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3.2Psychologische Erklärungsansätze

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Insgesamt sind bei den Erklärungen von Sexualdelinquenz psychologische bzw. psychiatrische Ansätze deutlich in der Überzahl. Regelmäßig wird zur Erklärung sexueller Gewalt auf Zusammenhänge mit Persönlichkeitseigenschaften81 sowie mit einer allgemeinen Dissozialität oder „Krankhaftigkeit“ der Täter hingewiesen, beispielsweise in Form von Persönlichkeitsstörungen oder Psychopathie.82 Aufgrund der Vielschichtigkeit der in der Literatur angeführten möglichen psychologischen und psychiatrischen Hintergründe83 wird im Folgenden lediglich eine selektive Auswahl einiger oft zitierter psychologischer Erklärungsansätze wiedergegeben.

Eng in Zusammenhang mit den oben genannten biologischen Theorien stehen psychologische Ansätze, die Gründe für sexuelle Gewalt in sexuellen Impulsen sehen. Sexuelle Gewalt folgt nach dieser Sichtweise, kurz gesagt, einem fehlgeleiteten und weitgehend unkontrollierbaren Sexualtrieb oder -impuls, der Befriedigung sucht und bei fehlender Umsetzungsmöglichkeit in (sexuelle) Aggression umschlagen kann.84 Besonders in frühen Ansätzen dieser Art wurde sexuellen Gewalttätern gleichzeitig eine „abnorme[.] Persönlichkeit“85 attestiert. Diese Ansätze gelten heute als recht vereinfachend86 und haben eher den Charakter von empirisch wenig bewährten „Alltagstheorien“87. Aktuell finden sie deshalb kaum noch Anwendung.

Mit „frühkindliche[n] Störungen in der psychosexuellen Entwicklung“88 befassen sich psychoanalytische bzw. psychodynamische Perspektiven. Problematische oder traumatische Erlebnisse in der Kindheit können sich diesen Ansätzen zufolge im späteren Leben in Form von sexuellen Gewaltdelikten manifestieren. Allerdings werden sie in der Zusammenschau psychologischer Ansätze heute ebenfalls als weniger bedeutsam angesehen.89

Darüber hinaus existieren Erklärungsansätze sexueller Gewalt, die sich mit „Störungen der Sexualpräferenz“ – auch als „Paraphilien“90 bezeichnet – als Ursache sexueller Gewalt befassen. Derartige Paraphilien können sich beispielsweise in einem sexuellen Interesse an nicht-menschlichen Stimuli oder in einem Bedürfnis nach Qual und Demütigung von anderen oder sich selbst äußern. Die wohl bekannteste Paraphilie – die in diesem Band von untergeordnetem Interesse ist – ist die Pädophilie. Jedoch ist zu bedenken, dass Paraphilien bei Weitem nicht immer mit einer zwangsweisen Umsetzung gegen den Willen anderer Beteiligter einhergehen müssen.91 Zudem zeigen Forschungsbefunde, „dass der größte Teil aller Sexualstraftäter scheinbar nicht als paraphil“92 einzustufen ist.

Weiter werden im Bereich der psychologischen Erklärungen kognitive Ansätze genannt, deren Kern darin besteht, dass sie die Gründe für sexuelles Gewalthandeln in der Informationsverarbeitung und der Wahrnehmung der Täter suchen. Beispielsweise kann Sexualität bei diesen Personen kognitiv stark mit Macht bzw. Dominanz verknüpft sein und so zum Erzwingen sexueller Handlungen führen.93 Ebenfalls im Bereich der kognitiven Ansätze sind so genannte kognitiv-behavioral ausgerichtete Erklärungen zu verorten. Diese beinhalten „kognitive[.] Verzerrungen [als] Denkmuster, die das kriminelle Verhalten rechtfertigen, beschönigen oder das Opfer für die Tat verantwortlich machen“94. Beispielsweise durch die Leugnung einer Schädigung der Opfer, eine abwertende Sicht auf Frauen oder die Darstellung der eigenen sexuellen Impulse als unkontrollierbar, versuchen Täter, ihre Taten mental zu rechtfertigen oder gar zu legitimieren.95

Daneben werden regelmäßig verschiedene lerntheoretische Ansätze herangezogen, um die Ausübung sexueller Gewalt zu erklären. Diese vertreten die Auffassung, dass sich „sexuelle Verhaltensweisen generell in Lernprozessen“96 entwickeln. Was als sexueller Reiz erkannt wird und wie darauf reagiert wird, ist demnach als erlernt anzusehen und damit auch auf das gesellschaftliche Umfeld zurückzuführen. Wesentlich dabei sind „Belohnungen“ und „Bestrafungen“, die durch

– potenziell abweichende – sexuelle Handlungen eintreten können. Beispielsweise kann eine den Lerneffekt verstärkende Belohnung darin bestehen, dass erzwungene Sexualität die Frustration von (männlicher) jugendlicher Identitätsfindung oder von Zurückweisungen subjektiv lindert oder positive Gemütszustände herbeiführt. Genauso kann durch das Ausbleiben von Bestrafungen nach der Ausübung sexueller Gewalt ein Lerneffekt bezüglich dieser Folgenlosigkeit eintreten. Daneben spielt das Lernen am Modell, also beispielsweise einem sexuell gewalttätigen Elternteil, eine wesentliche Rolle bei derartigen Erklärungsansätzen.97

Scully und Marolla kritisieren generell, dass die psychiatrisch geprägte Literatur zu Vergewaltigungen die Forschungslandschaft und damit auch die Deutung des Deliktes dominiere; dieses Argument lässt sich sicherlich in Teilen auf die psychologische Perspektive ausweiten. Sexualstraftäter würden in dieser Sichtweise als krank oder anormal gesehen, was gleichzeitig dazu führe, dass sie nicht als „normale“ Männer bzw. Straftäter wahrgenommen werden (siehe hierzu auch Abschnitt 2.1).98 Die Autoren sprechen sich daher für einen zusätzlichen sozialen und kulturellen Blick auf das Phänomen aus.99

Sexuelle Gewalt gegen Frauen

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