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Das war’s dann mit dem Viertel

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Da ich eine leuchtende Sicherheitsweste anhatte und einen Leitkegel mit mir herumtrug, war es mir möglich, den ganzen Weg bis zur Hauptstraße und in die Stadt zu laufen, ohne dass jemand auch nur mit der Wimper zuckte – oder sich übertriebene Mühe gab, mich nicht umzufahren.

Als ich die Stadt erreichte, war sie eindeutig nicht mehr dieselbe, die ich in der Nacht zuvor verlassen hatte. Ein blaues blinkendes Lichtermeer erfüllte die High Street und Hundeführer und bewaffnete Polizisten rannten aufgeregt hin und her, während ich an ihnen vorbeiging, ohne dass eine Schnauze oder ein Pistolenlauf auf mich gerichtet wurde. Um der Polizei gegenüber fair zu sein: Ich war es ja eigentlich auch nicht, nach dem sie suchten, und doch war es genau ich, den sie suchten. Sie wussten es nur noch nicht, und ich beabsichtigte, es so lange wie nur möglich dabei zu belassen.

»Halten Sie sich von der Straße fern. Allen Bewohnern wird geraten, drinnen zu bleiben und bis auf Weiteres Türen und Fenster verschlossen zu halten«, rief ein Polizeikommissar mit Megafon, der hinten auf einem Polizeibus stand und ein paar vereinzelte Seelen dirigierte. Er warf mir einen kurzen Blick zu, als ich an ihm vorbeischlenderte, und so hielt ich meinen Leitkegel in die Höhe, wie um zu fragen: Wo soll der denn hin?

Der Kommissar ließ mich anstandslos weitergehen, ohne mich noch mal anzusehen, sodass ich meinen Heimweg, vorbei an Reihen über Reihen von Krankenwagen und einem Rudel sensationsgeiler Reporter, unbehelligt fortsetzen konnte.

Soweit ich hören konnte, wusste niemand, woher die wütende Bestie gekommen oder wohin sie gegangen war, aber sie war im Viertel definitiv eingeschlagen wie eine Kanonenkugel in einem Kindergarten. Es gab bislang sechs bestätigte Todesopfer, aber Gott sei Dank keine Verletzten, denn ansonsten hätte die Stadt bei Anbruch der nächsten Nacht echte Probleme bekommen.

Meine Straße war von bewaffneten Polizisten abgeriegelt worden. Fünf der sechs Opfer waren meine Nachbarn, und einer von ihnen war komplett aufgefressen worden, mit Knochen und allem drum und dran, weshalb ich mich natürlich schrecklich fühlte, bis ich herausfand, dass man dabei offenbar über mich selbst sprach.

»Von dem armen alten Trottel ist nichts übrig geblieben außer jede Menge Blut an den Wänden. Ist das zu fassen?«, meinte der diensthabende Polizist zu mir, als ich mich ans flatternde gelbe Absperrband stellte und all die weißen Kriminaltechnik-Zelte betrachtete, die man in meiner Straße aufgestellt hatte.

»Oh ja, ich hab gehört, dass so was passieren kann«, antwortete ich hastig, nur zu glücklich, seine Version der Ereignisse bekräftigen zu können. Der Polizist sah mich zweifelnd an und fragte dann, wer ich sei. »Die Verkehrssicherung hat mich hierher geschickt. Anscheinend nehmen die sich die ganze Straße vor.«

Der Polizist betrachtete meinen Leitkegel, war aber offenbar nicht vollends überzeugt.

»Mir hat keiner was gesagt und ich soll niemanden durchlassen«, betonte er auf eine Weise, die mich fast den Punkt am Ende seines Satzes hören ließ.

»Ist mir auch recht«, sagte ich mit einem Achselzucken. »Dann besorg ich mir jetzt erst mal ein Frühstück.« Ich überreichte ihm meinen Leitkegel und trottete mit der größtmöglichen vorgetäuschten Lässigkeit davon.

