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2. Unfall am Fluss

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Kristina lachte. Sie hielt sich den Mund zu, damit die anderen Kinder ihr Lachen nicht hören konnten. Wo sie nun schon mitspielen durfte, da wollte sie sich nicht gleich verraten. Meist ließen die anderen Kinder sie links liegen. Doch heute hatten die beiden Anführer, der zehnjährige Lucas und der 14-jährige Steven, sie gefragt, ob sie mit ihnen Verstecken spielen wollte.

Die achtjährige Kristina hatte sich im Wald unter eine Tanne gehockt und die Zweige so natürlich wie möglich um sich herum drapiert, damit sie nicht entdeckt wurde. Schon seit einigen Minuten suchten nun mehrere der anderen Heimkinder nach ihr. Nur zwei andere fehlten noch, Jessica und Eric. Die beiden waren offenbar auch noch versteckt. Der Wald nahe dem Waisenhaus bot sich für derartige Spiele an. Der Hügel, an dem das Haus angelehnt war, wurde von ihnen bepflanzt, die Sonne schien hell darauf und Obst und Gemüse wuchsen dort gut. Manchmal, wenn es wenig regnete, mussten sie Wasser aus dem Fluss holen und ihre Felder gießen. Noch waren die Früchte nicht reif, aber die Blätter und die Nadeln der verschiedenen Bäume sehr dicht. Bienen und Hummeln summten von Blüte zu Blüte, die Vögel zwitscherten fröhlich. Die ersten Früchte wuchsen bereits und es schien ein ertragreiches Jahr zu werden. Noch hatten sie kaum Arbeit damit, daher hatten sie Zeit zum Spielen.

Das Haus selbst war zweistöckig, der Eingangsbereich etwas höher als der Boden auf dieser Seite, daher gab es eine Treppe mit zehn Stufen, damit es nach hinten hin noch über der Erde lag. In der unteren Etage gab es ein kleines Zimmer für Vorräte, eine Küche und den großen Speisesaal, dazu ein Zimmer, in dem die älteren Mädchen nähen und stricken konnten, damit sie alle genug zum Anziehen hatten. Die Jungen hatten im Keller einen Bereich, in dem sie Regale und andere Möbel zusammenbauten, meist unter Anleitung eines Mannes aus dem Ort. Im oberen Stockwerk waren die Schlafräume und das Bad untergebracht. Dort hielten sich die Kinder eigentlich nur nachts auf, denn die Schlafsäle waren sehr karg eingerichtet. Es gefiel niemandem so recht. Nur das Bad war warm, ansonsten war es relativ kühl im Haus, zumindest im Winter. Im Sommer war es so heiß, dass viele der Kinder nicht gut schlafen konnten.

Die meisten Kinder fanden Kristina seltsam, sie sprach fast nie, dazu ihre dunklen Augen und Haare und die helle Haut. Doch sie bekam nie Sonnenbrand, auch wenn sie eigentlich die ganze Freizeit, die sie hatte, im Freien verbrachte. Sie liebte Tiere, brachte immer wieder verletzte Vögel oder Eidechsen mit ins Heim. Ein Rabe schien ihr sogar fast auf Schritt und Tritt zu folgen. Anfangs hatte Mrs. Duncan es ihr immer wieder verboten, doch Kristina hatte sich stets über das Verbot hinweggesetzt. Sie konnte einfach nicht anders, musste den Tieren helfen. Es tat ihr beinahe körperlich weh, wenn sie den Schmerz der Tiere sah.

Da entdeckte Steven sie. Er schob die Zweige auseinander und klatschte Kristina ab. Lachend befreite sie sich aus ihrem Versteck. Ein wenig traurig war sie, dass sie gefunden worden war, hoffte aber, dass es noch weiter ging. Sie genoss die wenigen Tage, an denen sie mitmachen durfte und die Gemeinschaft sie aufnahm. Es war, als wäre sie ein Teil der Gemeinschaft.

