer Couch und er stellte seine erste, typische Frage: „Wie geht es Dir?“. Und meine damals typische Antwort lautete: „Eigentlich ganz gut.“

Eigentlich … mit diesem Wort wollte ich dann oft ausdrücken, dass es mir „eigentlich“ doch nicht so gut ging. Bis heute, gefällt es mir nicht, gefragt zu werden, wie es mir geht, da ich oft das Gefühl habe, dass mein Gegenüber mit einer ehrlichen Antwort gar nicht wirklich umgehen kann. Christoph habe ich das damals auch nicht zugetraut. Ich versuche noch heute ihm diese Frage abzugewöhnen und mittlerweile kennt er mich so gut, dass er schon weiß, wie es in mir aussieht, wenn ich beim Eintreten nur „Hallo.“ sage. Trotzdem meint er, es ist seine Aufgabe als Psychotherapeut mir genau diese Frage immer wieder zu stellen.

Heute beantworte ich diese Frage selten konkret, sondern kontere einfach mit der Gegenfrage: „Und wie geht es Dir?“.

Ich hatte und habe bis heute das Bedürfnis, die Menschen vor meinen Problemen, vor meinen Gefühlen, vor meinen Ängsten und somit auch irgendwie vor mir selbst zu schützen. Erst Schritt für Schritt habe ich gelernt, meine Geschichte zu erzählen und mich ihm gegenüber wirklich zu öffnen, ohne die Angst zu haben, ich könnte sein Mitleid erregen.

Man muss über die Zeit erst lernen, wie Psychotherapie funktioniert.

Die andere Seite der Couch

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