Natürlich würde man mich nicht nur mit einem Leitkegel als Beweis durch eine Polizeiabsperrung lassen, aber ich musste irgendwie in mein Haus zurückkommen. Es war wichtig … im wahrsten Sinne des Wortes eine Sache von Leben und Tod … also schlüpfte ich um die Ecke und behielt den Polizisten dabei im Auge, in der Hoffnung, dass dieser seinen Posten wenigstens fünf Minuten lang für eine heimliche Kippe verlassen würde. Zu meinem Pech, wenn auch nicht zum Pech seiner Lungen, tat er das aber nicht. Doch durch genaues Beobachten entdeckte ich irgendwann trotzdem einen Weg durch die Absperrung.

Forensische Teams der Polizei durchkämmten nun das Gebiet auf der Suche nach Beweisen und DNS und schienen offenbar Backstage-Pässe für alles zu haben. Ich hatte daraufhin eine plötzliche Eingebung und eilte zu B&Q am anderen Ende der Stadt. In der Abteilung für Farben und Dekoration schnappte ich mir kurzerhand einen weißen Papieroverall, eine Staubmaske, ein paar Einweg-Latexhandschuhe und eine Spendenbox vom Tisch des Kundenservice, die mir beim Bezahlen der gerade genannten Dinge half. Auf dem Parkplatz zog ich alles an und ging dann zurück, wobei ich hoffte, dass ich eher wie aus CSI: Miami als aus DIY SOS aussah, und glücklicherweise sah der Polizist das wohl so, denn er hob das gelbe Absperrband und ließ mich den Tatort betreten.

Bis ich mein Haus erreichte, kam ich an einem weiteren Dutzend weiß gekleideter Ermittler vorbei, die allesamt auf Händen und Knien über den Asphalt krochen. Auch im Haus selbst nahmen mehrere Ermittler Blutproben von meinem Teppich, schossen Fotos meiner Habseligkeiten und vermaßen die eindrucksvollen Kratzspuren, die meine Wände zierten. Ich stibitzte mir ein Lineal und einen Plastikbeutel von einem Klapptisch in meinem Vorgarten und ging hinein.

»Könnte es ein Löwe gewesen sein?«, hörte ich eine von ihnen mutmaßen.

»Auf jeden Fall irgendeine Raubkatze«, stimmte ihr ein Kollege zu.

Sie zupften nun einige winzige Haarsträhnen vom Türrahmen und packten sie sehr sorgfältig in einen durchsichtigen Beweismittelbeutel. Ich fürchtete, dass sie enttäuscht sein würden, wenn sie diese untersuchten, da alle Beweise meiner Transformation am nächsten Morgen grundsätzlich verschwanden. Diese Strähnen stammten bestimmt von meinem mit Schottenkarostoff bezogenen Einkaufs-Trolley, mit dem ich die letzten vierzig Jahre beim Raus- und Reingehen an meiner Tür entlang geschrammt war.

In meinem Keller befanden sich weitere Ermittler; manche durchwühlten meinen Besitz, andere fotografierten alles, was sie fanden. Hier unten gab es auch weitere Furchen, insbesondere auf der Rückseite meiner verstärkten Stahltür. Wie es aussah, hatten sie mittlerweile eine vernünftige Vorstellung davon, woher die Bestie gekommen war, wenn auch nicht, um was es sich dabei tatsächlich handelte. Mein Keller schien aber auf jeden Fall spannende Hinweise zu liefern.

Dann war da noch die Sache mit Rachels Sarg.

Sie hatten ihn unter einem Berg alter Zeitungen gefunden und vergeblich versucht, ihn aufzustemmen. Zum Glück – meinem und natürlich ihrem eigenen – hatten sie bisher keinen Erfolg gehabt. Sie hatten schon alle Schrauben herausgedreht und ihre Stemmeisen in der Lücke angesetzt, aber so sehr sie sich auch bemühten, sie konnten den Deckel einfach nicht aufhebeln. Keiner konnte sich erklären, warum das so war, doch es gab einen vollkommen vernünftigen Grund dafür. Rachel lag darin und hielt ihn von innen geschlossen. Da sie wusste, dass sie in großen Schwierigkeiten wäre, wenn man sie da drin fand, hielt sie ihn fest und wartete auf Rettung, die entweder durch meine Rückkehr oder die Ankunft der Nacht kommen würde.