„Gut gemacht, ich hab dich nur gefunden, weil die Zweige anders waren als sonst. Das hier ist mein Lieblingsbaum!“, erklärte Steven grinsend. Kristina war stolz auf das Lob. Sie war glücklich, dass sie einfach mittendrin sein durfte. Ein dankbares Lächeln traf Steven, der nicht anders konnte, als sie kurz in den Arm zu nehmen. Zusammen mit den anderen Kindern halfen sie nun, Jessica und Eric zu suchen. Kristina hatte eine Idee, dass sie sich in der kleinen verlassenen Höhle am Fluss versteckt haben könnten. Schnell lief sie mit Steven dorthin. Schon von weitem hörte sie ein Geräusch, das so nicht hierher passte. Sie blieb stehen und lauschte.

Als Steven etwas sagen wollte, hob sie abwehrend die Hand und schloss die Augen, um sich noch mehr auf ihr Gehör zu konzentrieren. Nach einem Moment winkte sie Steven und lief voran, auf den Bach zu. Zwischen den Bäumen war es dämmrig, die mächtigen Kronen und das dichte Laub schluckten die Sonnenstrahlen. Die Ruhe hier genoss sie normalerweise, doch heute hatte sie keinen Blick dafür, es ging um zwei Kinder, die Angst aussandten, die in der Ruhe deutlich spürbar für Kristina war. Nur ein gelegentlicher Ruf eines Vogels war zu hören, und die Schritte der beiden Kinder. Kristina lief wie immer barfuß, trug nur eine ausgeblichene, helle Leggins und darüber eine Tunika in einem dunklen Gelb, die ihre zierliche Figur umspielte. Ihre Haare waren offen und fielen ihr in schwarzen Locken weit über den Rücken hinab bis fast zur Hüfte. Sie bewegte sich anmutig und beinahe lautlos durch den Wald. Steven hingegen trug alte Lederschuhe und seine Schritte waren deutlich schwerer. Er war groß für sein Alter, schon über 5,6 Fuß, und trug wie fast immer ausgeblichene Jeans, die ihm zu kurz waren, und ein dunkelblaues T-Shirt. Seine kurzen braunen Haare standen wild vom Kopf ab, egal was er tat. Die braunen Augen sprühten vor Lebensfreude.

Auch er hatte fast sein gesamtes Leben im Waisenhaus verbracht, seine Eltern waren schon lange tot. Seine Mutter war im Kindbett am Fieber gestorben und sein Vater fiel den Kriegswirren zum Opfer. Mit knapp vier Jahren war er dann von dem Vorgänger des jetzigen Sheriffs zu Mrs. Duncan gebracht worden. Seitdem lebte er hier, da keine Verwandten gefunden worden waren. Er war einer der Wenigen, die Kristina akzeptierten. Der Vierzehnjährige wusste, dass sie ein unheimliches Gespür dafür hatte, wie es anderen ging. Daher kam es häufig vor, dass sie zu denen kam, denen es nicht gut ging, und versuchte, sie aufzumuntern. Doch einige der Kinder im Waisenhaus mochten das nicht. Sie kamen sich so durchschaut vor, oder sogar überwacht. Doch Kristina schien sich einfach nicht wohlzufühlen, wenn es negative Gefühle in ihrer Umgebung gab.

Jetzt hielt das Mädchen an und bedeutete Steven, ebenfalls zu lauschen. Auch er konnte nun etwas hören, das wie Hilfeschreie klang, und es kam eindeutig vom Fluss. Er nickte Kristina zu und sie rannten dann auf die Rufe zu. Nach und nach konnte er die Stimme von Jessica erkennen. Sie hörte sich panisch an. Obwohl sie sechs Jahre jünger war, rannte Kristina ihm fast davon. Sie wusste anscheinend genau, wohin sie musste, ließ sich von ihren Instinkten leiten. Steven musste sich anstrengen, um ihr zu folgen, obwohl sie keine Schuhe trug und somit mehr auf ihren Weg achten musste als er.

