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Der Aufbau der Geschichten

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In den Geschichten realisiere ich Prinzipien aus der Hypnotherapie nach Milton H. Erickson, um durch Trancen konstruktive Veränderungen herbeizuführen. Die Begriffe »Entspannung« und »Trance« verwende ich oft synonym, weil durch die Texte ein entspannter Zustand hervorgerufen und eine Trance begünstigt wird. Trancen sind nicht immer von körperlicher Entspannung begleitet. Entspannungen müssen auch nicht immer in eine Trance münden. In meinen Texten verbinde ich jedoch beides.

Trance in diesem Sinne ist ein wohlbekannter Zustand, der täglich vielfach unwillkürlich auftritt. Er bedeutet einen Bewusstseinszustand, der dem Schlaf ähneln kann. Die Aufmerksamkeit ist nicht fokussiert, das Bewusstsein wendet sich vom Alltagsgeschehen ab. Ein Gefühl des Schwebens zwischen Wachsein und Schlaf tritt ein, mal näher dem Wachsein, mal näher am Schlaf. Oft vergisst man, was man in diesem Zustand getan oder gehört hat.

Man kennt Trance-Zustände von alltäglichen Verrichtungen, die sehr häufig durchgeführt werden, wie beispielsweise Zähneputzen, Rasieren, Autofahren, das Spielen eines Instruments oder auch berufliche Routinen. Der Klavierspieler bedient sich der sehr feinen Wahrnehmungen seines Unbewussten, das seine Fingermotorik mit seinem Gehör und seinem Gedächtnis sehr fein koordinieren kann, so dass wir schöne Melodien hören können. Sobald der Spieler dagegen dieses Zusammenspiel bewusst koordinieren möchte, werden seine Finger langsamer, das Spiel beginnt zu stocken. In diesem Sinne sind Trancen hilfreiche Zustände, um unbewusste Fähigkeiten nutzen zu können.

Die Geschichten gliedern sich in:

•Die Einleitung (Induktion), die meist mit der Wahrnehmung der momentanen Höreindrücke beginnt, dann auf den Körper überleitet, oft auf die Wahrnehmung seiner Schwere und seiner Wärme. Aus dem autogenen Training (Wilk 2004, 2007) ist bekannt, dass durch das Spüren der Schwere und Wärme des Körpers die Entspannung wesentlich gefördert und – nach mehrmaliger Anwendung – auch deutlich beschleunigt werden kann. Diese Wirkung begünstigt auch das Herbeiführen einer entspannten Trance.

Das möglichst genaue Einstellen auf den Leser oder Hörer und die Rückmeldungen seiner Wahrnehmungen wird »Pacing« genannt. Durch die Einleitung löst sich das Denken leichter vom Alltag, von den eigenen beschränkenden Einstellungen und öffnet sich für Entspannung und die Beschäftigung mit anderen Inhalten. Dadurch wird der Boden für die Nutzung von eigenen Kräften (Lösungsmöglichkeiten, Heilkräften) bereitet, was im »normalen« Denken als nicht realistisch angesehen wird.

Leading mit Vertiefung: Dem Leser wird im nächsten Schritt angeboten, sich von den jeweiligen Inhalten des Textes leiten zu lassen und dabei unter anderem die Entspannung zu vertiefen. In der vertieften Trance ist der Leser seinem Unbewussten näher, in welchem die Fähigkeiten aufgerufen und koordiniert werden, die für die gewünschten Veränderungen genutzt werden sollen. Außerdem werden in jeder tiefen Entspannung ganz natürlich alle gesunden Vorgänge aus dem Menschen selbst heraus gefördert. Dazu gehört auch die konstruktive Integration traumatischer Erlebnisse.

Therapeutische Inhalte als Anregungen: Die therapeutischen Inhalte in meinen Texten fördern eine akzeptierende Öffnung der Wahrnehmung, eine konstruktive Veränderung der Perspektiven, mit denen das Leben gesehen werden kann und unterstützen eigene Ressourcen, insbesondere die Heilkräfte, die in jedem Menschen wirken. Sie werden oft indirekt angeboten, indem sie in Bilder oder Vergleiche »verpackt« sind, so dass sie die bewussten Einschränkungen leichter umgehen können.

Das aufnehmende Unbewusste des Hörers interpretiert die Anregungen in seinem subjektiven Bezugsrahmen und entscheidet selbst über deren Verwendbarkeit. Um nicht zu manipulieren, sondern die Verwendung der Anregungen freizustellen, verwende ich Worte und Wendungen wie »vielleicht«, »kann«, »mag« und »wie es wohl wäre«.

