Читать книгу DAS HAUS DER MONSTER - DIE MONSTER SIND ZURÜCK - Danny King - Страница 13

III

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Das Haus der Toten hatte sich seinen Namen wirklich redlich verdient. Zweihundert Jahre zuvor war es offenbar das Heim eines Bauern und seiner Familie gewesen, der hier das umgebene Land bestellt und Vieh gezüchtet hatte, genau wie sein Vater vor ihm und seines Vaters Vater davor. Das Cottage selbst war im Laufe vieler Jahre aufgebaut und dann immer wieder umgebaut worden … hier war eine Wand herausgebrochen worden, da ein Balken hinzugefügt, bis es schließlich geräumig genug war, um vier Erwachsenen, sechs Kindern und einem Border Collie ein Zuhause zu bieten.

Das Leben auf dem Land war zwar hart, doch das Cottage war ein unbeschwerter Ort gewesen, voller Gesang und Tanz und Geschichten am Kamin, damit die langen Winternächte schneller vorübergingen. Der Bauer hatte sich als glücklicher Mann gefühlt, wenn er seine liebevolle Familie betrachtet hatte. In seinem kleinen Cottage hatte er alles gehabt, was er brauchte, und er hatte niemals fortgehen wollen. Doch er hatte mit fast allem unrecht, insbesondere mit dem Glücklichsein.

Am Geburtstag seiner Frau war plötzlich der Sheriff gekommen und hatten dem Bauern und seiner Familie befohlen, das Cottage sofort zu verlassen. Der gesamte Küstenstrich musste auf Anordnung des Duke of Durness geräumt werden, denn der hatte vor, das Cape in Schottlands führendes Wildreservat zu verwandeln. Während der Viktorianischen Ära war der Tourismus zunehmend lukrativer geworden. Hunderte unternehmungslustige Aristokraten reisten jedes Jahr zur Jagdsaison nordwärts und der Duke of Durness war wild entschlossen, dass seine wohlhabenden Gäste Spaß haben sollten und ihr Wild nicht von einer schmutzigen Vagabundenfamilie, die dem Land ihrer Vorfahren ein Leben abrang, verscheucht werden würde.

Doch der Bauer hatte sich dem Befehl widersetzt. Er hatte sich geweigert, zu gehen, und daraufhin war ein Kampf ausgebrochen, der damit geendet hatte, dass einem der Männer des Sheriffs in den Bauch gestochen worden war. Während er auf der Türschwelle verblutet war, hatte sich der Bauer mit seiner Familie drinnen verbarrikadiert und der Sheriff hatte nach Verstärkung geschickt. Ziemlich schnell hatte er das Haus mit seinen Männern umstellt und verlangt, dass der Bauer verschwand. Doch der Bauer hatte nicht einen Millimeter nachgegeben, besonders, weil er sich sicher war, dass der Sheriff ihn vermutlich sofort am nächsten Baum aufknüpfen würde. Stattdessen hatte er seiner Frau und seinen Kindern befohlen, sich hinzuknien und inbrünstig zu beten, während er seine alten Eltern ins Wohnzimmer gebracht und sie mit einem Schlag auf den Kopf getötet hatte. Das war leider nötig gewesen, um sie davon abzuhalten, sich in das einzumischen, was er als Nächstes tun musste. Der Bauer wusste ganz genau, dass sein Leben nun verwirkt war, und er konnte den Gedanken daran, dass seine Kinder ohne ihn aufwachsen mussten, einfach nicht ertragen, daher schnitt er jedem von ihnen systematisch die Kehle durch, angefangen beim Ältesten, bis hin zu seinem neugeborenen Baby, das erst sechs Monate alt war. Während ihre Kinder entsetzt aufschrien, betete seine Frau einfach die ganze Zeit über weiter, da sie ihrem Ehemann bis zum Schluss pflichtbewusst ergeben war. Sie lächelte sogar zu ihm hinauf, als er ihr die Kehle durchschnitt, doch dann konnte er einfach nicht den Mut aufbringen, sich das Gleiche anzutun. Stattdessen erhängte er sich unter dem Hämmern der Männer des Sheriffs an einem Balken in der warmen und heimeligen Küche.

Als der Sheriff schließlich endlich die Tür aufbrach, fand er überall Leichen und den verzweifelt gegen einen untauglichen Knoten, der ihn langsam erwürgte, ankämpfenden Bauern vor dem lodernden Herd. Die Männer des Sheriffs wollten ihn losschneiden, doch der Sheriff befahl ihnen zurückbleiben und öffnete stattdessen mit einem Tritt den Kaminschirm, damit der Bauer nun auch noch die ganze Macht der Flammen spüren musste. Man erzählt sich, dass er zehn Minuten lang unter unvorstellbaren Schmerzen bei lebendigem Leib gebraten wurde, bevor er endlich starb. Die perfekte Vorbereitung darauf, was ihn auf der anderen Seite erwartete, wie die meisten meinten, die seinen Kampf bezeugt hatten.