Zwei weitere Minuten später hatten sie den Fluss erreicht. Sie konnten Jessicas kinnlange rote Haare entdecken. Mitten im Fluss hing sie mit dem Bein unter einem Stein fest und nur ihr Kopf war noch über Wasser. Der Strudel um sie herum drohte, sie mit hinunterzuziehen, aber noch kämpfte sie. Eric konnten sie nirgendwo sehen, doch Kristina spürte, dass auch er hier sein musste. Steven stürzte sich sofort in das Wasser und lief vorsichtig auf Jessica zu. Beruhigend redete er auf sie ein, während er sich immer näher an sie herankämpfte. Die Kraft des Wassers war hier deutlich zu spüren, sie waren in der Nähe des Wasserfalles und konnten bereits den Sog fühlen. Als er etwa die halbe Strecke überwunden hatte, konnte er über den Stein sehen, unter dem Jessica feststeckte. Dort hing Eric, auch er schien sich nicht zu bewegen. Steven machte sich Sorgen, als einer der Älteren fühlte er sich verantwortlich für die jüngeren Kinder. Auch Mrs. Duncan erinnerte ihn regelmäßig daran, dass er Verantwortung übernehmen musste. Er wusste, sie machte das nicht gerne, aber es war nötig. Bald würde er sicherlich zum Militär gehen müssen, ihm blieben vielleicht noch zwei Jahre, maximal drei. Doch diese Gedanken schob er nun beiseite, er musste den beiden Verunglückten helfen.

„Jessica, was ist mit Eric?“, rief Steven dem Mädchen zu.

„Er wollte über den Fluss, ist aber auf dem Stein ausgerutscht. Beim Sturz ist er mit dem Kopf aufgekommen und hat sich nicht mehr bewegt. Ich wollte nach ihm sehen und bin auch weggerutscht und jetzt stecke ich fest. Sei vorsichtig, Steven!“, keuchte Jessica atemlos. Nach den Regenfällen in den letzten Tagen war das Wasser deutlich höher als sonst und die Strömung reißender. Obwohl es hier in Arizona heiß war, wirkte das Wasser immer eiskalt. Schritt für Schritt kämpfte sich Steven vorwärts, sich auf jeden Tritt konzentrierend. Er wollte verhindern, auch im Wasser zu landen, dann könnte er den beiden Unglücksraben nicht helfen. Das Wasser riss und zerrte an seinen Beinen, die Kälte machte seine Füße langsam aber sicher gefühllos. Dennoch ging er immer weiter, wenn auch langsamer. Er war eigensinnig, starrköpfig, aber dabei immer umsichtig. „Kristina!“, rief er nach hinten. „Bitte hole Hilfe aus dem Heim oder dem Ort.“ Doch Kristina antwortete nicht. Es war zu still, aber Steven konnte nicht nachsehen.

„Sie ist nicht mehr da, ist schon weggelaufen, als du ins Wasser bist.“, erklärte ihm Jessica. Das wiederum verwunderte Steven sehr, kannte er Kristina doch als eine stets überlegende Person. Wieso lief sie einfach davon? Oder war sie selber auf die Idee gekommen, Hilfe zu holen? Das würde zu ihr passen, aber warum hatte sie dann nichts gesagt? Um ihn nicht abzulenken? Plötzlich fiel ihm im Augenwinkel eine Bewegung am anderen Ufer auf. Er blickte auf, als er einen festen Stand hatte, und sah sich Auge in Auge mit Kristina. Wie kam sie an das andere Ufer? Sie schien trocken zu sein, also nicht durch das Wasser.

„Kristina, was tust du denn da? Wie kommst du da rüber? Lauf bitte und hole Hilfe!“, befahl Steven.

