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θ) Sortimentsmärkte

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Märkte, auf denen mehrere unterschiedliche Güter gemeinsam nachgefragt und angeboten werden, werden in der Literatur als Sortiments- oder Clustermärkte bezeichnet. Sortimentsmärkte sind dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den einzelnen Komponenten eines Bündels an Produkten oder Dienstleistungen eine „Transaktionskomplementarität“ besteht.118 Eine solche Transaktionskomplementarität liegt immer dann vor, wenn ein Konsument beim Kauf mehrerer Produkte von einem Unternehmen geringere Transaktionskosten hat als beim Kauf dieser Produkte bei verschiedenen Unternehmen. Anders ausgedrückt: Die Zahlungsbereitschaft eines Kunden bei einem gemeinsamen Bezug der Produkte ist größer als die Summe der Zahlungsbereitschaften bei einem Einzelbezug. Transaktionskomplementarität kann daher interpretiert werden als Verbundvorteile auf der Nachfrageseite, wobei diese Vorteile dem Konsumenten und nicht dem Hersteller zugutekommen. Diese Transaktionskomplementarität führt dazu, dass Konsumenten Bündel an Gütern oder Dienstleistungen nachfragen. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn auf der Angebotsseite Verbundvorteile vorliegen, sodass es für ein Unternehmen effizient ist, die entsprechenden Leistungen gemeinsam anzubieten statt getrennt.119 Als relevante Einheit für die Abgrenzung des relevanten Marktes könnte daher das von den Konsumenten nachgefragte und den Unternehmen angebotene Bündel an Dienstleistungen betrachtet werden, wobei zwischen den einzelnen Komponenten in einem Bündel sowohl substitutive als auch komplementäre Beziehungen bestehen.120

Das Konzept des Sortimentsmarktes ist in der amerikanischen, der europäischen und auch der deutschen Anwendungspraxis auf eine Reihe von Märkten angewendet worden, wie z.B. bei Krankenhäusern, dem Lebensmitteleinzelhandel, Bank- sowie Telekommunikationsdienstleistungen.

Die Tatsache, dass auf einem Markt Bündel an Gütern oder Dienstleistungen nachgefragt und angeboten werden, hat jedoch keine Auswirkungen auf das grundlegende Prinzip der Marktabgrenzung. Dies gilt für das Bedarfsmarktkonzept, bei dem die Austauschbarkeit aus Sicht eines verständigen Verbrauchers im Vordergrund steht. Hier bezieht sich die Austauschbarkeit nicht auf eine einzelne Komponente, sondern auf die Bündel von Dienstleistungen oder Gütern, die von den Konsumenten gemeinsam nachgefragt werden.121 Dies gilt in gleicher Weise für den hypothetischen Monopolistentest, bei dem dann von einem Produktbündel als erstem Kandidatenmarkt auszugehen wäre.122

Würde die Transaktionskomplementarität nicht berücksichtigt und würde stattdessen die Marktabgrenzung bei einer einzelnen Komponente des Bündels ansetzen, dann bestünde die Gefahr einer zu engen Marktabgrenzung. Würde der Preis einer Komponente erhöht, die Preise der anderen Komponenten jedoch konstant gehalten, dann würden die Konsumenten nicht unmittelbar auf Substitute ausweichen. Anders ausgedrückt: Die Preiselastizität der Nachfrage nach den einzelnen Komponenten innerhalb des Bündels ist geringer als die Preiselastizität der Nachfrage nach dem Bündel. Dies liegt daran, dass die Konsumenten in der Regel die Wirkung der Preiserhöhung einer Komponente auf den Gesamtpreis betrachten. Ist der Anteil des Preises dieser Komponente jedoch im Verhältnis zum Preis des gesamten Bündels gering, dann wird die Preiserhöhung zu keinem erheblichen Nachfragerückgang führen. Man würde daher vermuten, dass aufgrund der geringen Nachfragereduktion den Konsumenten keine Ausweichmöglichkeiten offenstehen und würde einen eigenständigen relevanten Markt für diese Komponente abgrenzen. Würde man jedoch weitere Komponenten aus dem Bündel in die Betrachtung einbeziehen, dann würde die Preiselastizität der Nachfrage zunehmen. Dies liegt daran, dass andere Bündel zunehmend attraktiver werden. Dies unterscheidet sich von dem Fall ohne Transaktionskomplementarität, bei dem mit zunehmender Zahl von Produkten die Preiselastizität der Nachfrage sinkt. Dies macht deutlich, dass die Nichtberücksichtigung einer Transaktionskomplementarität in der Regel zu einer zu engen Marktabgrenzung führt.

Das Konzept des Sortimentsmarktes wird in der wirtschaftstheoretischen Literatur jedoch auch heftig kritisiert, da derartige Bündel Güter und Dienstleistungen enthalten, zwischen denen keine Angebots- oder Nachfragesubstitution besteht. Sortimentsmärkte könnten daher höchstens zur Vereinfachung der Analyse herangezogen werden. So muss keine große Anzahl separater Märkte z.B. für verschiedene Pflege- oder Bankdienstleistungen definiert werden, wenn die Marktanteile und die Marktzutrittsbedingungen für jede Dienstleistung ähnlich sind oder wenn bei fehlenden Daten z.B. die Zahl der Krankenhausbetten als Grundlage für die Ermittlung der Marktanteile herangezogen wird. Sortimentsmärkte können jedoch zu fehlerhaften Einschätzungen führen, wenn der Wettbewerb von Anbietern eines Teils der Produkte den Preissetzungsspielraum der Anbieter beschränkt, die das gesamte Bündel anbieten.123

Kartellrecht und Ökonomie

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