»Das ist ja eine schöne Geschichte«, meinte Rachel und seufzte zufrieden. »Erzähl sie mir noch mal.«

Früher am Tag war ich nach Durness gefahren, um Vorräte einzukaufen, und egal, wo ich auch hingegangen war, man hatte mir jedes Mal nur zu gern etwas Unerfreuliches über mein neues Zuhause erzählt. Rachel hätte kaum glücklicher sein können, als ich ihr später am Abend die Details berichtete. Manche waren vielleicht begeistert, wenn sie feststellten, dass sie in den ehemaligen Häusern von Sir Walter Scott oder Albert Einstein wohnten, aber Rachel nicht. Sie brauchte nur ein gutes Massaker, um sich irgendwo heimisch zu fühlen.

Draußen herrschte jetzt Nacht und den Meeresklippen fehlten dank meiner Mitbewohnerin jetzt noch mehr Möwen. Der Winter rückte immer näher und im Cottage war es eiskalt, aber Rachel trug nie etwas anderes als ihr schmutziges weißes Nachthemd und eine permanente Schmutzschicht am Leib. Ich hingegen war vollkommen durchgefroren, selbst als ich schon beinahe im Feuer saß. Im Moment beneidete ich den Bauern fast.

Ich hatte den Rest des Tages damit verbracht, so viele Ziegel, wie ich erreichen konnte, zu ersetzen und die zerbrochenen Fenster erst einmal mit Brettern zu vernageln. Trotzdem war es im Cottage noch immer so kalt wie in einem Grab. Kein Wunder, dass es Rachel nichts auszumachen schien.

»Für mich ist es jetzt Zeit, ins Bett zu gehen«, verkündete ich ihr nach einer weiteren Wiederholung der Geschichte, dieses Mal mit ein paar zusätzlichen Adjektiven, um Rachels Augen vor Entzücken aufleuchten zu lassen. Es war mittlerweile fast Mitternacht und ich war zum Umfallen müde. Vierzehn Stunden am Stück das Haus zu reparieren und Möbel zusammenzubauen war mehr, als mein Körper momentan verkraftete. Doch Rachel wollte nicht, dass ich ins Bett ging. Als Kreatur der Nacht konnte sie in den Stunden zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang nicht ruhen und war daher jetzt in der Stimmung für Gesellschaft. Ich hatte ihr nämlich verboten, nachts die Heide auf der Suche nach Schäfern, die sie schröpfen konnte, zu durchstreifen. Rachel hatte mit den Jahren wirklich große Fortschritte gemacht, aber sie war trotzdem noch lange nicht von ihren psychopathischen Neigungen geheilt. Sie gab sogar selbst zu, dass sie Probleme hatte – so nannte man das, glaube ich, heutzutage – und sie arbeitete wirklich hart an deren Bewältigung, aber das packte sie nun mal wesentlich leichter, wenn sie beschäftigt und nicht sich selbst überlassen war. Aber wer von uns ist da schon anders? Um welche Sucht es dabei geht, spielt keine Rolle; Abstinenz ist immer einfacher, wenn man das Instrument seiner Zerstörung nicht aus einem Kühlschrank, einem Bett oder einem liegen gebliebenen Schulbus in der Nähe nach sich rufen hört.

»Bitte, es ist doch noch früh«, bettelte Rachel und ich stimmte widerwillig, sehr widerwillig, zu, noch für eine Runde Leiterspiel mit ihr aufzubleiben. Das war Rachels Lieblingsspiel. Sie konnte es stundenlang spielen. Ich glaube, es sprach irgendwie ihre Auffassung von Schicksal an. Das Leiterspiel hat nämlich nichts mit Fähigkeiten oder Entscheidungen zu tun. Man geht einfach dorthin, wo der Würfel einen hinschickt, schuldfrei und ganz ohne Reue. Ich hatte über die Jahre hinweg versucht, ihr die Feinheiten von Schach und Dame beizubringen, aber Rachel konnte sich mit beidem einfach nicht anfreunden. Das war schon irgendwie witzig … sie war hundert Jahre alt, aber in so vielen Dingen war sie noch immer ein zwölfjähriges Kind, innerlich wie äußerlich.

Rachel würfelte und machte den ersten Zug.

Nach der ersten Schlange konnte ich mich an kaum etwas erinnern. Ich glaube, ich hatte vergeblich hochzuklettern versucht, und war nach einem kurzen, seltsamen Traum aufgewacht, als Rachel mich in meinem Sessel anstieß, um mir zu verkünden, dass sie gewonnen hatte. Sie hatte kurzerhand für uns beide gewürfelt, als ich geschlafen hatte. Ich gratulierte ihr und versuchte die Bilder einer mit einer Lilie in den Haaren und nichts sonst am Leib vor mir tanzenden Virginia abzuschütteln, aber ich war einfach zu müde, um mich zu wehren.

»John!«, schimpfte Rachel.

»Was?«, rief ich erschrocken, als ich wieder aus meinem Schlummer gerissen worden war.