Bezüglich vergangener Traumatisierungen wird durch die Veränderungen der Perspektiven nahegelegt, sich zu dissoziieren, also innerlich Abstand von belastenden Ereignissen zu nehmen, indem die Ereignisse und ihre Wirkungen von anderen Standpunkten aus betrachtet werden, die weniger belastend wirken und neue Lösungswege eröffnen.

•Die Rückführung ist sehr wichtig, weil wir in der Trance in tiefe unbewusste Bereiche »absinken« können. Das ist bekannt aus manchen, meist deutlich weniger tiefen Tagträumen, bei denen wir manchmal auch einen Moment brauchen, um uns zurückzuorientieren.

In tiefen Trancen fällt es dem Unbewussten leichter, Inhalte in das eigene Weltbild zu integrieren, die aus früheren Erlebnissen stammen und mit vielen belastenden Gefühlen verbunden sein können. Die Geschichten erleichtern diese gute Integration in die Persönlichkeit, indem sie allgemeine Beispiele geben, die in Bereichen »spielen«, mit denen der Hörer scheinbar nichts zu tun hat. Das sind oft Vorgänge in der Natur, wie das Wachstum der Pflanzen.

Um aber den Traumatisierungen so nahe sein zu können, dass eine Verarbeitung möglich wird – und ihnen gleichzeitig so fern zu sein, dass sie nicht zu einer bewussten Re-Traumatisierung führen – ist eine relativ tiefe Trance notwendig. Sie benötigt ein sorgfältiges Abschließen dieser Vorgänge, bevor der Hörer wieder in den bewussten Alltag zurückkommt, in dem er weder die soeben erlebten Inhalte, noch die damit assoziierten Gefühle erleben soll, bevor sie ausreichend verarbeitet sind.

Wenn die Rückführung nicht sorgfältig genug ausgeführt wird, ist die Psyche noch in einem anderen Bewusstseinszustand, während sie gleichzeitig den Alltag wahrnehmen und bewältigen soll. Das kennt man aus einem abgebrochenen Mittagsschlaf oder auch nach einer unruhigen oder zu kurzen Nacht. Insbesondere wenn mit dem Aufwachen Teile eines Albtraums in den Wachzustand hineingetragen werden, ähnelt das dem Zustand, in dem unangenehme Inhalte in der Trance verarbeitet wurden, dieser Prozess aber vor dem Aufwachen nicht ausreichend abgeschlossen wurde.

Ein waches und ausgeglichenes Alltagsbewusstsein wird angestrebt, indem der Hörer sich noch einmal für einige Minuten tief entspannt und dem Unbewussten den Auftrag gibt, die soeben bearbeiteten Inhalte – die das Bewusstsein nicht kennt und auch nicht erforschen sollte – für den Moment abzuschließen. Die Wahrnehmung und das Bewusstsein sind hinterher klarer und der Körper ist ruhiger. Die Aufmerksamkeit ist dann nicht mehr mit den vergangenen, tiefer liegenden Gefühlen und Inhalten beschäftigt, sondern sie kann sich wieder den Anforderungen des Alltags zuwenden.

Jede Geschichte enthält Formulierungen zur Rückkehr in das Wachbewusstsein. Diese Formulierungen sind nur dann unnötig oder sogar störend, wenn der Hörer danach einschlafen soll oder will. Er gleitet nach den Geschichten in einen normalen, gesunden Schlaf.

Falls ein Hörer trotz der weckenden Formulierungen zu schnell aus der Trance kommt und dann schläfrig wirkt, seine Augen eher schwer offen halten kann, dann sollte eine kurze weitere Trance von ungefähr zwei Minuten Dauer angeschlossen werden.

Als bewährte Anweisung können folgende Worte gewählt werden: »Lass dich jetzt noch einmal in die Ruhe sinken … dorthin, wo du eben noch warst … nimm dir in den nächsten zwei Minuten alle Zeit, die du brauchst, um die Dinge abzuschließen …«

Ungefähr zwei Minuten später folgt diese Anweisung: »Du beginnst dich jetzt wieder zu sammeln … nimmst mit jedem Einatmen Frische und Klarheit auf … und bist mit dem Öffnen deiner Augen wieder so wach und klar … dass du deine Aufgaben ausgeruht bewältigen kannst.«

Die Melodie der Ruhe

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