»Ich übernehme das jetzt«, sagte ich zu ihnen, als ich mir einen Weg durch die anderen Leute bahnte. Das hatte ich vor allem wegen Rachel gesagt, damit sie meine Stimme hörte und mir half, wenn es soweit war.

Rachel ist, wie ich vielleicht schon erwähnt habe, ein Vampir. Sie ist verwandelt worden, als sie noch ein Kind war und obwohl sie nun fast hundert Jahre alt ist, sieht sie noch immer kaum wie zwölf aus. Sie ist vor ungefähr dreißig Jahren zu mir gekommen, um Hilfe zu suchen. Sie war mordsüchtig und über die Jahre extrem unglücklich geworden. Das passiert verlorenen Seelen oft. Für manche Kreaturen ist der Tod etwas Unvermeidliches, aber es kann dennoch schwer auf dem Gewissen lasten, und so hatte ich für sie getan, was ich konnte. Ich hatte sechs Silberschrauben aus einem Kruzifix geschmiedet, das ich mir von der Lincoln Kathedrale geborgt hatte, und hatte sie weggesperrt, während ich an ihrer Rehabilitation gearbeitet hatte. Wisst ihr, Rachel braucht zwar Blut zum Leben, aber sie muss nicht zwangsläufig töten, und ich hatte immer gehofft, wenn ich sie dazu bringen könnte, das zu verstehen, dann könnte ich sie endlich freilassen.

Es war ein langer und Geduld erfordernder Prozess, aber Rachel hatte jetzt seit über dreißig Jahren niemanden mehr getötet. Das hatte übrigens keiner von uns beiden – zumindest bis letzte Nacht. Oh, der süffisante Ausdruck auf ihrem Gesicht … ich konnte ihn schon beinahe sehen und fühlte mich auch gebührend schuldig.

»Wer sind Sie? Sie gehören nicht zu meiner Einheit«, meinte eine Ermittlerin schließlich, nahm mich beiseite und verlangte meinen Ausweis zu sehen.

Alle drehten sich daraufhin zu mir um und ein Fotograf machte ein Bild von mir, doch da ich noch immer meinen Ganzkörperpapieranzug (nur drei Pfund – das ist echt preiswert) und meine weiße Staubmaske trug, sah ich nicht anders aus als die Ermittlerin neben mir. Vielleicht trug ich ein bisschen weniger Lidschatten, aber viele Unterschiede wiesen wir nicht auf.

»Hör mal, wenn ich dir helfe, versprichst du mir dann, ein braves Mädchen zu sein?«, fragte ich zum großen Erstaunen der Ermittlerin.

»Holen Sie sofort den Sergeant her. Dieser Verrückte befindet sich unbefugt an meinem Tatort«, blaffte sie als Antwort.

»Ich meine es ernst. Wir zwei haben ein ernstes Problem, wenn du Blödsinn machst. Hast du gehört, Mädel?«

Die Ermittlerin blinzelte über meine Unverschämtheit und einer ihrer Assistenten lachte, aber ich hatte in Wirklichkeit gar nicht mit ihr gesprochen. Ich hatte mit Rachel geredet.

»Bring sie nicht um«, warnte ich sie. »Halt sie bloß davon ab, sich einzumischen.« Draußen herrschte Tageslicht und es war der schlimmste Albtraum jedes Vampirs, dass seine Ruhestätte während des Tages aufgespürt wurde. Ich konnte Rachel zwar helfen, hier rauszukommen, aber meine Hilfe würde ihren Preis haben.

Ein bewaffneter Polizist tauchte jetzt am oberen Ende der Treppe auf und fragte, wo das Problem war.

»Entfernen Sie diesen Mann auf der Stelle vom Tatort, bevor er noch alles kontaminiert«, verlangte sie schnippisch. Rachel wartete, bis der Beamte fast bei mir war, bevor sie den Deckel mit aller Kraft wegstieß und alle damit überrumpelte.

»Oh, John.« Sie lächelte begeistert. Ihre Reißzähne waren voll ausgefahren und schimmerten im elektrischen Licht. »Du warst ein ganz schön böser Junge.«

DAS HAUS DER MONSTER - DIE MONSTER SIND ZURÜCK

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