»Du bist dran.«

Ich sah mir das Spielbrett an und erkannte, dass unsere beiden Spielsteine wieder auf das Anfangsfeld gestellt worden waren, und stöhnte leise auf.

»Ich kann nicht, tut mir wirklich leid. Ich muss unbedingt schlafen«, beharrte ich, quälte mich aus meinem Sessel und ging zur Treppe.

Rachel folgte mir durch den Flur und zog an meinen Armen, doch es nützte nichts. Ich hatte einfach kein Fünkchen Energie mehr übrig, offenbar genauso wenig wie die Lilien, an denen ich auf meinem Weg ins Bett vorbeikam. Sie fingen nämlich bereits an, zu verwelken, da ihre Tage schon gezählt waren, und ich konnte im Augenblick wirklich mit ihnen mitfühlen.

»Das ist unfair. Was soll ich denn jetzt machen, John? John, komm zurück!«, rief sie mir hinterher, aber ich war bereits in meinem Schlafzimmer und ließ mich mit dem Gesicht zuerst auf die Matratze fallen, auf der ich schlief, bis ich Lust dazu hatte, mein Bett aufzubauen. Ich zog nicht mal meine Decke über mich. Ich war einfach zu müde. Ich sank augenblicklich in einen tiefen Schlaf und machte da mit Virginia weiter, wo ich aufgehört hatte. Ich sah zu, wie sie immer näher zu mir kam, vor mir hertanzte und sich die Blütenblätter der Lilie mit jedem gemächlichen Schritt teilten.

»John, du Scheißkerl!«, protestierte Rachel lautstark und schüttelte mich im Schlaf, wodurch sie Virginias großes Finale versaute. »Ich stecke schließlich nur wegen dir hier fest. Ich wollte gar nicht nach Schottland, doch ich bin mitgekommen, weil du gesagt hast, dass du mich brauchst.«

Das stimmte nicht ganz, eigentlich noch nicht einmal ansatzweise. Ich hatte sie gebeten, mitzukommen, um ihre Behandlung fortsetzen zu können. Ich traute ihr nicht zu, allein loszuziehen, und ich hatte Angst, was sie vielleicht anstellen könnte. Rachel hatte mich begleitet, weil ich es im Laufe der Jahre geschafft hatte, für sie sowohl die Rolle der Vaterfigur als auch die eines Freundes einzunehmen, was sie zuvor gar nicht gekannt hatte und worauf sie großen Wert legte, auch wenn sie es noch nicht ganz begriff. Diesen Fortschritt hatten wir bereits gemacht. Aber wenn ich nicht für sie da sein konnte, wenn sie mich am meisten brauchte, was nützte ich dann als Vater oder als Freund?

»Bitte, ich verspreche dir, ich werde morgen nicht so viel arbeiten. Doch lass mich jetzt endlich schlafen. Dann mache ich morgen alle Reparaturen nach Anbruch der Dunkelheit. Ich lass dich sogar den Hammer halten, wenn du willst …«, sagte ich und schnarchte schon, bevor ich den Satz überhaupt beendet hatte.

Ich hörte, wie Rachel frustriert knurrte und mich dann widerstrebend allein ließ, wobei sie die Schlafzimmertür laut hinter sich zu knallte. Ich fühlte mich schuldig, weil ich sie im Stich ließ, was sich garantiert auch in meinen Träumen widerspiegeln würde, aber ich hatte nicht die Chance, das herauszufinden, denn ein lautes Hämmern an der Tür riss mich fast augenblicklich wieder aus dem Schlaf und wollte einfach nicht nachlassen, bis ich schließlich vor Wut kochte.

»Rachel! Rachel! Um Himmels willen, hör endlich auf damit! Ich muss schlafen!«

Aber Rachel hörte nicht auf. Sie hämmerte einfach weiter gegen die Tür, bis ich hörte, wie diese schrecklich knirschte und eine der Messingschrauben aus den Angeln hüpfte und auf den Boden fiel. Mit einem Satz war ich aus dem Bett und riss die Tür auf, um ihr die Meinung zu geigen, aber zu meiner Überraschung war sie gar nicht da. Die kalte Luft wirbelte umher und die Schatten nagten an jedem Lichtschimmer, doch ansonsten war der Flur vor mir leer und die Tür intakt.

»Was schreist du denn so rum?«, fragte Rachel von unten. Sie sah ehrlich verwirrt aus.

Ich konnte mir nicht erklären, wie sie das geschafft hatte. Rachel war zwar schnell, aber so schnell nun auch wieder nicht. Ich hatte die Tür aufgerissen, als noch auf sie eingehämmert worden war, aber Rachel war nicht da gewesen. Außerdem beharrte sie darauf, dass sie die ganze Zeit über in der Küche gewesen war und rein gar nichts gehört hatte, was unmöglich sein konnte.

»Das hast du bestimmt nur geträumt«, sagte sie, und bei dem Schlafentzug, den ich hatte, konnte das wahrscheinlich wirklich sein.

Zumindest dachte ich das, bis ich auf die kleine Messingschraube mitten auf meinem Boden trat, die aus der Türangel gefallen war.

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