Kristina schüttelte energisch den Kopf. „Eric schafft es nicht bis dahin. Von hier aus kann ich an ihn herankommen.“, antwortete sie mit ihrer sanften, ruhigen Stimme. Ja, sie war näher an Eric, die Steine, auf denen sich Jessica und Eric befanden, waren deutlich näher am anderen Ufer, doch er wollte nicht, dass Kristina sich in diese Gefahr begab. Sie war gerade mal acht Jahre alt, und er fühlte sich für sie in besonderem Maße verantwortlich. Ihr durfte einfach nichts passieren. Von Anfang an hatte er einen enorm starken Beschützerinstinkt gegenüber diesem Mädchen entwickelt. Sie kletterte inzwischen über die Steine und kam dabei Eric immer näher. Bisher hatte sie noch nicht einen Fuß ins Wasser gesetzt, aber gleich musste sie ein Stück überqueren, in dem sie keine Steine zum Klettern hatte. Kristina schob ihre Hosenbeine nach oben und setzte ihren rechten Fuß ins Wasser.

„Sei vorsichtig!“, bat Steven, als er sah, dass er sie nicht aufhalten konnte. Er hatte Angst um das seltsame Mädchen. Sie reagierte nie so, wie man dachte, war immer für eine Überraschung gut. Das war es, was die anderen Kinder abschreckte, warum sie nicht mit ihr umgehen konnten. Sie war einfach unberechenbar, dabei aber immer sanft und ruhig. Er hatte noch nie ein lautes Wort von ihr gehört.

Dennoch wirkte sie gerade so sicher, als würde sie auf einer normalen Straße gehen. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, ohne ihre Schritte erst lange abzuwägen. Mit einer unglaublichen Sicherheit fand sie die Stellen, auf denen sie sicher stehen konnte, und näherte sich dem bewusstlosen Eric, der glücklicherweise über Wasser lag, nur ab und zu von Spritzern getroffen wurde. Nach nur zwei Minuten war sie bei ihm angekommen, kniete sich auf den Stein neben seinem Kopf und begann, ihn mit den Händen vorsichtig abzutasten. Eric zuckte kurz zusammen und stöhnte, wachte aber nicht auf.

„Sch, ganz ruhig.“, murmelte Kristina Eric zu. Sie legte ihm die Hand auf den Kopf und schloss die Augen. Ein paar Momente passierte gar nichts, dann schlug Eric die Augen auf. Verwirrt sah er sich um. „Wo bin ich? Was ist passiert?“, fragte er.

„Ganz ruhig, bleib liegen, du hast dir den Kopf ganz schön heftig angestoßen. Aber nicht wieder einschlafen, hörst du?“, beruhigte ihn Kristina. Sie richtete sich auf. „Wir brauchen Hilfe, dass wir ihn in die Stadt bringen können. Er hat bestimmt eine Gehirnerschütterung, da kann er nicht laufen.“ Steven nickte zustimmend. Er war inzwischen bei Jessica angekommen und versuchte, ihr Bein zu befreien. Nach ein paar erfolglosen Versuchen ging er ein Stückchen um den Stein herum und probierte es an einer anderen Stelle nochmals. Diesmal schaffte er es unter Aufwendung aller seiner Kräfte, den großen Stein ein wenig zu bewegen, sodass Jessica ihr Bein hervorziehen konnte. Sie keuchte vor Schmerz auf, als das Blut wieder bis in den Fuß schoss. Steven half ihr hoch, doch sie konnte das rechte Bein, das eingeklemmt gewesen war, nicht belasten. Der Knöchel war verdreht, scheinbar gebrochen. Steven setzte sie erst einmal auf den Stein und überlegte, was sie nun machen sollten. Einer von ihnen musste Hilfe holen.

