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Achtsamkeit oder Bewusstheit als Weg zur Veränderung

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Unsere Gefühle sind allgegenwärtige Bestandteile unseres wachen Seins. Und doch nehmen wir sie erst ab einer gewissen Intensität wahr. Wir lernen in unserer Sozialisation normalerweise nicht, dass sie etwas sind, auf das wir achten, das wir zu einer wichtigen Grundlage für unser Denken und Handeln machen sollten. Und doch bilden sie unser Sein in der Welt und unser Sein mit uns selbst vollständig ab, indem sich alle unsere Beziehungen auch im Kleinsten durch sie interpretiert finden. Wir fühlen uns – grob ausgedrückt – zumindest wohl oder unwohl in der Nähe von Menschen, Tieren, der Natur, Farben, Gegenständen – von allem, zu dem wir irgendwie in Beziehung treten. Die Herkunft dieses Gefühls (und aller anderen) ist vielfältig mit den Erlebnissen (und den daraus resultierenden Gefühlen) unserer Vergangenheit verbunden.

Diese Verbindungen sind selten eindeutig nachvollziehbar. Zwar können einzelne Schwerpunkte erschlossen und ihre Beteiligung am späteren Fühlen und Erleben vermutet werden, aber letztlich ist die Bedeutung der Vergangenheit nicht mit Sicherheit anzunehmen. Ein Maß für die Direktheit und Intensität der Verbindung ist das »Wiederaufflammen« des alten Gefühls, wenn Ähnliches erlebt wird.

Jedenfalls kann die Intensität der Gefühle reduziert werden, indem sie wahrgenommen und nicht bewertet werden. So kann es beispielsweise sein, dass beim Anblick eines Kindes, das ein bestimmtes Verhalten zeigt, Ärger empfunden wird, weil (möglicherweise) in der Vergangenheit ein Kind mit ähnlichem Verhalten das Spielzeug des eigenen Kindes beschädigt oder etwas gestohlen hat. Dann hilft es, den eigenen Ärger wahrzunehmen, ihn als »berechtigt« zu akzeptieren, das damit in Verbindung stehende Kind wahrzunehmen, sich aber gleichzeitig seine Unschuld an diesem Gefühl in sich selbst bewusst zu machen.

Durch dieses Wahrnehmen und Akzeptieren entsteht Distanz. Man ist nicht mehr Spielball der Gefühle, sondern kann sie beobachten. Statt zu reagieren, agiert man. Die Gefühle und ihre Wirkungen entflechten sich.

Indem wir also unsere Gefühle auf diese Weise behandeln, gewinnen wir Abstand zu den unbewussten Beziehungen, mit denen wir uns und der Welt begegnen. Dadurch nehmen wir uns zunehmend als getrennt von der Welt wahr, in dem Sinne, dass wir weniger fremdbestimmt sind und über unser Verhalten von Situation zu Situation selbst entscheiden können. Wir erhalten einen deutlich größeren Handlungsspielraum zu entscheiden, ob wir uns verknüpfen oder es sein lassen. Das führt zu einem Gefühl der inneren Zufriedenheit mit uns selbst und der Welt. Es entsteht eine sich allmählich vertiefende Ruhe aus uns selbst heraus. Sie schafft Heiterkeit und reduziert alle schädigenden Gefühle.

So gesehen sind Gefühle nicht sinnvoll oder sinnlos und auch nicht gut oder schlecht, sie sind einfach und haben ihre Berechtigung durch ihre Existenz. Sie verändern sich in ihren Auswirkungen auf uns, indem sie wahrgenommen und akzeptiert werden.

Man hört oft Aussprüche wie: »Wenn du das tust, muss ich mich ärgern.« Im eben beschriebenen Sinne verliert sich die angenommene Zwangsläufigkeit, sobald ich mir bewusst mache, dass mein Ärger nicht die einzige mögliche Reaktion ist. Er entsteht auf der Grundlage meiner bisherigen Erfahrungen. Ich sehe, dass sein Handeln von meinem Ärger getrennt existiert. Zwar kann ich mich ärgern – und das auch akzeptieren –, aber ich muss es nicht. Indem wir die Verbindung zwischen dem Ärger und dem vorausgegangenen Handeln erkennen und akzeptieren, verliert der Ärger seine Macht und seine schädigende Wirkung auf den Körper. Im idealen Fall entwickelt sich Verständnis sowohl für den Handelnden als auch für das eigene Re-Agieren. Beide werden nun frei, sich anders zu verhalten.

Man wird das Ziel, alle Gefühle in dieser Weise stets akzeptierend wahrzunehmen, kaum je vollständig erreichen, aber alleine das Streben danach bringt mehr Freiheit, mehr Gesundheit, authentischere Beziehungen und mehr Weisheit.

Die beschriebene wahrnehmende und akzeptierende Haltung gegenüber Gefühlen zu entwickeln wird in den Geschichten auf vielfältige Weise gefördert.

Die Melodie der Ruhe

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