Читать книгу Sexuelle Gewalt gegen Frauen - Daniela Pollich - Страница 14
3.3.1Gesellschaftsorientierte und feministische Ansätze
ОглавлениеBei einer gesellschaftsorientierten Betrachtung sexueller Gewalt werden insbesondere die gesamtgesellschaftlichen Hintergründe und Einstellungen analysiert, die dazu führen, dass Frauen von Männern vergewaltigt werden.101 Die Ursprünge dieser Denktradition stammen aus der feministischen Vergewaltigungsforschung. Frühe Forscherinnen kamen etwa ab den 1970er Jahren zu der Erkenntnis, dass die westlichen Gesellschaften dieser Zeit durch die vorherrschenden Geschlechterrollenbilder und das dadurch entstandene gesellschaftliche Klima als eine so genannte „Rape Culture“102 charakterisiert werden könnten:103 Die althergebrachte (vermeintliche) Überlegenheit des Mannes über die Frau und das Verständnis der Frau als „Besitz“ des Mannes führe dazu, dass Männer, um ihre Machposition zu verdeutlichen, auch sexuelle Gewalt ausüben. Frauen fügen sich, gemäß ihrer gesellschaftlich vorgegebenen Rolle, oft ihrem Schicksal, durch die Männer dominiert zu werden. Insgesamt herrscht damit ein gesellschaftliches Klima, in dem sexuelle Gewalt gegen Frauen verharmlost wird und „normal“ erscheint.104 Einige Autorinnen gehen sogar so weit, Vergewaltigung als Hass- bzw. Vorurteilskriminalität105 gegen Frauen zu bezeichnen, die allein aus Gründen der Abwertung der Opfergruppe begangen wird.106
Obwohl die feministischen Ansätze ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts haben und seitdem ein deutlicher gesellschaftlicher Wandel hinsichtlich der herrschenden Geschlechterrollenbilder eingesetzt hat, ist die aktuelle Gültigkeit derartiger Ansätze nicht zu unterschätzen. Die gelegentlich immer noch vorhandenen tradierten Rollenvorstellungen gehen auch heute noch mit gesellschaftlich teilweise verankerten Vergewaltigungsmythen einher (siehe hierzu auch Abschnitt 2.1). Damit wird aus dem Blickwinkel der feministischen Ansätze bis heute sexuelle Gewalt verharmlost; es werden die Täter entschuldigt und den Opfern wird mindestens eine Mitverantwortung zugeschrieben.