„Kristina, bitte lauf zurück in die Stadt und alarmiere Sheriff Carlsen. Er wird sicher kommen und uns helfen. Du bist schneller als ich und besser orientiert. Aber beeile dich, das Wasser ist kalt und die Beiden sind komplett durchnässt. Ich werde sehen, dass ich sie hier raus bekomme und ein wenig aufwärme. Wie bist du eigentlich dort rüber gekommen?“, sagte Steven.

„Über den Baumstamm dort hinten!“, erklärte Kristina und deutete nach rechts. „Der Rabe hat mir den Weg gezeigt.“

Etwa dreihundert Fuß flussaufwärts lag ein gefallener Baum quer über dem Fluss, auf dem ein Rabe saß und sie aus seinen dunklen Augen beobachtete. Kristina lief schon auf den Stamm zu und kletterte behände darüber. Als sie wieder am anderen Ufer war, winkte sie Steven kurz zu und rannte dann los, auf kürzestem Weg in die Stadt zurück. Nicht erst zum Waisenhaus, dort war im Moment wohl nur die Heimleiterin, die alleine konnte ihnen nicht helfen. Die beiden Frauen, die sonst halfen, waren mit zwei anderen Kindergruppen unterwegs auf einem Ausflug, sie wollten einige Hasen fangen, um sie im Waisenhaus zu halten, damit sie Fleisch bekamen. Nein, sie musste in die Stadt, dort gab es genügend Männer, die ihr helfen konnten. Sie wusste, dass die Stadt ein wenig weiter im Osten lag als das Waisenhaus und schlug die Richtung ein, die ihr richtig erschien. Es war nur ein Gefühl, aber sie ahnte, dass dies der kürzeste Weg war. Der Rabe flog über ihr und krächzte ab und zu, als wolle er ihr den Weg weisen.

Doch sie spürte nach kurzer Zeit, dass sie nicht alleine war, jemand außer dem Raben war in ihrer Nähe. Und wer auch immer mit ihr hier unterwegs war, derjenige wusste, dass auch sie hier war. Weglaufen hatte keinen Sinn, also wartete Kristina ruhig. Nach nur wenigen Momenten erkannte sie, dass links hinter ihr jemand war, aber derjenige hielt sich im Schatten der Bäume. Das Mädchen drehte sich in die Richtung und hielt die offenen Hände vor sich. „Ich will niemandem etwas tun, ich suche nach Hilfe für zwei Freunde.“, erklärte sie ruhig.

Hinter den Bäumen kam nun langsam ein Mann hervor. Er hatte dunkle Augen, schwarze Haare, sein Gesicht und die bloßen Arme waren bronzefarben. Seine langen Haare waren von einem roten Tuch zusammengehalten. Er trug ausgefranste, lederne Hosen und ein verblichenes, früher mal rotes, T-Shirt. Die Füße waren nackt, genau wie Kristinas. Sein Gesicht zeigte keine Regung, aber seine Augen blickten warm auf das Mädchen, das vor ihm stand. Er musterte Kristina. Das junge Mädchen verwirrte ihn. Ihre Augen. Sie wirkten so viel älter als ihr Körper. Er schätzte sie auf sechs oder sieben Jahre. Auf den ersten Blick wirkte sie indianisch, so wie er, aber wenn man genauer hinsah, dann erkannte man, dass dies nur wegen ihrer dunklen Haare und Augen war. Sie wirkte so andersartig, fremd. Und doch irgendwie vertraut. Die Art, wie sie ihn ansah. Es erinnerte ihn an… Er riss sich aus seinen Gedanken. „Was ist mit deinen Freunden?“, wollte er schließlich wissen.

„Jessica und Eric sind am Fluss, Jessicas Bein war eingeklemmt, aber Steven konnte es befreien. Eric ist mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen und war bewusstlos. Beide sind komplett durchnässt.“, erzählte Kristina hektisch.

„Zeig es mir.“

Kristina sah ihn nur kurz durchdringend an und lief dann voran zum Fluss. Sie spürte instinktiv, dass sie ihm vertrauen konnte. „Ich bin übrigens Kristina.“, stellte sie sich noch vor.

„Gaagi. Oder Raven.“, war seine kurze Antwort.

Nur Minuten später waren sie bei den anderen Dreien angekommen. Gaagi ging sofort neben Jessica und Steven in die Hocke und sah sie intensiv mit seinen dunkelbraunen Augen an, tastete ihr Bein ab. Sie war unverletzt, bis auf ein paar Kratzer an ihrem Bein und dem Knöchel, aber total durchnässt und sie zitterte vor Kälte. Steven hatte es geschafft, sie ans Ufer zu bringen, und bemühte sich nun um Eric.

„Komm.“, sagte Gaagi und half Jessica beim Aufstehen. „Dein Knöchel ist nur gezerrt, das tut weh, aber du kannst damit auftreten. Ich werde dir helfen.“ Mit Gaagis Hilfe humpelte Jessica zu einem umgestürzten Baum. Dort setzte sie sich auf den Stamm. Gaagi ging zu einer nahen Tanne und zog ein Messer aus seinem Gürtel. Damit schnitt er ein paar dünne Äste ab, die dicht mit Nadeln besetzt waren, und brachte sie zu Jessica, die so sehr zitterte, dass ihre Zähne klapperten. Er wickelte sie darin ein und sofort spürte sie eine angenehme Wärme. Der Indianer reichte Kristina das Messer und deutete ihr an, noch mehr Zweige zu holen. Erschrocken beobachtete Jessica das Ganze, nie wäre sie auf die Idee gekommen, einer Achtjährigen ein derart großes und offensichtlich scharfes Messer in die Hand zu geben. Doch Kristina wirkte nicht unvorsichtig, das Mädchen war schon immer vorausschauend und umsichtig gewesen. Sie ging auf eine andere Tanne zu und schnitt dort weitere Äste ab, brachte sie nach und nach zu Gaagi, der noch ein paar um Jessica wickelte. Dann ging er zu Steven und half ihm, auch Eric ans Ufer zu bringen. Zusammen schafften sie es mit Leichtigkeit, den zitternden Eric von dem Stein zu heben und ans Ufer zu tragen. Dort wurde auch er in Tannenzweige eingewickelt, damit er nicht noch weiter auskühlen konnte.

„Sie müssen aus den nassen Sachen raus und sich aufwärmen.“, meinte Steven, der selber auch vor Kälte zitterte. „Können sie uns helfen, sie in die Stadt zu bringen?“, wandte er sich an Gaagi.

Der jedoch schüttelte nur den Kopf. „Zu weit. Kommt mit.“, antwortete er kurz angebunden. Er hatte in der Zwischenzeit Jessicas Knöchel geschient, sodass sie nun mit ein wenig Hilfe wieder humpelnd laufen konnte. Steven half ihr auf, als Gaagi sich Eric schnappte und ihn kurzerhand hochhob, da der Junge viel zu geschwächt war, um selber zu laufen. Er ging voran, weg aus der Richtung, in der die Stadt war, und auf die Wasserfälle zu. Nach nur wenigen Minuten waren sie an den Mooney-Falls angekommen. Die Wasserfälle wirkten noch imposanter als sonst, jetzt, wo der Fluss deutlich Hochwasser hatte. Doch Gaagi hielt keinen Moment inne, er trug Eric einfach weiter, bog vom Fluss ab und nur ein paar Minuten später erkannten sie einige Zelte auf einer kleinen Lichtung. Gaagi lief auf das Erste zu und rief etwas, das keines der Kinder verstehen konnte.

Die Antwort bestand in einer Frau mittleren Alters, einer Indianerin, die auf sie zukam und Steven half, Jessica zu unterstützen. Sie brachten sie in das Zelt und Gaagi sagte ihnen nur, sie sollten die nassen Sachen ausziehen und sich in die Decken einwickeln, er käme gleich wieder.

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